Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Höhe. Herabsetzung auf 65 Prozent nach § 2 Abs 2 S 2 BEEG. Geltung auch für laufende Leistungsfälle. teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheids. Rückwirkungsverbot. Eigentumsgarantie. Gleichheitssatz
Orientierungssatz
1. Die Herabsetzung der Elterngeldhöhe auf bis zu 65 Prozent nach § 2 Abs 2 S 2 BEEG gilt nicht nur für Leistungsansprüche, die ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Regelung entstehen, sondern auch für laufende Leistungsfälle.
2. Die Erstreckung des § 2 Abs 2 S 2 BEEG auch auf laufende Leistungsfälle verstößt weder gegen das Rückwirkungsverbot des Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG noch gegen die Eigentumsgarantie nach Art 14 Abs 1 GG oder den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG.
3. Infolge der Neuregelung des § 2 Abs 2 S 2 BEEG können erteilte Bewilligungsbescheide wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs 1 S 1 SGB 10 teilweise aufgehoben werden.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.06.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Elterngeld und dessen Herabbemessung.
Mit Bescheid vom 04.11.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für den zweiten bis zwölften Lebensmonat ihres am 00.00.2010 geborenen Sohnes N in Höhe von 165,78 EUR für den zweiten Lebensmonat und 1.284,79 EUR für den dritten bis zwölften Lebensmonat. Sie ging dabei von durchschnittlichen Erwerbseinkünften in Höhe von 1.917,59 EUR aus. Aufgrund einer durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 (HBeglG 2011) verabschiedeten Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) hob die Beklagte die Bewilligung des Elterngeldes mit Bescheid vom 27.12.2010 teilweise ab dem fünften Lebensmonat (ab dem 04.01.2011) auf. Für die Zeit vom 04.01.2011 bis zum 03.09.2011 bewilligte sie monatlich nur noch 1.246,43 EUR.
Dagegen legte die Klägerin am 07.01.2011 Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass die im HBeglG 2011 beschlossenen Kürzungen des Elterngeldes nur Elterngeldansprüche für ab dem 01.01.2011 geborene Kinder beträfen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.01.2012 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 31.01.2012 vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass für den Anspruch auf Elterngeld im Zusammenhang mit der am 04.09.2010 erfolgten Geburt ihres Kindes das Recht des Jahres 2010 maßgeblich sei und bleibe. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts sei ein Rechtssatz grundsätzlich nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht würden. Dass sich aus der Gesetzesbegründung möglicherweise der Wille des Gesetzgebers ableiten lasse, die Absenkung der Höhe des Elterngeldes von 67 % auf 65 % könne auch auf Elterngeldansprüche anzuwenden sein, die an Geburten vor dem 01.01.2011 anknüpften, ändere daran nichts, weil dieser Wille allenfalls in der Gesetzesbegründung, aber nicht im Gesetz selbst zum Ausdruck komme.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25.06.2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass sich die Neuregelung des § 2 BEEG auch auf den Elterngeldbezug der Klägerin auswirke. Die Vorschrift sei nicht nur für Bezugsfälle maßgebend, bei denen das Kind erst nach dem 31.12.2010 geboren worden sei.
Gegen das ihr am 04.07.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.07.2012 Berufung eingelegt.
Auf Hinweis des Senats hat die Klägerin am 14.12.2012 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und die zunächst eingelegte Berufung am 03.01.2013 zurückgenommen. Mit Beschluss vom 07.01.2013 hat der Senat die Berufung zugelassen.
Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass die gesetzliche Änderung durch das HBeglG 2011 keine Änderung in den für den Anspruch der Klägerin auf Elterngeld maßgebenden rechtlichen Verhältnissen darstelle. Die dortigen Änderungen gelten mangels anderweitiger ausdrücklicher Regelung nur für Geburten ab dem 01.01.2011. Die Anwendung der zu diesem Zeitpunkt geänderten Regelung in § 2 Abs. 2 S. 2 BEEG verstoße außerdem gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz und gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.06.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 27.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.01.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin weitere 306,88 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit konnte gemäß §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1, 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsge...