Krank geschriebenen Mitarbeiter fotografiert: wenn der Chef zum Paparazzo wird

Dumm gelaufen: Ein Arbeitnehmer war von seinem Neurologen krankgeschrieben, als er von seinem Abteilungsleiter beim Reinigen eines Autos an einer Waschanlage angetroffen wurde.
Schnappschüsse vom Krankgeschriebenen
Der Chef schoss drei Fotos von dem putzmunteren Arbeitnehmer mit dem Mobiltelefon. Damit wollte er die gute körperliche Verfassung seines angeblich arbeitsunfähigen Mitarbeiters dokumentieren. Als dieser ihn entdeckte, kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Man kennt solche Szenen von fotoscheuen Promis.
Paparazzi-Chef wurde vom Mitarbeiter tätlich angegriffen
Das Unternehmen kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Krankgeschriebenen in der Folge fristlos wegen tätlichen Angriffs auf den Vorgesetzten. Das vom Gekündigten dagegen eingeleitete Kündigungschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern läuft noch.
Einstweilige Verfügung gegen den Arbeitgeber
Der Arbeitnehmer beantragte parallel dazu eine einstweilige Verfügung gegen den Arbeitgeber. Dies sollte verhindern, dass die Fotos an die Öffentlichkeit gelangen bzw. den Arbeitnehmer vor weiteren unberechtigten Aufnahmen schützen.
Kein Photoschutz vorm Chef
Der Arbeitnehmer unterlag mit seinem Antrag zuletzt in der Berufungsinstanz. Die Richter des Landesarbeitsgerichtes Mainz begründeten ihre Entscheidung so:
Der unfreiwillig Fotografierte habe den Verfügungsanspruch nicht im Sinne der §§ 935, 940 ZPO glaubhaft gemacht. Der Abteilungsleiter habe nämlich nicht rechtswidrig gehandelt, als er den Kläger an der Autowaschanlage mit seiner Handykamera fotografierte.
Aufnahmen in der Öffentlichkeit zu Beweiszwecken sind o.k.
Zwar sei das Fotografieren ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, das auch das Recht am eigenen Bild beinhaltet. Allerdings war ein Eingriff in dieses Recht gerechtfertigt, da hier schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers überwogen. Aus dessen Sicht bestand der konkrete Verdacht, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit lediglich vorgetäuscht haben könnte.
Aus berechtigtem Interesse geknipst
Da der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch andere Tatsachen mehr oder weniger entwertet werden kann, hatte der Abteilungsleiter das berechtigte Interesse, die körperlichen Aktivitäten des Klägers an der Waschanlage zu Beweiszwecken zu fotografieren.
Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht war hier auch nicht schwerwiegend, befanden die Richter.
- Schließlich habe der Vorgesetzte die Tätigkeiten seines Mitarbeiters an der öffentlich zugänglichen Waschanlage unmittelbar persönlich beobachtet, so dass er ohnehin im Kündigungsschutzprozess als Augenzeuge zur Verfügung steht.
- Die Speicherung der Fotos über seine persönliche Beobachtung hinaus stelle daher keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar.
Keine Wiederholungsgefahr
Die für den Erfolg des Eilantrags erforderliche Wiederholungsgefahr sei im Fall ebenfalls nicht anzunehmen gewesen, urteilten die Richter. Es lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Unternehmen dem Arbeitnehmer weiterhin heimlich nachstellen oder fotografieren wolle.
Für den Arbeitnehmer besteht trotz seiner Niederlage im Eilverfahren noch ein bisschen Hoffnung: Die Richter überließen es nämlich ihren Kollegen im Kündigungsschutzprozess, ob diese die Aufnahmen als zulässige Beweismittel heranziehen oder nicht.
(LAG Mainz, Urteil v. 11.07.2013, 10 SaGa 3/13).
Aus dem Deutschen Anwalt Office Premium jetzt herunterladen:
Abmahnung wegen des Verhaltens während ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit
-
Personalgespräch - Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers
4.2031
-
Worauf ist bei Abmahnungen zu achten?
2.390
-
Krankmeldung aus dem Ausland: Welche Vorgaben sind zu beachten?
1.717
-
Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers
1.677
-
Mutterschutzlohn: Anspruch und Berechnung im individuellen Beschäftigungsverbot
1.487
-
Wenn Arbeitnehmer die Kündigungsfristen nicht einhalten
1.456
-
Rolle des Integrationsamts bei Kündigung schwerbehinderter Menschen
1.4391
-
Ist das Ausrutschen auf der betrieblichen Toilette ein Arbeitsunfall?
1.050
-
Tod des Arbeitnehmers: Vergütungs- und Zahlungsansprüche im Todesfall
818
-
Arbeitsrechtliche Ermahnung – Rechtswirkung und typische Einzelfälle
803
-
BAG öffnet den Weg zur digitalen Gehaltsabrechnung
12.02.2025
-
Beweiswert einer ausländischen Krankschreibung
10.02.2025
-
Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt auch für Hausangestellte
03.02.2025
-
Auskunftspflicht der Kinder erst bei über 100.000 EUR Jahreseinkommen
17.01.2025
-
Widerruf einer Homeoffice-Regelung bei 500 km entferntem Arbeitsplatz
02.01.2025
-
Headset-Pflicht für Arbeitnehmer ist mitbestimmungspflichtig
03.12.2024
-
Trotz Kita-Anspruch kein Ersatz privater Betreuungskosten
18.11.2024
-
Wo liegen die Grenzen erlaubter Mitarbeiterabwerbung?
13.11.2024
-
Frist für Kündigungsschutzklage bei Schwangeren
29.07.2024
-
Mutterschutzlohn: Anspruch und Berechnung im individuellen Beschäftigungsverbot
25.04.2024