Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit des in § 14 des Heimgesetzes (HeimG a.F.) vom 7. August 1974 (BGBl I S. 1873) enthaltenen Testierverbots.
1. Die Beschwerdeführerin betrieb mit Unterstützung des Beschwerdeführers eine Hotelpension, in der sie über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren auf Dauer mindestens drei alte und pflegebedürftige Menschen betreute. Dafür erhielt sie von ihren Pflegegästen monatlich 5.000 DM. Mit Wissen der Beschwerdeführer errichtete einer ihrer Pflegegäste im Jahre 1988 ein handschriftliches Testament, in dem er die Beschwerdeführer zu seinen Erben einsetzte. Nach dem Tod der Erblasserin beantragten die Beschwerdeführer die Erteilung eines Erbscheins.
2. Diesen Antrag lehnten die Zivilgerichte im wesentlichen mit der Begründung ab, daß das Testament gegen das gesetzliche Verbot des § 14 HeimG a.F. verstoße und daher nichtig sei. Nach dieser Vorschrift dürfe ein Betreiber oder ein Angestellter einer Pflegeeinrichtung sich über das für die Unterbringung, Beköstigung und Pflege vereinbarte Entgelt hinaus keine weiteren Vermögensvorteile versprechen lassen. Ein solches Versprechen liege auch bei einer testamentarischen Begünstigung vor, wenn der Heimträger oder das Heimpersonal davon Kenntnis erlangt hätten. Dieses Verbot gelte nach § 1 HeimG a.F. auch für Altenpensionen, ohne daß es auf eine Mindestzahl von Bewohnern ankomme. Der Anwendung des § 14 Abs. 2 HeimG a.F. stehe nicht entgegen, daß die Beschwerdeführerin keine Heimerlaubnis besessen habe.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung der Erbrechtsgarantie und beantragen den Erlaß einer einstweiligen Anordnung zum Schutz ihres Erbrechts. Die Gerichte hätten bei der Anwendung und Auslegung des § 14 HeimG a.F. die Bedeutung der Erbrechtsgarantie verkannt. Die Vorschrift schränke das Prinzip der Testierfreiheit ein und könne nicht erweiternd auf Einrichtungen angewendet werden, die nicht dem Heimgesetz unterlägen. Im vorliegenden Fall liege kein erlaubtes Pflegeheim vor. Außerdem sei die Einrichtung der Beschwerdeführerin nach einer Mitteilung der Heimaufsichtsbehörde auch nicht nach den gesetzlichen Vorschriften des Heimgesetzes erlaubnispflichtig gewesen, so daß die Verbotsnorm des § 14 HeimG a.F. nach dem Willen des Gesetzgebers nicht eingreife.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da die Annahmevoraussetzungen des § 93 a BVerfGG nicht vorliegen.
1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Es ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, daß die Testierfreiheit ein bestimmendes Element der Erbrechtsgarantie ist (BVerfGE 67, 329 ≪341≫; 91, 346 ≪358≫) und daß der Gesetzgeber bei der näheren Ausgestaltung des Erbrechts den grundlegenden Gehalt der verfassungsrechtlichen Gewährleistung wahren muß (BVerfGE 67, 329 ≪340≫). Er darf insbesondere von Elementen des Erbrechts, die Bestandteil der verfassungsrechtlichen Gewährleistung sind, nur in Verfolgung eines verfassungsrechtlich legitimen Zwecks und nur unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abweichen (BVerfGE 91, 346 ≪360≫).
Gemessen an diesen Grundsätzen stellt das Testierverbot des § 14 HeimG a.F. eine verhältnismäßige Einschränkung der Testierfreiheit dar (BVerwG, NJW 1990, S. 2268; BGH, ZEV 1996, S. 145 f.; BayObLG, NW 1992, S. 55 f.; NJW 1993, S. 1143 f.). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist entgegen den in der Literatur geäußerten Bedenken (Jacobi, § 14 HeimG – eine inkonsequente Norm, ZfSH/SGB 1994, S. 633 f.; Brox, Die Einschränkung der Testierfreiheit durch § 14 des Heimgesetzes und das Verfassungsrecht, in: E. Klein, Festschrift für Ernst Benda, Heidelberg 1995, S. 17 ff.; Münzel, Heimbewohner und Testierfreiheit, NJW 1997, S. 112 ff.) nicht verletzt.
Das Testierverbot dient legitimen Gemeinwohlzielen. § 14 HeimG a.F. verfolgt im wesentlichen drei Zwecke. Erstens soll verhindert werden, daß die Hilf- oder Arglosigkeit alter und pflegebedürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenützt wird. Sie sollen vor der nochmaligen oder überhöhten Abgeltung von Pflegeleistungen bewahrt werden (BTDrucks 7/180 S. 12, 15). Zweitens soll der Heimfriede geschützt werden. Es soll verhindert werden, daß durch die Gewährung von finanziellen Zusatzleistungen oder Zusatzversprechen eine unterschiedliche (privilegierende oder benachteiligende) Behandlung der Bewohner eines Altenheims eintritt (BTDrucks 7/180 S. 12; 11/5120 S. 17 f.). Drittens dient § 14 HeimG a.F. dazu, die Testierfreiheit der Heimbewohner zu sichern (vgl. BTDrucks 11/5120 S. 17). Die Vorschrift soll alte Menschen davor bewahren, daß ihr Recht auf freie Verfügung von Todes wegen durch offenen oder versteckten Druck faktisch gefährdet wird.
Das in § 14 HeimG a.F. aufgestellte Verbot, von dem die Heimaufsichtsbehörde im Fall des Absatzes 1 nach dessen Satz 2 unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen zulassen kann, stellt auch ein geeignetes Mittel zur Erreichung dieser Ziele dar. Dadurch, daß es dem Träger des Heims, seinem Leiter, den Beschäftigten und sonstigen Mitarbeitern verboten ist, sich über das Pflegeentgelt hinaus Vermögensvorteile für zu erbringende Leistungen versprechen zu lassen, wird der Ausnützung der Heimbewohner, der Störung des Heimfriedens durch finanzielle Konkurrenz und der Beeinträchtigung der Testierfreiheit durch versteckten oder offenen Druck entgegengewirkt. Der Schutz dieses Verbotes wird dadurch verstärkt, daß ein Zuwiderhandeln nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt (BGHZ 110, 235 ≪240≫).
Das Verbot stellt auch ein erforderliches Mittel dar. Es trifft nicht zu, daß die allgemeinen Vorschriften über die Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften (§ 138 BGB) und über den Testamentswiderruf (§§ 2253 – 2255 BGB) das Ziel des Gesetzgebers in gleichem Maße erreichen und einen geringeren Eingriff darstellen. Zwar begründet auch § 138 BGB einen Schutz gegen Übervorteilung. Dieser Schutz greift aber nur ein, wenn eine tatsächliche Zwangslage besteht und wenn dies im nachfolgenden Prozeß nachgewiesen werden kann. Hingegen verhindert § 14 HeimG a.F. bereits die Ausübung offenen oder versteckten Drucks und entfaltet damit eine umfassendere Schutzwirkung (BGH, ZEV 1996, S. 145 f.). Auch die allgemeinen Widerrufsregeln für Testamente können nicht als gleich wirksames milderes Mittel angesehen werden. Denn sie verhindern nicht, daß auf die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen offener oder versteckter Druck in bezug auf eine bestimmte Testamentsgestaltung ausgeübt wird. Sie geben den Heimbewohnern lediglich ein Mittel in die Hand, sich der Rechtsbindung einer fremdbeeinflußten testamentarischen Erklärung wieder zu entziehen. Sie wirken aber nicht der Entstehung psychischer Zwangslagen entgegen, die zur Errichtung vom freiem Willen nicht getragener Testamente führen und zu deren Beibehaltung bewegen. Ferner stellt auch die Einführung einer Meldepflicht für testamentarische Zuwendungen kein gleich wirksames milderes Mittel dar. Denn auch die Meldepflicht zwingt den Heimträger und das Heimpersonal nicht in gleichem Maße zur Zurückhaltung bei der Einflußnahme auf die Testamentsgestaltung der Heimbewohner wie ein Verbot. Als gleich wirksames, aber milderes Mittel kann auch nicht die Beschränkung des Verbots auf die aktive Einflußnahme bei der Testamentsgestaltung angesehen werden. Damit würde zwar die faktische Testierfreiheit der Heimbewohner in annähernd gleichem Maße geschützt wie durch das Verbot der passiven Vorteilsannahme. Es würde aber nicht verhindert, daß einzelne Heimbewohner sich durch testamentarische Versprechen Vorteile im Heimbetrieb „erkaufen” könnten und daß eine Art Konkurrenzsituation zwischen den Heimbewohnern entstehen würde, die geeignet wäre, den Heimfrieden zu gefährden (vgl. BTDrucks 7/180 S. 12). Damit stellt sich ein Verbot der testamentarischen Vorteilsannahme jedenfalls dann als geringstmöglicher Eingriff dar, wenn es als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt angesehen wird und wenn dem Heimbewohner ein Anspruch auf Erlaubniserteilung eingeräumt wird, soweit die mit dem Verbot verfolgten Zwecke im Einzelfall nicht eingreifen (vgl. BVerfGE 18, 353 ≪363≫; 71, 137 ≪146≫).
Das in § 14 HeimG a.F. enthaltene Verbot der testamentarischen Vorteilsannahme ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Für den Heimträger und die Mitarbeiter des Heimes stellt sich das Verbot der Vorteilsannahme als übliche und zumutbare Einschränkung ihrer Berufs- und Gewerbeausübungsfreiheit dar. Ihren berechtigten Interessen ist bereits durch das Pflegeentgelt Rechnung getragen. Daneben schränkt das Verbot der Vorteilsannahme zwar auch die rechtlichen Testiermöglichkeiten der Heimbewohner ein. Ihnen wird die Testamentserrichtung erschwert, wenn sie freiwillig, aus menschlich nachvollziehbaren Gründen einen Altenpfleger, Heimleiter oder Heimträger testamentarisch bedenken wollen. Eine solche vom Prinzip der Testierfreiheit geschützte letztwillige Verfügung wird aber durch die Verbotsnorm des § 14 HeimG a.F. weder unmöglich gemacht noch in unzumutbarer Weise erschwert. Da § 14 HeimG a.F. nur Vorteilsversprechen verbietet, schließt die Norm testamentarische Verfügungen zugunsten des Heimträgers oder des Heimpersonals nicht aus, die dem Betroffenen nicht mitgeteilt und gleichsam im Stillen angeordnet werden. Bei fehlender Kenntnis des Begünstigten ist das Testament stets wirksam (BayObLG, NJW 1992, S. 55 ff.; NJW 1993, S. 1143 ff.; BGH vom 24. Januar 1996, BGHR, HeimG § 14 Abs. 1 Satz 1 Vermögensvorteil 2). Möchte der Erblasser seinen letzten Willen dem bedachten Heimträger mitteilen, kann er die Wirksamkeit seiner testamentarischen Verfügung dadurch sichern, daß er vorher eine Erlaubnis für die Zuwendung beantragt (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 HeimG a.F.). Da der Betroffene einen Anspruch auf Genehmigung hat, wenn seine Zuwendung nicht dem Zweck des § 14 HeimG a.F. widerspricht, stellt die Durchführung eines solchen vorherigen Erlaubnisverfahrens keine unzumutbare Belastung dar. Dies gilt vor allem deshalb, weil die Einschaltung der Heimaufsichtsbehörde auch der Überprüfung der Freiwilligkeit des Testierentschlusses und damit dem Schutz des Heimbewohners dient. Eine unzumutbare Erschwerung liegt auch in den Fällen nicht vor, in denen der Altenheimbewohner erst nach Testamentserrichtung vom begünstigten Heimträger über den Erlaubnisvorbehalt aufgeklärt wird. Denn § 14 Abs. 1 Satz 2 HeimG a.F. schließt jedenfalls eine erneute Testamentserrichtung nach Einschaltung der Aufsichtsbehörde nicht aus. Angesichts dieser Möglichkeiten der stillen oder erlaubten Testierung kann von einer Verletzung des Übermaßverbots keine Rede sein.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist im vorliegenden Fall auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer aus Art. 14 Abs. 1 GG angezeigt. Es ist nicht ersichtlich, daß die Zivilgerichte bei der Anwendung und Auslegung des § 14 HeimG a.F. auf den vorliegenden Fall Bedeutung und Tragweite der Erbrechtsgarantie grundsätzlich verkannt hätten. Die Feststellung des Sachverhalts und die Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts sind Sache der allgemein zuständigen Gerichte und einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle weitgehend entzogen (BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 91, 346 ≪366≫).
a) Es ist eine Frage der Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts, ob die Verbotsnorm des § 14 HeimG a.F. nur für staatlicherseits erlaubte Heime gilt oder darüber hinaus auch für alle erlaubnispflichtigen Heime. Da § 1 HeimG a.F. den Anwendungsbereich des Gesetzes auf alle Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime und gleichartigen Einrichtungen erstreckt und da § 14 HeimG a.F. keinerlei Einschränkungen enthält, ist die Ansicht der Zivilgerichte jedenfalls vertretbar, daß es auf das Vorliegen einer staatlichen Erlaubnis nicht ankommt und daß der Schutzzweck des § 14 HeimG a.F. auch bei nicht genehmigten Einrichtungen eingreift.
b) Ebenso ist es eine Frage der Anwendung des einfachen Rechts, ob der relativ kleine Pflegebetrieb der Beschwerdeführerin als erlaubnispflichtige Heimeinrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 HeimG a.F. anzusehen ist. Nach den Feststellungen der Zivilgerichte haben die Beschwerdeführer über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren Pflegeleistungen erbracht und dabei jeweils mindestens drei alte Menschen dauerhaft betreut. Soweit die Zivilgerichte davon ausgegangen sind, daß es für den Heimbegriff in erster Linie auf die Nachhaltigkeit der Pflegetätigkeit ankommt und nicht auf die Zahl der betreuten Personen, ist diese Auffassung jedenfalls vertretbar. Denn der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 HeimG a.F. stellt allein auf eine dauerhafte Unterbringung ab und schreibt eine bestimmte Mindestzahl der Bewohner nicht vor. Schließlich konnten die Beschwerdeführer – nach den nicht substantiiert angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts – der Rechtsauskunft der Aufsichtsbehörde nicht entnehmen, daß ihr über die reine Hotelunterbringung hinausgehender Pflegebetrieb als erlaubnisfrei anzusehen sei.
3. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Grimm, Hömig
Fundstellen
Haufe-Index 1210318 |
NJW 1998, 2964 |
FamRZ 1998, 1498 |
NJWE-FER 1998, 254 |
ZAP 1998, 799 |
DNotZ 1999, 56 |
NDV-RD 1998, 91 |
RsDE 1999, 70 |
VersR 1998, 1245 |
PflR 1999, 20 |