Als Gegenstück zur Treuepflicht des Arbeitnehmers obliegt dem Arbeitgeber eine Rücksichtnahme- und Fürsorgepflicht. Auch diese ist zu verstehen als Inbegriff der dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer obliegenden vertraglichen Nebenpflichten.

Die Rücksichtnahmepflicht resultiert aus § 241 Abs. 2 BGB und verpflichtet die Parteien eines Schuldverhältnisses zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. So kann die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gebieten, dass er im Rahmen seines Direktionsrechts einem Arbeitnehmer, der aus Gründen in seiner Person (z. B. krankheitsbedingt) nicht mehr alle vertraglich vereinbarten Tätigkeiten verrichten kann, eine andere Tätigkeit zuweist, die ihm seine Leistungserbringung wieder ermöglicht. Allerdings setzt dies voraus, dass der Arbeitnehmer initiativ die Umsetzung auf einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz verlangt und dem Arbeitgeber mitteilt, wie er sich seine weitere, die aufgetretenen Leistungshindernisse ausräumende Beschäftigung vorstellt. Nur unter dieser Prämisse hat der Arbeitgeber im Rahmen seiner Rücksichtnahmeverpflichtung sein Direktionsrecht neu auszuüben, soweit ihm die Zuweisung einer anderen Tätigkeit zumutbar und rechtlich möglich ist.[1]

Im Rahmen seiner allgemeinen Fürsorgepflicht muss der Arbeitgeber bei Ausübung seiner Rechte das Wohl und die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigen und unter Umständen besondere Maßnahmen treffen, welche die Entstehung eines Schadens und damit auch eine Beeinträchtigung des Fortkommens des Arbeitnehmers verhindern.[2] Damit ist die Fürsorgepflicht letztlich Ausdruck des in § 242 BGB niedergelegten Grundsatzes von Treu und Glauben.[3]

Verletzt der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht, so kommen verschiedene Rechtsfolgen in Betracht:

  • Zunächst kann sich aus der Fürsorgepflicht ein ggf. auch gerichtlich durchsetzbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung durch den Arbeitgeber ableiten.
  • Daneben steht dem Arbeitnehmer regelmäßig ein Zurückbehaltungsrecht zu, soweit sich die Fürsorgepflichtverletzung in der Herbeiführung und Aufrechterhaltung eines bestimmten Zustandes äußert, dessen Beseitigung dem Arbeitgeber möglich ist (z. B. unsicheres Arbeitsgerät oder unzumutbare Arbeitsbedingungen). Das heißt, der Arbeitnehmer kann die Arbeitsleistung so lange verweigern, bis der Arbeitgeber gesetzmäßige Arbeitsbedingungen hergestellt hat. Der Arbeitgeber befindet sich in einem solchen Fall in Annahmeverzug und bleibt zur Zahlung der vertragsgemäßen Vergütung verpflichtet. Voraussetzung ist allerdings, dass der Arbeitnehmer sein Zurückbehaltungsrecht auch geltend gemacht hat.[4]
  • Ggf. steht dem Arbeitnehmer auch ein Schadensersatzanspruch zu. Voraussetzung ist neben dem Eintritt eines konkreten Schadens allerdings, dass dem Arbeitgeber ein Verschulden vorgeworfen werden kann, wobei sich der Arbeitgeber gemäß § 278 BGB das Verschulden eines anderen Mitarbeiters als das eines Erfüllungsgehilfen anrechnen lassen muss.

Über Umfang und Inhalt der Fürsorgepflicht lassen sich keine generalisierenden Aussagen machen. Diese bestimmen sich in jedem Arbeitsverhältnis unterschiedlich. Es lassen sich allerdings bestimmte Pflichtenkreise voneinander abgrenzen, die im Folgenden dargestellt werden.

2.3.1 Schutzpflichten

Abgeleitet aus seiner Fürsorgepflicht treffen den Arbeitgeber insbesondere eine Reihe von Schutzpflichten, so z. B. hinsichtlich:

  • Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers

    Die Fürsorgepflicht bezüglich Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers hat durch § 618 BGB eine Konkretisierung erfahren. Gemäß § 618 BGB ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt ist, soweit dies die Natur der zu erbringenden Dienstleistung gestattet. Diese Generalklausel wird ihrerseits durch eine Vielzahl öffentlich-rechtlicher Vorschriften des Arbeitsschutzes ergänzt. Im Arbeitsschutzgesetz sind z. B. die Grundpflichten des Arbeitgebers im Arbeitsschutz festgelegt. Hierzu zählen die Beurteilung der Arbeitsbedingungen, das Erarbeiten und Umsetzen von Schutzmaßnahmen und deren Wirksamkeitskontrolle (Gefährdungsbeurteilung). In der Arbeitsstättenverordnung ist die Pflicht des Arbeitgebers geregelt, mithilfe der Gefährdungsbeurteilung die Arbeitsbedingungen bezüglich möglicher Gesundheitsgefahren für die Arbeitnehmer beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten zu bewerten, Maßnahmen abzuleiten, umzusetzen und deren Wirksamkeit zu prüfen. Das Arbeitssicherheitsgesetz definiert die Pflicht des Arbeitgebers, Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit bzw. Sicherheitsingenierure zu benennen. Zudem ...

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