Rz. 13
Missachtet der Dienstberechtigte die Verpflichtungen aus § 618 BGB, steht dem Dienstverpflichteten ein einklagbarer Anspruch auf Erfüllung zu. Der einklagbare Erfüllungsanspruch erstreckt sich dabei auch auf die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Abs. 1 ArbSchG. Hiernach hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Jedoch hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Gefährdungsbeurteilung, die unter Anwendung der von ihm vorgegebenen Beurteilungskriterien und -methoden durchgeführt wird; diesbezüglich ist dem Arbeitgeber ein Beurteilungs- und Ermessungsspielraum eingeräumt. Besteht allerdings ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, kann der Dienstverpflichtete vom Dienstberechtigten lediglich verlangen, dass dieser sein Initiativrecht wahrnimmt.
Rz. 14
Praxisrelevanter ist das Leistungsverweigerungsrecht des Dienstverpflichteten. Kommt der Dienstberechtigte seinen Pflichten aus § 618 BGB nicht nach, kann der Dienstverpflichtete die Dienstleistung nach § 273 Abs. 1 BGB (Zurückbehaltungsrecht) verweigern. Übt er sein Zurückbehaltungsrecht wirksam aus, gerät der Dienstberechtigte nach § 615 BGB in Annahmeverzug. In diesem Fall hat der Dienstverpflichtete weiterhin Anspruch auf die volle Vergütung.
Während der Coronapandemie besteht ein Leistungsverweigerungsrecht mit Lohnfortzahlungspflicht bei Ausübung nicht schon aufgrund der allgemein erhöhten Ansteckungsgefahr, erforderlich ist auch hier eine Verletzung der Arbeitsschutzpflichten durch den Arbeitgeber.
Rz. 15
Schließlich kommt bei schuldhafter Verletzung ein Schadensersatzanspruch in Betracht. Dabei besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass derjenige, der vorsätzlich eine zum Schutze des Arbeitnehmers bestehende Norm missachtet, eine Schädigung bzw. eine Berufskrankheit des Arbeitnehmers billigend in Kauf nimmt. Es kommt stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Anspruchsgrundlage ist nicht § 618 Abs. 3 BGB, da diese Norm lediglich eine Rechtsfolgenverweisung darstellt. Das Begehren muss vielmehr auf einen vertraglichen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB gestützt werden. Aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 618 BGB kann hingegen kein Schadensersatzanspruch hergeleitet werden, da es sich bei § 618 BGB nicht um ein Schutzgesetz handelt.
Abweichend von den allgemeinen Regeln des Zivilprozesses, wonach (grundsätzlich) jede Partei die für sie günstigen Tatsachen darzulegen und ggfs. zu beweisen hat, gilt zugunsten des Arbeitnehmers, der wegen Verletzung der Pflichten aus § 618 BGB und deshalb eingetretener Schäden vom Arbeitgeber Schadensersatz verlangt, dass er nur den objektiv ordnungswidrigen Zustand der Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften nachzuweisen hat, wenn dieser generell geeignet ist, den eingetretenen Schaden herbeizuführen; es ist dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis dahingehend zu führen, dass der ordnungswidrige Zustand für den Schaden nicht ursächlich gewesen ist oder ihn kein Verschulden trifft.
In Bezug auf die Kausalität der Pflichtverletzung liegt damit eine echte Beweislastumkehr zulasten des Arbeitgebers vor, nicht nur eine Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitnehmers.
In der Praxis wird ein derartiger Anspruch nur selten relevant werden, da es sich in der Regel um einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit handeln wird. Für diese greift das Haftungsprivileg des Arbeitgebers nach § 104 SGB VII. Hiernach haftet der Arbeitgeber nur, wenn er den Unfall vorsätzlich verursacht hat oder dieser auf einem Wegeunfall beruht.