Prof. Dr. Dr. Julia Krampitz, Sarah Staut
Die Quellen psychischer Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt sind vielfältig. Dazu zählen die Arbeitsaufgabe, die Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen, die Arbeitsumgebung sowie neue Arbeitsformen. In diesen Bereichen liegen somit auch die Präventionspotenziale. Zur erfolgreichen Prävention müssen psychische Belastungsfaktoren jedoch zunächst erkannt und beurteilt werden. Psychische Belastungen fanden nicht immer Beachtung bei der Gefährdungsbeurteilung. Daher wurde das Arbeitsschutzgesetz im Jahr 2013 um die Aufforderung ergänzt, psychische Belastungen explizit im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen (§ 5 Abs. 3 ArbSchG). Dies wird mit dem Ziel verfolgt, bei Auffälligkeiten entsprechende Maßnahmen auf verhältnis- oder verhaltenspräventiver Ebene zur Förderung der psychosozialen Gesundheit zu entwickeln und durchzuführen.
Das Arbeitsschutzgesetz schreibt keine Verfahren zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (GpB) vor, weshalb Unternehmen Handlungsfreiheit haben, die Vorgehensweise selbst zu bestimmen. Dies stellt jedoch für viele Unternehmen eine Herausforderung dar, da entsprechende Methoden und Vorgehensweisen passend für die Unternehmensstrukturen und -gegebenheiten gefunden werden müssen. Aus diesem Grund hat die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) die Handlungshilfe "Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung" veröffentlicht und beschreibt den GpB-Prozess anhand von 7 Schritten (Abb. 1).
Abb. 1: Ablauf der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
2.1 Festlegen von Tätigkeiten und Bereichen
Im ersten Schritt werden Bereiche und Tätigkeiten festgelegt, die beurteilt werden sollen. Bereiche, die in Bezug auf die psychischen Belastungen gleichartig sind, können zu einer Einheit zusammengefasst werden. Psychische Belastungen können nach Art der Tätigkeit (z. B. Arbeitsplatz-, Tätigkeits- oder Berufsgruppen) und nach Arbeits- und Organisationsbereichen (z. B. Verwaltung, Produktion, Lager) unterteilt werden. Wichtig ist, dass die Bildung von Einheiten nachvollziehbar begründet sein muss. Empfehlenswert ist daher, sich zunächst einen Überblick über die Ablauf- und Aufbauorganisation sowie die Stellen- und Tätigkeitsbeschreibungen in einem Betrieb einzuholen.
2.2 Ermittlung der psychischen Belastungen bei der Arbeit
Im zweiten Schritt werden die Belastungen bei der Arbeit für die ausgewählten Tätigkeiten und Bereiche ermittelt. Wichtig ist dabei auch die Einbeziehung psychischer Belastungsfaktoren. Zunächst erfolgt eine Bestandsaufnahme, bei der alle Informationen über bereits vorhandene psychische Belastungen bei der Arbeit zusammengetragen werden. Sofern nicht ausreichend Informationen zu den relevanten psychischen Belastungsfaktoren vorhanden oder diese nicht mehr aktuell sind, müssen diese neu erfasst werden. Dies kann entweder durch schriftliche Mitarbeiterbefragungen, Beobachtungen und Beobachtungsinterviews oder moderierte Analyseworkshops erfolgen. Welche Vorgehensweise am sinnvollsten ist, muss immer in Hinblick auf die Gegebenheiten, Erfahrungen und Kompetenzen im Betrieb entschieden werden. Für jede der angesprochenen Vorgehensweisen gibt es dann unterschiedliche Instrumente, die genutzt werden können. Bei der Entscheidung für ein Instrument sind die betrieblichen Rahmenbedingungen und die Art der Arbeitsanforderungen ausschlaggebend.
2.3 Beurteilung der psychischen Belastungen bei der Arbeit
Nachdem die Belastungen ermittelt wurden, zielt die Beurteilung der psychischen Belastungen darauf ab, einzuschätzen, ob Maßnahmen erforderlich sind und wenn ja, welche und in welchem Ausmaß und Rahmen. Für viele Belastungsfaktoren gibt es keine spezifischen rechtlichen Festsetzungen. Grundsätzlich muss die Beurteilung der psychischen Belastungen sachlich begründet und die Vorgehensweise vor allem nachvollziehbar sein. Zur Beurteilung können folgende Verfahrensweisen genutzt und mit ihrer Hilfe ein Soll/Ist-Vergleich durchgeführt werden:
- Nutzung von Instrumenten, die Kriterien oder "Schwellenwerte" für gesundheitlich relevante Ausprägungen der erfassten psychischen Belastungen enthalten,
- Nutzung von empirischen Vergleichswerten,
- Beurteilung im Workshop.
2.4 Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen
Sofern bei der Beurteilung der psychischen Belastungen festgelegt wurde, dass Maßnahmen erforderlich sind, werden diese im vierten Schritt entwickelt und anschließend umgesetzt. Auch diese Maßnahmen müssen aus den Ergebnissen der Beurteilung abgeleitet und nachvollziehbar begründet sein. Die Umsetzung erforderlicher Maßnahmen sollte zeitnah erfolgen. Sofern es verschiedene Problemfelder gibt, ist es empfehlenswert, diese nach Prioritäten zu ordnen und nacheinander zu bearbeiten. Bei der Entwicklung und Umsetzung der Maßnahmen muss der Arbeitgeber sich an die Grundsätze halten, die in § 4 Ar...