Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungsanspruch. Freistellungsklausel. einstweilige Verfügung. Beschäftigung in der laufenden Kündigungsfrist. blue-pencil-test. AT-Angestellter. Beschäftigungsanspruch bei unwirksamer Freistellungsklausel. Freistellung ohne besondere Begründung
Leitsatz (redaktionell)
Die im Formulararbeitsvertrag eingeräumte Berechtigung, einen Arbeitnehmer ohne Vorliegen besonderer Voraussetzungen freizustellen, ist mit dem wesentlichen Grundgedanken des höchstrichterlich anerkannten Beschäftigungsanspruchs eines Arbeitnehmers nicht vereinbar.
Normenkette
BGB § 307; ZPO §§ 935, 940; BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 31.01.2013; Aktenzeichen 20 Ga 191/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Jan. 2013 - 20 Ga 191/12 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Verfügungsbeklagte wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, den Verfügungskläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Juli 2013 als Leiter Kartengeschäft Produktmanagement/Operations innerhalb des Geschäftsbereichs 5 zu beschäftigen. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger 1/3, die Beklagte 2/3 zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um das Recht des Verfügungsklägers (folgend: Kläger), nach betriebsbedingter und später auch verhaltensbedingter Kündigung bis zum Erreichen des Kündigungstermins tatsächlich beschäftigt zu werden.
Die Verfügungsbeklagte (folgend: Beklagte) ist eine Privatbank mit ca. 700 Mitarbeitern.
Der XX Jahre alte, verheiratete Kläger, der Unterhaltspflichten für 2 Kinder hat, ist im Betrieb der Beklagten seit 01. Juli 2009 als Leiter Kartengeschäft Produktmanagement/Operations in deren Hauptverwaltung gegen eine Bruttomonatsvergütung von 10.292,00 € tätig. Die Beklagte erkennt eine Betriebszugehörigkeit des Klägers bei einer Rechtsvorgängerin seit dem 01. Januar 1986 an.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch schriftlichen Arbeitsvertrag vom 23. November 2009 geregelt (Anlage A 1 zur Klageschrift Bl. 68-74 d.A.). In § 6 des Arbeitsvertrages ist ein Recht der Beklagten zur Freistellung des Klägers bestimmt. Die Klausel lautet:
"Das Unternehmen ist berechtigt, Sie jederzeit unter Fortgewährung des Arbeitsentgelts von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen. Dies gilt insbesondere für die Dauer der Kündigungsfrist im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Auf die Freistellung werden nacheinander etwaige Ihnen noch zustehenden Urlaubsansprüche sowie etwaige Zeitguthaben angerechnet."
Die Beklagte kündigte das zu dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis am 14. Dezember 2012 zum 31. Juli 2012 und stellte den Kläger nach Übergabe des Kündigungsschreibens am selben Tag unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei (Anlage A 4 zur Klageschrift, Bl. 79 d.A.).
Der Kläger beantragte am 28. Dezember 2012 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits. Wegen des unstreitigen und streitigen Vorbringens in erster Instanz im Übrigen sowie die gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag des Klägers durch Urteil vom 31. Januar 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Kläger habe keinen Verfügungsanspruch. Die Parteien hätten in § 6 des Arbeitsvertrages die Befugnis der Beklagten zur Freistellung des Klägers in der laufenden Kündigungsfrist wirksam geregelt. Die Klausel verstoße nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB. Der Kläger sei als ein AT-Angestellter und Mitglied der dritten Führungsebene in einer herausgehobenen Funktion tätig. Dies rechtfertige eine Freistellungsbefugnis des Arbeitgebers für einen Zeitraum ab Ausspruch einer Kündigung. Von dem Freistellungsrecht sei auch ermessensfehlerfrei Gebrauch gemacht worden.
Gegen das dem Kläger am 07. Februar 2013 zugestellte Urteil hat dieser am 08. Februar 2013 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22. Februar 2013, welcher am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, begründet.
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis durch Kündigung vom 28. Februar 2013 zusätzlich verhaltensbedingt zum 30. September 2013 gekündigt.
Der Kläger vertritt die Ansicht, dass ein Verfügungsanspruch zu Unrecht verneint worden sei. Die Klausel verstoße gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Seine Tätigkeit sei nicht weggefallen, die Aufgaben noch vorhanden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Januar 2013 - Az.: 20 Ga 191/12 - abzuändern und die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verurteilen, ihn
1. zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses als Leiter Karte...