Durch die vorbehaltlose Gewährung einer Gratifikation (z. B. Weihnachtsgeld) in drei aufeinanderfolgenden Jahren entsteht ein Anspruch des Arbeitnehmers aus betrieblicher Übung. Dieser Anspruch kann (nachträglich) nur noch durch Kündigung oder vertragliche Abrede unter Vorbehalt gestellt, verschlechtert oder beseitigt werden. Eine dreimalige widerspruchslose Entgegennahme einer vom Arbeitgeber unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation reicht nicht mehr aus, um eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gratifikationszahlung zu beenden.
Zweckbestimmung
Die Bezeichnung einer Leistung als "Weihnachtsgeld" lässt neben einer möglichen Auslegung als arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung auch die Deutung zu, dass der Arbeitgeber sich mit der Zahlung anlassbezogen an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen der Arbeitnehmer beteiligen will. Im letzteren Fall hängt die Leistung regelmäßig nicht von der Erbringung einer bestimmten Arbeitsleistung ab. Das aufgrund betrieblicher Übung ausgezahlte Weihnachtsgeld kann dann nicht wegen Fehlzeiten gekürzt werden.
Lässt die Auslegung der betrieblichen Übung als Allgemeine Geschäftsbedingungen aufgrund einer fehlenden oder unklaren Zweckbestimmung der Zahlung 2 Auslegungsergebnisse zu, so geht dies zulasten des Arbeitgebers. Es ist dann diejenige Auslegung zu wählen, die dem Arbeitnehmer zum Erfolg verhilft.
Schriftlichen Anspruchsausschluss mitteilen
Die mit einer jährlichen Sonderzahlung verbundene schriftliche Mitteilung, dass die gewährte Leistung einmalig sei und zukünftige Ansprüche ausschließe, hindert das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs aus betrieblicher Übung.
Allerdings sollte vorsorglich der Hinweis aufgenommen werden, dass der Ausschluss künftiger Ansprüche unter dem Vorbehalt abweichender Individualvereinbarungen steht. Dies deshalb, weil ein auf Sonderzuwendungen beschränkter Freiwilligkeitsvorbehalt, der so ausgelegt werden kann, dass er auch spätere Individualabreden über die Zahlung beispielsweise von Urlaubs- und Weihnachtsgeld erfasst, den Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt und deshalb unwirksam ist.
Eine Gratifikationszusage, die nicht durch betriebliche Übung, also z. B. durch Arbeitsvertrag, oder Gesamtzusage begründet worden ist, kann für die Zukunft – soweit der Arbeitnehmer nicht einverstanden ist – vom Arbeitgeber einseitig nur durch Änderungskündigung wieder beseitigt werden. Beruht der Anspruch auf die Gratifikation auf einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung, kann eine Änderung, auch eine Verschlechterung, (nur) dadurch herbeigeführt werden, dass ein neuer Tarifvertrag oder eine neue Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird.
Die langjährige Rechtsprechung, dass der Arbeitnehmer bei einer Weihnachtsgeldzahlung in jeweils unterschiedlicher Höhe nach Gutdünken des Arbeitgebers nicht auf eine ihm für dauernd eingeräumte Leistung vertrauen kann, hat das BAG im Jahr 2015 ausdrücklich aufgegeben. Aus einer nicht gleichförmigen Höhe der Sonderzahlung müsse ein Arbeitnehmer nicht den Schluss ziehen, der Arbeitgeber habe sich nicht dem Grunde nach auf Dauer binden wollen. Es sei z. B. gerade typisch für eine vom Betriebsergebnis abhängige Sonderzahlung, dass deren Höhe schwanken könne.
Aus einer mehrjährigen Zahlung in unterschiedlicher Höhe müssen Arbeitnehmer nach Auffassung des BAG somit nicht den Schluss ziehen, der Arbeitgeber wolle sich nicht dem Grund nach auf Dauer binden. Vielmehr würde daraus lediglich folgen, dass die Arbeitgeberin keinen Leistungsanspruch in fester Höhe gewähren, sondern jedes Jahr neu nach billigem Ermessen über die Höhe der Leistungen entscheiden will.