Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehung und Verfall von Urlaubsansprüchen bei Erwerbsunfähigkeit auf Zeit
Leitsatz (amtlich)
1. Auch in einem in Folge Bezugs einer Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit ruhenden Arbeitsverhältnis entsteht Jahr für Jahr der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch.
2. Dieser Urlaubsanspruch verfüllt nicht mit dem Ende des Übertragungszeitraums des § 7 Abs. 3 BUrlG.
3. Einem Abgeltungsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden weiterhin wegen Erwerbsunfähigkeit nicht zur Arbeitsleistung in der Lage wäre.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 21.07.2009; Aktenzeichen 7 Ca 198/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg – Kn. Villingen-Schwenningen – vom 21.07.2009, Az. 7 Ca 198/09, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch um Abgeltung des nicht in Anspruch genommenen gesetzlichen Jahresurlaubs und Zusatzurlaubs nach § 125 SGB IX für die Jahre 2005 bis 2009, während derer die Klägerin Erwerbsunfähigkeitsrente bezog.
Die Klägerin war vom 01.07.2001 bis zum 31.03.2009 bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt war sie eingruppiert in Entgeltgruppe 7 a TVöD Krankenhaus, danach belief sich ihr Entgeltanspruch auf EUR 2.737,64 brutto monatlich. Die mit einem Grad der Behinderung von 50 Prozent schwerbehinderte Klägerin erkrankte im Jahre 2004 und bezog seit 20.12.2004 eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus.
Die Klägerin hat Erholungsurlaub und Zusatzurlaub für Schwerbehinderte für die Jahre 2005 bis 2008 und zeitanteilig für 2009 geltend gemacht ausgehend von 35 Urlaubstagen jährlich (30 Arbeitstage tariflich, 5 Tage Zusatzurlaub) und somit für insgesamt 149 Tage jeweils EUR 126,45 brutto eingeklagt.
Sie hat beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe von EUR 18.841,05 brutto zu bezahlten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.04.2009.
Die Beklagte hat
Klagabweisung
beantragt.
Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien habe im Hinblick auf den Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente geruht, bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis aber fielen Urlaubsansprüche nicht an. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei nicht auf den Fall der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente anzuwenden. Im Übrigen habe die Klägerin zu keiner Zeit irgendwelche Ansprüche geltend gemacht, sie seien deshalb jedenfalls aufgrund tariflicher Ausschlussfristen verfallen, im Übrigen aber bis einschließlich 2005 auch verjährt.
Das Arbeitsgericht hat unter Hinweis auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 in den verbundenen Rechtssachen C-350/06 und C-520/06 befunden, dass der Klägerin Vergütung des nicht genommenen gesetzlichen Jahresurlaubs und des Zusatzurlaubs nach § 125 SGB IX zustehe. Hinsichtlich des darüber hinausgehenden tariflichen Urlaubsanspruchs hat es die Klage abgewiesen.
Zur Rechtsfrage, ob während der Dauer des Ruhens des Arbeitsverhältnisses infolge Bezugs einer Erwerbsunfähigkeitsrente ein Urlaubsanspruch überhaupt entstehen könne, hat es ausgeführt, die Entstehung des Urlaubsanspruchs verlange lediglich, dass ein Arbeitsverhältnis bestehe und die Wartezeit zurückgelegt sei, eine Mindestarbeitsleistung werde nicht vorausgesetzt, daraus folge, dass auch während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses ein Urlaubsanspruch entstehe.
Der somit entstandene und auch fällige Urlaubsanspruch sei nicht erfüllt worden, er sei auch nicht erfüllbar gewesen und zwar unabhängig vom Willen der Klägerin als Folge deren Erwerbsunfähigkeit. Da die Urlaubsgewährung in natura aus Gründen, die außerhalb des Willens der Klägerin lagen, bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht möglich gewesen sei, habe sich der Abgeltungsanspruch in einen Geldanspruch umgewandelt und sei Jahr für Jahr fortgeschrieben worden. Der Anspruch sei nicht verfallen, da die tarifvertraglichen Ausschlussfristen erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen begönnen.
Der Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX unterläge den Regeln des Grundurlaubs, deshalb könne die Klägerin, die dauerhaft arbeitsunfähig aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, auch die Vergütung ihres Zusatzurlaubs nach § 7 Abs. 4 BUrlG verlangen. Darauf, dass die Klägerin nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis weiterhin und gegebenenfalls auf Dauer arbeitsunfähig erkrankt sei, komme es nicht an, da sie einen Geldanspruch habe, bei dem es sich nicht um ein Surrogat des Urlaubsanspruchs handle. Die Beklagte könne auch keinen Vertrauensschutz geltend machen, da sie angesichts der niemals verstummten Kritik an der Verfallsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts immer mit einem Auslegu...