Rz. 76
Solange der Kündigungsberechtigte die Aufklärung des Sachverhalts durchführt, kann die Ausschlussfrist nicht beginnen. Das BAG nimmt insofern an, die Frist des Abs. 2 werde "gehemmt", solange der Kündigungsberechtigte "aus verständlichen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen anstellt." D. h., dass der Kündigungsberechtigte sein Kündigungsrecht verliert, wenn er nicht zügig genug vorgeht.
Zu den maßgeblichen Tatsachen, die die Kündigung bedingen, gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Arbeitgeber kann sich daher sowohl Beweismittel für eine ermittelte Pflichtverletzung verschaffen oder sichern, als auch entlastende Umstände recherchieren, ohne dass die Frist des Abs. 2 beginnt. Angesichts der Schwere erhobener Vorwürfe kann es angemessen sein, dass sich der Kündigungsberechtigte einen persönlichen Eindruck von Belastungszeugen verschafft, oder dass er zur Ermittlung des Sachverhalts einen Detektiv beauftragt.
Ist die Aufklärung nur möglich, wenn der Arbeitnehmer abwesend ist, kann sogar der nächste Urlaub abgewartet werden, ohne dass die 2-wöchige Ausschlussfrist beginnt.
Räumt der Arbeitnehmer eine ihm zur Last gelegte Pflichtverletzung ein, bedarf es regelmäßig keiner weiteren Sachaufklärung.
Rz. 77
Zur Klärung der Vorwürfe kann auch eine Anhörung des Arbeitnehmers gehören; dies gilt nicht nur für die Verdachtskündigung. Das BAG hat hierfür eine "Regelfrist" von einer Woche statuiert, innerhalb derer die Erklärungsfrist des Abs. 2 regelmäßig gehemmt sei. Bei Vorliegen besonderer Umstände könne die Frist allerdings auch überschritten werden (zur Verdachtskündigung s. Rz. 82 ff.). Ob die Anhörung zur Aufklärung des Sachverhalts letztlich beiträgt, ist für die Frist des Abs. 2 irrelevant. Maßgebend ist vielmehr, ob der Arbeitgeber realistischerweise davon ausgehen durfte, dass die Anhörung gewinnbringend sein könnte, wovon regelmäßig auszugehen ist.
Arbeitgeber sollten – wenn sie eine fristlose Kündigung in Erwägung ziehen – stets darauf achten, dass zwischen den einzelnen Ermittlungsschritten nicht mehr als eine Woche vergeht. Sofern der Arbeitgeber immer binnen dieser "Regelfrist" von einer Woche einen neuen, nachvollziehbaren Ermittlungsschritt einleitet (Beauftragung einer Detektei, Anhörung des Arbeitnehmers, Konsultation eines Rechtsanwalts etc.), dürfte die Erklärungsfrist des Abs. 2 nicht ablaufen. Außerdem ist es ratsam, die einzelnen Schritte der Sachverhaltsaufklärung detailliert schriftlich festzuhalten; im Arbeitsgerichtsprozess müssen sie lückenlos dargestellt – und ggf. bewiesen – werden.