Prof. Dr. Dr. Julia Krampitz, Sarah Staut
Zusammenfassung
Die zunehmende Bedeutung der psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt bestätigt nachdrücklich, wie wichtig es ist, gesundheitsgefährdende Faktoren frühzeitig zu reduzieren oder gar zu vermeiden und gesundheitsfördernde Ressourcen aufzubauen. Seit der Novellierung des Arbeitsschutzgesetzes im Jahr 2013 ist die ausdrückliche Berücksichtigung der psychischen Faktoren im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung verpflichtend. Die gewissenhafte Umsetzung dieser rechtlichen Forderung in der Praxis stellt die Akteure vor eine Vielzahl an Fragen, wie z. B.: Was genau soll erfasst und beurteilt werden? Wie und von wem werden die Daten erhoben?
Bei der Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (GpB) kann es zudem hilfreich sein, sich mit Aspekten der Positiven Psychologie zu befassen, da sie einen wertvollen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann.
1 Stellenwert psychischer Belastungen in der Arbeitswelt
Unbestritten ist, dass jede Arbeitstätigkeit mit (psychischen) Belastungen einhergeht. Dabei sind psychische Belastungen als wertneutral zu verstehen und nicht, wie viele Unternehmen fälschlicherweise annehmen, mit lediglich negativen Beeinträchtigungen verbunden. Ob eine psychische Belastung beeinträchtigend oder sogar aktivierend wirken kann, hängt von der Dauer und Intensität der Belastung sowie den Voraussetzungen und Bewältigungsstrategien des Individuums ab.
Derzeit werden nachfolgend aufgeführte Belastungen häufig diskutiert (Tab. 1).
Allgemeine psychische Belastungen |
Belastungen im Zusammenhang mit der Arbeitswelt 4.0 |
Corona-bedingte Belastungen |
- Termin- und Leistungsdruck
- Unterforderung
- Überforderung
- soziale Konflikte
- Arbeitszeit
- Erschwernisse der Arbeitsausführung
- monotone Tätigkeiten
- häufige Unterbrechungen
- fehlende Erholungsmöglichkeiten
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- Digitalisierung
- Flexibilisierung
- Prozessbeschleunigungen
- Umgang mit (neuer) Technik
- Arbeitsverdichtung
- ständige Erreichbarkeit
- Mensch-Roboter-Interaktion
- Überwachung der Arbeitsleistung
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- Doppelbelastung durch Kinderbetreuung parallel zum Homeoffice
- Zukunfts- bis hin zu Existenzangst (Kurzarbeit, Jobverlust)
- Anforderung, sich physisch zu distanzieren
- anhaltende Sorge vor einer Infektion mit COVID-19
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Tab. 1: Exemplarische psychische Belastungen
2 Ablauf einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
Die Quellen psychischer Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt sind vielfältig. Dazu zählen die Arbeitsaufgabe, die Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen, die Arbeitsumgebung sowie neue Arbeitsformen. In diesen Bereichen liegen somit auch die Präventionspotenziale. Zur erfolgreichen Prävention müssen psychische Belastungsfaktoren jedoch zunächst erkannt und beurteilt werden. Psychische Belastungen fanden nicht immer Beachtung bei der Gefährdungsbeurteilung. Daher wurde das Arbeitsschutzgesetz im Jahr 2013 um die Aufforderung ergänzt, psychische Belastungen explizit im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen (§ 5 Abs. 3 ArbSchG). Dies wird mit dem Ziel verfolgt, bei Auffälligkeiten entsprechende Maßnahmen auf verhältnis- oder verhaltenspräventiver Ebene zur Förderung der psychosozialen Gesundheit zu entwickeln und durchzuführen.
Das Arbeitsschutzgesetz schreibt keine Verfahren zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (GpB) vor, weshalb Unternehmen Handlungsfreiheit haben, die Vorgehensweise selbst zu bestimmen. Dies stellt jedoch für viele Unternehmen eine Herausforderung dar, da entsprechende Methoden und Vorgehensweisen passend für die Unternehmensstrukturen und -gegebenheiten gefunden werden müssen. Aus diesem Grund hat die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) die Handlungshilfe "Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung" veröffentlicht und beschreibt den GpB-Prozess anhand von 7 Schritten (Abb. 1).
Abb. 1: Ablauf der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen