Das BAG entschied mit Urteil vom 20.2.2019, dass § 9 Abs. 2 AGG nicht getreu dem Wortlaut ausgelegt werden darf, sondern bei der Auslegung der Vorschrift das Unionsrecht berücksichtigt werden muss.[2] Dies erklärt sich damit, dass das BAG den EuGH um eine Antwort auf die Frage ersuchte, ob § 9 Abs. 2 AGG unionsrechtskonform ist. Der EuGH verneinte das. Nach der Auffassung des EuGH rechtfertigt nicht jede Verhaltenserwartung, die den Werten der Religionsgemeinschaft entspringt, eine Diskriminierung gemäß § 9 Abs. 2 AGG. Für die Unionsrechtskonformität kommt es dem EuGH darauf an, dass die Verhaltenserwartung "wesentlich", "rechtmäßig", "gerechtfertigt" und "angemessen" ist.[3]

Der Chefarzt gewann den Rechtsstreit. Ihm zu kündigen, weil er erneut heiratete, konnte der Arbeitgeber nicht rechtfertigen, auch wenn eine Wiederheirat im Katholizismus verpönt ist. Das BAG begründete das damit, dass seine konfessionelle Loyalität keine Rolle spiele für die Ausübung seiner Tätigkeit. Für die Bekundung des Ethos der Kirche war es nicht wesentlich, gerechtfertigt und rechtmäßig, dass der betroffene Chefarzt das katholische Gebot der Unauflöslichkeit der heiligen Ehe achtet.[4] Das ergibt sich zunächst aus den Tätigkeiten, die der Kläger ausübte. Als Chefarzt der Abteilung "Innere Medizin" wirkte er weder an der Bestimmung des Ethos der Kirche mit noch an dessen Verkündung.[5] Indes könnte man anderer Auffassung sein, was die Frage angeht, wie wichtig die konfessionelle Loyalität ist, indem man sich die Frage stellt, dass der Chefarzt von Außenstehenden besonders wahrgenommen wird. Dieser Punkt reichte dem BAG allerdings ebenso wenig wie viele andere Aspekte der Tätigkeit, die die beklagte Kirche hervorbrachte, wie etwa, dass die Heiltätigkeit mit den Glaubenssätzen der Kirche im Zusammenhang stehe.[6] Das begründete das BAG damit, dass das Eheleben Teil des Privatlebens und daher mit dem Beruf nicht verbunden sei.[7]

Kirchen dürfen also nicht ohne Weiteres von ihren Mitarbeitern verlangen, sich "loyal" und "aufrichtig" i. S. d. § 9 Abs. 2 AGG entlang ihrer Regeln und Glaubenssätze zu verhalten, wenn dies für die ausgeübte Tätigkeit nicht ins Gewicht fällt.[8]

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