Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines krankgeschriebenen Arbeitnehmers auf Unterlassung der Anfertigung von Lichtbildern während seiner Freizeit durch einen Vorgesetzten
Leitsatz (redaktionell)
Es verletzt zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers, wenn ein Vorgesetzter mit der Handykamera Lichtbilder anfertigt, während er in einer Autowaschanlage angetroffen wird. Jedoch ist dieser Eingriff nicht rechtswidrig, wenn die Fertigung der Lichtbilder dem Nachweis dienen soll, dass der krankgeschriebene Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 1004; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 28.03.2013; Aktenzeichen 2 Ga 5/13) |
Tenor
Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 28. März 2013, Az.: 2 Ga 5/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Verfügungskläger begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die zwei Verfügungsbeklagten auf Untersagung, ihn ohne seine Einwilligung zu filmen, zu fotografieren und/oder ihm heimlich nachzustellen und/oder ihn heimlich zu kontrollieren.
Der 1974 geborene Verfügungskläger ist seit dem 06.12.2000 im Betrieb der Verfügungsbeklagten zu 1), mit ca. 450 Arbeitnehmern, als Produktionshelfer im Schichtbetrieb beschäftigt. Der Verfügungsbeklagte zu 2) ist Abteilungsleiter und Vorgesetzter des Klägers. Der Kläger war vom 25.02. bis 08.03. und dann bis 13.03.2013 von seinem Hausarzt arbeitsunfähig krankgeschrieben. Für die Zeit vom 12. bis 27.03.2013 erfolgte die Krankschreibung durch einen Neurologen.
Am Samstag, dem 16.03.2013, traf der Beklagte zu 2) den Kläger gegen 10:00 Uhr an einer Autowaschanlage in A-Stadt an. Der Kläger reinigte gemeinsam mit seinem Vater einen Pkw. Der Beklagte zu 2) war über die Reinigungstätigkeiten des krankgeschriebenen Klägers und dessen körperliche Verfassung erstaunt und fertigte mit seiner Handykamera Fotos, um seine Beobachtung zu dokumentieren.
Es kam zu einer - auch körperlichen - Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seinem Vater mit dem Beklagten zu 2). Der Hergang wird unterschiedlich dargestellt. Die Beklagte zu 1) kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen tätlichen Angriffs auf einen Vorgesetzten mit Schreiben vom 23.03. fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.08.2013. Das Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern (Az.: 2 Ca 436/13) ist noch nicht abgeschlossen.
Mit am 21.03.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenem und den zwei Verfügungsbeklagten am 22.03.2013 zugestellten Schriftsatz beantragte der Verfügungskläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit folgenden Anträgen:
1.
den Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 500.000,--, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, einstweilen zu untersagen, selbst oder durch Dritte ohne Einwilligung des Klägers diesen zu filmen, zu fotografieren und/oder heimlich nachzustellen und/oder heimlich zu kontrollieren,
2.
den Beklagten aufzugeben, sämtliche vom Kläger widerrechtlich aufgenommenen Film- und Fotoaufnahmen vom 16.03.2013 an ihn hilfsweise an einen vom Gericht zu benennenden Sequester, herauszugeben.
Die Verfügungsbeklagten haben beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Urteil vom 28.03.2013 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle sowohl am Verfügungsanspruch, als auch am Verfügungsgrund. Ein Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung bestehe nicht, weil der Beklagte zu 2) nicht rechtswidrig gehandelt habe. Der Kläger sei durch das Fotografieren an der Waschanlage weder in seiner Intim- noch in seiner Privatsphäre, sondern allenfalls in seiner Sozialsphäre beeinträchtigt worden. Anders als im Deliktsrecht sei die Rechtswidrigkeit gesondert festzustellen. Es habe stets eine Güter- und Interessenabwägung stattzufinden. Danach liege ein rechtswidriger Eingriff in die Rechte des Klägers nicht vor. Der Arbeitgeber könne den hohen Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern, wenn er Umstände darlege, die dagegen sprächen. Der Beklagte zu 2) habe den Kläger während der Krankschreibung arbeitend an einer Autowaschanlage getroffen. Er habe diesen Vorgang, der in der Öffentlichkeit stattfand, zu Beweiszwecken im Bild festhalten dürfen, weil eine vorgetäuschte Erkrankung im Bereich des Möglichen gelegen habe, und dem Arbeitgeber die ärztliche Diagnose nicht bekannt sei. Der Kläger habe nicht näher dargelegt, inwiefern er "gemobbt" werde. Allein die Erteilung einer Abmahnung und der Umstand, dass seinem Urlaubsantrag für Juli 2013, in der Sommerferienzeit, nicht sofort stattgegeben worden sei, stelle kein systematisches Anfeinden dar. Auch ein Verfügungsgrund sei nicht gegeben. Da die Beklagte zu 1) eine fristlose Kündigung erklärt habe, fehle die erforderliche Wiederholungsgefahr.
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