rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnfortzahlung bei häuslicher Heilbehandlung
Leitsatz (amtlich)
Arbeitsunfähigkeit i. S. des § 1 Abs. 1 LFZG liegt auch dann vor, wenn sich eine Krankheit auf einen Körperteil beschränkt, dessen Funktionsfähigkeit für die Verrichtung der Arbeit im Betrieb nicht unbedingt notwendig ist, für dessen Heilung der Arzt aber eine häusliche Heilbehandlung angeordnet hat, die im Betrieb nicht durchführbar ist.
Normenkette
LFZG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Urteil vom 14.06.1989; Aktenzeichen 3 Ca 24/89) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. Juni 1989 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Kassel – 3 Ca 24/89 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt bleibt, an den Kläger 2.217,56 DM (i.W.: zweitausendzweihundertsiebzehn 56/100 Deutsche Mark) brutto nebst 4 v.H. Zinsen aus dem verbleibenden Nettolohnbetrag seit 01. Februar 1989 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für den zweiten Rechtszug auf 2.217,56 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Beklagte unterhält in K. einen Betrieb für Fotosetzerei. Dort beschäftigt sie neun Arbeitnehmer.
Der am 01. April 1940 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 01. April 1987 bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt und erhält einen Stundenlohn von 21,17 DM brutto. Er ist in der Arbeitsvorbereitung tätig und bearbeitet selbst Aufträge.
Am 05. Dezember 1988 erlitt der Kläger nach Arbeitsende einen Sportunfall, bei dem er sich den fünften Mittelfußknochen brach. Er wurde in das Krankenhaus eingeliefert, wo er sich bis zum 14. Dezember 1988 aufhielt. Danach wurde er ab 19. Dezember 1988 von Dr. med. A. M. weiterbehandelt. Dr. M. attestierte dem Kläger bis zum 22. Januar 1989 Arbeitsunfähigkeit. In einem ärztlichen Attest vom 19. April 1989 beschrieb Dr. M. die Art der Erkrankung des Klägers, den Heilungsverlauf und die Behandlungen, die er dem Kläger selbst auf getragen hatte. Wegen der Einzelheiten dieses Attestes wird auf Bl. 25 d.A. Bezug genommen.
Am 28. Dezember 1988 ließ der Kläger sich einen der Beklagten erteilten Satzauftrag nach Hause bringen. Dort bearbeitete er den Auftrag und las wenig später, ebenfalls zu Hause, die notwendige Korrektur.
Im Schreiben vom 05. Januar 1989 nahm die Beklagte auf die Tätigkeit des Klägers am 28. Dezember 1988 Bezug und bezweifelte mit dieser Begründung dessen Arbeitsunfähigkeit; gleichzeitig lehnte die Beklagte die weitere Zahlung von Krankenlohn ab. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Bl. 6 d.A. verwiesen. Im Ergebnis weigerte die Beklagte sich, dem Kläger für die Zeit ab 28. Dezember 1988 Lohnfortzahlung zu leisten.
Mit der Klage vom 12./13. Januar 1989 hat der Kläger im ersten Rechtszug zuletzt Lohnfortzahlung für die Zeit vom 28. Dezember 1988 bis zum 22. Januar 1989 verlangt. Er hat unter Bezugnahme auf das ärztliche Attest des Dr. M. behauptet, aufgrund der am 05. Dezember 1988 erlittenen Fußverletzung bis zum 22. Januar 1989 arbeitsunfähig gewesen zu sein. Der Kläger hat gemeint, das ärztliche Attest sei nicht dadurch in seiner Glaubwürdigkeit beeinträchtigt, daß er am 28. Dezember 1988 zu Hause einen
Auftrag erledigt habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.868,54 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit 01. Februar 1989 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, dem Kläger spätestens ab 28. Dezember 1988 nicht mehr zur Lohnfortzahlung verpflichtet gewesen zu sein, weil seit diesem Tage bei ihm keine Arbeitsunfähigkeit mehr bestanden habe; aus der Tatsache, daß der Kläger an diesem Tage zu Hause einen Kundenauftrag bearbeitet habe, müsse geschlossen werden, daß er tatsächlich nicht mehr gehindert gewesen sei, seine Arbeit zu verrichten. Die Beklagte hat behauptet, die Fußverletzung habe den Kläger allenfalls daran gehindert, den Weg von seiner Wohnung in den Betrieb zurückzulegen; im Betrieb habe er die ihm obliegenden Arbeiten trotz der Fußverletzung ohne weiteres verrichten können; der Kläger habe nämlich seine Tätigkeit nahezu ausschließlich im Sitzen zu erledigen und sei dabei vorwiegend auf einen Raum begrenzt; notwendig werdende innerbetriebliche Wege hätten andere Mitarbeiter dem Kläger abnehmen können. Sie ist der Auffassung gewesen, das Risiko, wegen seiner Verletzung nicht den Weg von zu Hause in den Betrieb zurücklegen zu können, habe allein der Kläger zu tragen; hieraus ergebe sich keine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Lohnfortzahlungsgesetz.
Der Kläger hat dagegen behauptet, bei der Erledigung der ihm im Rahmen des Arbeitsverhältnisses übertragenen Aufgaben habe er sich ständig zwischen vier Räumen zu bewegen, die durch Türen voneinander getrennt seien; er arbeite ständig an verschiedenen Arbeitsplätzen; unter diesen Umständen sei es ihm aufgrund seiner Fußverletzung nicht möglich gewesen, die Arbeit im Betrieb auszuführen.
Das Arbeitsgericht Kassel hat im Urte...