§ 1 Satz 2 und § 2 Abs. 1a NachwG treffen Sonderregelungen für Praktikanten, die teilweise rechtssystematisch misslungen sind. Nach § 1 Satz 2 NachwG gelten sämtliche Bestimmungen des NachwG für Praktikanten im Sinne des § 22 Abs. 1 MiLoG. Ein Praktikant mit Anspruch auf Mindestlohn nach § 22 Abs. 1 MiLoG ist danach Arbeitnehmer im Sinne des NachwG. Allerdings löst auch § 22 Abs. 1 MiLoG die Frage, welche Praktikanten nun einen Mindestlohnanspruch haben, nicht vollständig. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG ist nämlich Voraussetzung, dass es sich um ein Vertragsverhältnis nach § 26 BBiG handelt. Diese Vorschrift ist wiederum in ihrer Anwendung alles andere als einfach. Klar ist nach § 22 Abs. 1 MiLoG und § 26 BBiG, dass ein Praktikant danach eine Person ist, der außerhalb einer regulären Berufsausbildung berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden sollen. Für den Anwendungsbereich des MiLoG (und damit des NachwG) ist darüber hinaus die Legaldefinition des § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG zu beachten. Die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns und damit auch die Verpflichtung zum Nachweis nach dem NachwG entfällt, wenn eine der in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1–4 MiLoG geregelten Ausnahmen eingreift, also z. B. bei einem Pflichtpraktikum im Rahmen eines Studiums.
Ist nach den Vorschriften des MiLoG ein Mindestlohn zu zahlen, gilt das NachwG an sich über § 1 Satz 2 NachwG uneingeschränkt. Vor diesem Hintergrund ist es verwirrend, dass der Gesetzgeber in § 2 Abs. 1a NachwG wiederum eine Sonderregelung trifft, die zunächst allgemein für "Praktikanten" zu gelten scheint. Die Gesetzesbegründung löst dieses Problem ebenfalls nicht vollständig.
Erläuterungen des Gesetzgebers
Die Gesetzesbegründung zu § 1 Satz 2 und § 2 Abs. 1a NachwG lautet:
Zur Änderung § 1 Nachweisgesetz:
Durch die Änderung werden Praktikanten, die gemäß § 22 Abs. 1 des Mindestlohngesetzes als Arbeitnehmer gelten, in den Geltungsbereich des Nachweisgesetzes einbezogen. Dadurch wird diesen Personen die Durchsetzung ihrer Ansprüche, insbesondere aus dem Mindestlohngesetz, erleichtert. Damit wird für beide Partner des Praktikumsvertrags Rechtsklarheit und Rechtssicherheit geschaffen.
Zur Änderung § 2 Nachweisgesetz:
Die Vorschrift passt die Vorgaben des Absatzes 1 für die in eine Niederschrift aufzunehmenden wesentlichen Vertragsbedingungen den Besonderheiten des Praktikumsverhältnisses an. Dazu gehören insbesondere Angaben über die mit einem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele sowie zur Dauer des Praktikums und zur Zahlung der Vergütung. Die Vorschrift orientiert sich an den Empfehlungen des Rates der Europäischen Union vom 10.3.2014 zu einem Qualitätsrahmen für Praktika.
Systematisch dürfte die Regelung des § 2 Abs. 1a NachwG damit nur für solche Praktikanten gelten, die nicht bereits unter § 1 Satz 2 NachwG und damit unter den Arbeitnehmerbegriff fallen. Umgekehrt passen die Regelungen in § 2 Abs. 1a NachwG auch für diejenigen Praktikanten besser, die von § 1 Satz 2 NachwG erfasst werden. Vor diesem Hintergrund ist auch der Hinweis in der Gesetzesbegründung zu verstehen, dass § 2 Abs. 1a NachwG die Anforderungen des § 2 Abs. 1 NachwG für Praktikanten konkretisiere. Insgesamt sind damit im Rahmen des NachwG 3 Arten von "Praktikumsverträgen" zu unterscheiden:
- Soweit es sich bei einem "Praktikumsvertrag" nach Sinn, Zweck und Durchführung tatsächlich nicht um ein Praktikums-, sondern um ein Arbeitsverhältnis handelt, gilt das NachwG uneingeschränkt über § 1 Satz 1 NachwG.
- Soweit es sich um ein Praktikumsverhältnis handelt, in welchem der Praktikant nicht zugleich (mindestens) Anspruch auf den Mindestlohn hat, gilt lediglich § 2 Abs. 1a NachwG. Dies gilt z. B. auch für die Fälle, die nicht von § 26 BBiG erfasst sind.
- Hat ein Praktikant (mindestens) Anspruch auf den Mindestlohn nach dem MiLoG, so muss der Vertragspartner an sich einen Nachweis nach § 2 Abs. 1 NachwG erteilen, da dieser Personenkreis unter den allgemeinen Arbeitnehmerbegriff fällt. Da aber die Regelungen des § 2 Abs. 1a NachwG auch für solche Praktikanten besser passen, sollte der Arbeitgeber in das Dokument auch die dort beschriebenen Informationen aufnehmen.