Soweit eine Haftung des Arbeitgebers in Betracht kommt, besteht eine Gesamtschuldnerschaft von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft kann das Finanzamt die Schuld sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber dem Arbeitnehmer geltend machen. Das Finanzamt muss die Wahl, an welchen Gesamtschuldner es sich halten will, nach pflichtgemäßem Ermessen ausüben und dabei die Interessen aller Beteiligter unter Berücksichtigung aller Umstände sorgfältig abwägen.
3.1 Auswahlermessen des Finanzamts
Verbindliche Grundsätze, wer im Einzelfall vom Finanzamt in Anspruch zu nehmen ist, ob eine Rangfolge bei der Inanspruchnahme einzuhalten ist oder ob die Inanspruchnahme des einen oder des anderen Beteiligten gänzlich ausgeschlossen sein kann, lassen sich nicht festlegen. Die Frage, ob der Arbeitgeber vor dem Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden darf, hängt wesentlich von den Gesamtumständen des Einzelfalls ab.
Ermessensfehlerfreie Haftungsinanspruchnahme durch das Finanzamt
Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers durch das Finanzamt ist in Folgenden ermessensfehlerfrei:
- Die Lohnsteuer ist in einem rechtlich einfach und eindeutig liegenden Fall nur deshalb nicht einbehalten worden, weil der Arbeitgeber sich über seine Verpflichtungen nicht hinreichend unterrichtet hat.
- Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers dient der Vereinfachung, weil gleiche oder ähnliche Berechnungsfehler bei einer größeren Zahl von Arbeitnehmern gemacht wurde – d. h. bei regelmäßig mehr als 40 Arbeitnehmern.
- Der Arbeitgeber hat bewusst und leichtfertig gegen lohnsteuerliche Verpflichtungen verstoßen, z. B. bewusste Nichtbeachtung der Einbehaltungspflicht (Lohnsteuer) oder leichtsinnige Versäumnis einer Anrufungsauskunft, in schwierigen Fällen und bei zweifelhafter Rechtsfolge.
- Das Finanzamt kann die Lohnsteuer von den Arbeitnehmern nicht nachfordern, weil aus den Aufzeichnungen des Arbeitgebers nicht erkennbar ist, welchen Arbeitnehmern die nachversteuerten geldwerten Vorteile zuzurechnen sind.
- Der Arbeitgeber muss wegen einer Nettolohnvereinbarung mit dem Arbeitnehmer die Lohnsteuer im Innenverhältnis selbst tragen.
- Die individuelle Ermittlung der Lohnsteuer ist schwierig, der Arbeitgeber ist mit der Anwendung eines durchschnittlichen Steuersatzes einverstanden und bereit, die nachzuerhebende Lohnsteuer für seine Arbeitnehmer endgültig zu übernehmen.
3.2 Haftungsausschluss wegen Unbilligkeit
Wegen Unbilligkeit kann die Inanspruchnahme des Arbeitgebers gänzlich ausgeschlossen sein. Das gilt z. B. in folgenden Fällen:
- Der Arbeitgeber hat eine bestimmte Methode der Steuerberechnung angewendet und das Finanzamt hat hiervon Kenntnis erlangt und sie nicht beanstandet.
- Der Arbeitgeber ist durch die Prüfung und Erörterung einer Rechtsfrage durch das Finanzamt in einer unrichtigen Rechtsauslegung bestärkt worden.
- Der Arbeitgeber ist einem entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen, weil das Finanzamt eine unklare oder falsche Auskunft gegeben hat.
- Der Arbeitgeber hat auf falsche Angaben in einem Tarifvertrag vertraut, z. B. zur Steuerfreiheit von Lohnteilen.
- Der Arbeitgeber hat den Lohnsteuerabzug nach der Verfügung einer Oberfinanzdirektion oder anderen Mittelbehörde der Finanzverwaltung durchgeführt; dabei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitgeber die Verfügung gekannt hat oder nicht. War dem Arbeitgeber aber bekannt, dass das für ihn zuständige Betriebsstättenfinanzamt beim Lohnsteuerabzug eine andere Auffassung vertritt, so ist die Inanspruchnahme des Arbeitgebers für zu wenig erhobene Lohnsteuer zulässig.
- Der Arbeitgeber hat entsprechend einer Billigkeitsregelung der Finanzbehörden Lohnsteuer materiell unzutreffend einbehalten.
- Der Arbeitgeber hat den individuellen Lohnsteuerabzug ohne Berücksichtigung von Gesetzesänderungen durchgeführt, soweit es ihm in der kurzen Zeit zwischen der Verkündung des Gesetzes und den folgenden Lohnabrechnungen bei Anwendung eines strengen Maßstabs nicht zumutbar war, die Gesetzesänderungen zu berücksichtigen.
3.3 Haftungsausschluss in weiteren Fällen
Von der Geltendmachung der Steuernachforderung oder Haftungsforderung ist abzusehen, wenn sie den Mindestbetrag von 10 EUR nicht übersteigt.
3.3.1 Arbeitnehmer verletzt Anzeigepflicht
Der Arbeitgeber haftet in keinem Fall für Lohnsteuer, die deshalb zu niedrig einbehalten wurde, weil der Arbeitnehmer seiner Anzeigepflicht zur Än...