BMF, Schreiben vom 5.1.2022, IV C 2 – S 2144-g/20/10002 :007 (DOK 2022/0000838), BStBl I 2022, 100
Aufwendungen für Rechteüberlassungen sind beim Schuldner nach Maßgabe des § 4j Absatz 3 EStG nicht oder nur anteilig abziehbar, wenn die Einnahmen des Gläubigers einer von der Regelbesteuerung abweichenden, niedrigen Besteuerung unterliegen (Präferenzregelung) und der Gläubiger eine dem Schuldner nahestehende Person im Sinne des § 1 Absatz 2 AStG ist (§ 4j Absatz 1 Satz 1 EStG).
Die Abzugsbeschränkung findet keine Anwendung, soweit die auf die entsprechenden Einnahmen beim Gläubiger angewandte Präferenzregelung dem Nexus-Ansatz der OECD entspricht (§ 4j Absatz 1 Satz 4 EStG). Dieser wurde in Kapitel 4 des Abschlussberichts 2015 zu OECD-BEPS Aktionspunkt 5 definiert [https://www.oecd.org/publications/wirksamere-bekampfung-schadlicher-steuerpraktiken-unter-berucksichtigung-von-transparenz-und-substanz-aktionspunkt-5-abschlussbericht-9789264258037-de.htm].
Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung des § 4j EStG Folgendes:
I. Präferenzregelung i. S. d. § 4j Absatz 1 Satz 1 EStG
Voraussetzung der Abzugsbeschränkung für Aufwendungen für Rechteüberlassungen (sog. Lizenzschranke) ist die Besteuerung der korrespondierenden Einnahmen des Gläubigers im Rahmen einer Präferenzregelung i. S. d. § 4j Absatz 1 Satz 1 EStG.
Eine Präferenzregelung i. S. d. Lizenzschranke liegt vor, wenn
- die Einnahmen des Gläubigers aus der Rechteüberlassung einer von der Regelbesteuerung abweichenden Besteuerung unterliegen (s. I. 1.) und
- die auf diese Einnahmen entfallende Ertragsteuerbelastung weniger als 25 % beträgt (s. I. 2.).
1. Abweichen von der Regelbesteuerung
Die tatsächliche Besteuerung der Einnahmen des Gläubigers aus der Rechteüberlassung ist mit der Regelbesteuerung anderer Einkünfte in demselben Staat zu vergleichen.
Die „Regelbesteuerung” als Vergleichsmaßstab ist der reguläre Steuersatz, der auf die Einkünfte einer dem Gläubiger vergleichbaren Rechtspersönlichkeit ohne jede Vergünstigung (insbesondere aufgrund der Rechtsform oder Ansässigkeit des Gläubigers oder für bestimmte Einkunftsarten oder Einkunftsquellen) angewendet werden würde. Es ist dabei ohne Bedeutung, ob die Abweichung von der Regelbesteuerung einen Antrag des Steuerpflichtigen voraussetzt.
Eine Präferenzregelung muss nicht ausschließlich für Einnahmen aus Rechteüberlassungen gelten. Präferenzregelungen sind nicht nur auf sog. „Intellectual Property”(IP)-Regime wie z. B. Lizenzboxen, IP-Boxen oder Patentboxen beschränkt, sondern können auch Einnahmen oder Einkünfte begünstigen, die über die Einnahmen aus Rechteüberlassungen hinausgehen. Anknüpfungspunkt der Präferenzbesteuerung muss dabei nicht das Erzielen einer bestimmten Einkunftsart sein, sondern kann z. B. auch eine Einkunftsquelle sowie die Rechtsform oder der Ort der Geschäftsleitung oder der Sitz des Gläubigers sein. Zwingende Voraussetzung ist jedoch, dass auch die Einnahmen aus Rechteüberlassungen von der Präferenzregelung erfasst werden.
Sogenannte „Tax Rulings”, also einzelfallbezogene Absprachen zwischen ausländischen Finanzbehörden und Empfängern von Lizenzzahlungen, können ebenfalls die Voraussetzungen einer Präferenzregelung im Sinne der Lizenzschranke erfüllen.
2. Niedrige Besteuerung i. S. d. § 4j Absatz 2 Satz 1 EStG
Eine niedrige Besteuerung i. S. d. § 4j Absatz 1 Satz 1 EStG liegt unter den Voraussetzungen des § 4j Absatz 2 Satz 1 EStG vor. Die Einnahmen aus Rechteüberlassungen unterliegen demnach entweder keiner Besteuerung oder einer Ertragsteuerbelastung von unter 25 %. Ob der niedrigen Besteuerung auch weitere Einnahmen oder Einkünfte des Gläubigers der Einnahmen aus Rechteüberlassungen unterliegen, ist unbeachtlich (vgl. I. 1.).
Durch den Verweis auf § 8 Absatz 5 Satz 2 und 3 AStG (§ 4j Absatz 2 Satz 4 EStG) kommt es bei der Prüfung der Niedrigbesteuerung nicht auf die rechtlich geschuldete, sondern auf die tatsächlich erhobene und abgeführte Steuer an. Etwaige nachgelagerte Erstattungsansprüche sind folglich ebenfalls einzubeziehen (§ 8 Absatz 5 Satz 3 AStG). Zudem sind auch rechtssubjektübergreifende Steuererstattungen zu berücksichtigen, die dem Gesellschafter der die Einnahmen aus der Rechteüberlassung empfangenden Gesellschaft im Fall einer Gewinnausschüttung zustehen (§ 8 Absatz 5 Satz 2 AStG).
Ein allgemein niedriges Besteuerungsniveau im Staat des Gläubigers erfüllt allein nicht die Voraussetzung einer Präferenzregelung für Zwecke der Lizenzschranke. Vielmehr muss die Niedrigbesteuerung im Zusammenhang mit einem Abweichen von der Regelbesteuerung (vgl. I. 1.) stehen. Es ist für das Vorliegen einer Präferenzregelung unbeachtlich, ob der Gläubiger neben den der Präferenzregelung unterliegenden Einnahmen weitere, nicht präferenziell besteuerte Einkünfte erzielt.
Werden die Einnahmen für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten einer anderen Person ganz oder teilweise zugerechnet oder erfolgt die Besteuerung aus anderen Gründen ganz...