Eine heimliche Tonaufnahme ist nicht immer ein Kündigungsgrund
Nach einer Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz begründet der heimliche Mitschnitt eines Gesprächs, das der Arbeitnehmer mit seinem Vorgesetzten führt, nicht in jedem Fall ein Recht des Arbeitgebers zur ordentlichen oder fristlosen Kündigung des Arbeitsvertrages.
Persönliches Gespräch mit Vorgesetztem
In dem vom LAG entschiedenen Fall hatte ein in einem Unternehmen als Kassierer eingesetzter Mitarbeiter, der seit 17 Jahren für das Unternehmen tätig war, seinen Arbeitsplatz an einem Tag 15 Minuten zu früh verlassen. Nach einem hierüber entbrannten heftigen Streit mit einer Kollegin bat der Kassierer seinen Vorgesetzten um ein persönliches Gespräch in dieser Angelegenheit.
Fristlose Kündigung wegen heimlicher Aufnahme
Das hierauf mit dem Vorgesetzten geführte Gespräch schnitt der Kassierer heimlich auf seinem Smartphone mit. Als dem Vorgesetzten der Mitschnitt bekannt wurde, erklärte das Unternehmen dem Kassierer die fristlose, hilfsweise die fristgerechte Kündigung. Hiergegen reichte der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage ein.
Beweisnot als Grund für Gesprächsmitschnitt
Vor dem ArbG rechtfertigte der Kläger sein Vorgehen damit, der Vorgesetzte habe bereits im Vorfeld ihm gegenüber unsachliche, diskriminierende und ehrverletzende Äußerungen getätigt. In dem von ihm gewünschten Vieraugengespräch habe er mit wiederholten Äußerungen dieser Art gerechnet. Einen Beleg für das von ihm erwartete rechtswidrige Verhalten seines Vorgesetzten habe er nur durch einen Mitschnitt des Gesprächs sichern können. Er sei fest davon ausgegangen, dass der Vorgesetzte später gegebenenfalls getätigte inkriminierende Äußerungen bestreiten werde.
Heimliche Tonaufnahme kann Kündigung rechtfertigen
Das LAG bewertete sowohl die ordentliche als auch die fristlose Kündigung als unwirksam. Grundsätzlich könne der heimliche Mitschnitt eines vertraulichen Personalgesprächs zwar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, entscheidend hierfür seien jedoch die Würdigung der Gesamtsituation und der Schweregrad des Rechtsverstoßes des Arbeitnehmers. Ein solcher Rechtsverstoß sei bei einer heimlichen Aufnahme eines vertraulichen Gesprächs grundsätzlich gegeben, denn dieses Verhalten verwirkliche den Straftatbestand der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 StGB.
Notlage des Arbeitnehmers zu berücksichtigen
Dieser Rechtsverstoß könne aber in einem milderen Licht erscheinen, wenn der Arbeitnehmer aus einer Notlage heraus handle, um eigene, seitens des Arbeitgebers gefährdete Rechtspositionen zu wahren. Die im konkreten Fall begründete Befürchtung diskriminierender und beleidigender Äußerungen durch den Vorgesetzten sei geeignet gewesen, den Kläger in eine aus seiner Sicht ausweglose Situation zu manövrieren, die es ihm hinterher unmöglich machen würde, Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts durch Äußerungen des Vorgesetzten zu beweisen.
Vermeidbarer Verbotsirrtum des Klägers
Im konkreten Fall habe der Kassierer sein Vorgehen nach eigener, glaubhafter Darstellung als gerechtfertigt angesehen. Objektiv sei zwar dennoch der Straftatbestand der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 StGB erfüllt, der Kläger habe sich insoweit aber in einem (vermeidbaren) Verbotsirrtum befunden. Damit entfalle zwar nicht die mit dem heimlichen Gesprächsmitschnitt grundsätzlich gegebene Pflichtverletzung, jedoch sei ihr infolge der objektiv bestehenden Notlage des Klägers ein deutlich geringeres Gewicht beizumessen.
Interesse am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überwiegt
Vor diesem Hintergrund bewertete das LAG sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung als nicht angemessen. Unter Abwägung der beiderseitigen Interessenlagen überwiege das Interesse des seit 17 Jahren in dem Unternehmen beschäftigten Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung. Unter Würdigung der Gesamtumstände seien sowohl die fristlose als auch die fristgerechte Kündigung daher unwirksam.
(LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 19.11.2021, 2 Sa 40/21)
HintergrundIn der Regel sehen die Arbeitsgerichte in dem heimlichen Mitschnitt eines vertraulichen Personalgesprächs eine wesentliche Verletzung der Pflichten zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Kündigung nach Mitschnitt regelmäßig gerechtfertigtEine auf eine heimliche Tonaufnahme im Betrieb gestützte Kündigung wird von den Arbeitsgerichten auch ohne Abmahnung regelmäßig als wirksam bewertet, und zwar sowohl in der fristgerechten als auch gemäß § 626 BGB in der fristlosen Form. Das LAG Koblenz und das LAG Hessen hatten entschieden, dass der Arbeitnehmer durch den heimlichen Mitschnitt eines mit seinem Vorgesetzten geführten, vertraulichen Personalgesprächs auf seinem Smartphone die Vertraulichkeit des Wortes in einer Weise verletzt, dass dem Arbeitgeber ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis in aller Regel nicht zumutbar ist (LAG Hessen, Urteil v. 23. August 2017, 6 Sa 137/17). Zwangslage kann Tonaufnahme rechtfertigenAnders liegt der Fall auch nach diesen Entscheidungen dann, wenn der Mitschnitt beweisen soll, dass der Gesprächspartner den Arbeitnehmer in eine Zwangslage bringen will oder in rechtswidriger Weise zu bestimmten Erklärungen drängt. Hierfür müsse der Arbeitnehmer dann aber konkrete Anhaltspunkte benennen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 3.2.2016, 7 Sa 220/15). BAG betont Schutz der Vertraulichkeit des WortesAuch das BAG hat in einer etwas älteren Entscheidung geurteilt, dass der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs „an sich“ geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Der Arbeitgeber habe die unbedingte Verpflichtung, sämtliche Mitarbeiter bei der Ausübung ihrer Tätigkeit hinsichtlich der Vertraulichkeit des Wortes zu schützen. Ein heimlicher Gesprächsmitschnitt sei grundsätzlich eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB und verletze das Persönlichkeitsrecht der beteiligten Gesprächsteilnehmer aus Art. 2 Abs. 1 GG. Selbst eine unterhalb der Strafbarkeitsschwelle des § 201 StGB liegende Tonaufnahme könne eine Kündigung rechtfertigen. Entscheidend sei, ob durch die Tonaufnahme das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nachhaltig zerstört sei (BAG, Urteil v. 19. Juli 2012, 2 AZR 989/11). |
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