Entscheidungsstichwort (Thema)

Einrichtungsbezogene Impfpflicht. Vergütungsanspruch für die Dauer der Freistellung aufgrund eines Gesundheits- und Hygienekonzepts.

 

Normenkette

IfSG § 20a

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.251,66 EUR festgesetzt.

Die Berufung wird nicht zugelassen. Die Statthaftigkeit der Berufung nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes bleibt davon unberührt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Vergütungsanspruch des Klägers für die Zeit seiner Freistellung.

Der Kläger ist am xx.xx.1986 geboren, verheiratet und Vater von 2 Kindern im Alter von 5 und 7 Jahren. Er ist mit schriftlichem Arbeitsvertrag vom 25. Juli 2019 seit dem 1. August 2019 bei der Beklagten als Pflegefachkraft in deren Seniorenheim tätig. Mit Änderungsvertrag vom 20. Februar 2020 wurde die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers auf 40 Stunden erhöht. Die durchschnittliche monatliche Bruttovergütung des Klägers beträgt 3.400,00 Euro. Wegen der Einzelheiten der schriftlichen Arbeitsverträge wird auf Bl. 8 bis 16 sowie Bl. 17 d. A. verwiesen.

Bei dem Seniorenheim handelt es sich um eine vollstationäre, nach § 72 SGB IX zugelassene Pflegeeinrichtung zur Betreuung und Unterbringung älterer und pflegebedürftiger Menschen.

Der Kläger ist nicht gegen SARS-CoV-2 geimpft. Er hat der Beklagten weder einen Impfnoch einen Genesenennachweis vorgelegt und bei ihm liegt auch keine medizinische Kontraindikation vor, die einer Impfung entgegensteht.

Mit Schreiben vom 14. März 2022 stellte die Beklagte den Kläger ab dem 16. März 2022 bis auf weiteres widerruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei, längstens bis zum 31. Dezember 2022. In ihrem Schreiben führt die Beklagte aus, dass der Hintergrund der Freistellung der Umstand sei, dass nach § 20 a Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) Personen, die in Pflegeeinrichtungen oder ambulanten Pflegediensten tätig sind, ab dem 15. März 2022 grundsätzlich geimpft oder genesen sein müssen. Wegen des genauen Inhaltes des Schreibens wird auf Bl. 20 und 21 d. A. verwiesen.

Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16. März 2022 erfolglos auf, die Freistellung zu widerrufen und bot der Beklagten seine Arbeitskraft an. Die Beklagte hat dem Kläger für die Zeit der Freistellung keine Vergütung gezahlt.

In der Zeit vom 16. März 2022 bis zum 18. August 2022 hat der Kläger Krankengeld in Höhe von 67,14 Euro netto kalendertäglich erhalten. Auf Bl. 68 d. A. wird verwiesen. Seit dem 19. August 2022 erhält der Kläger Leistungen der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 1.667,10 Euro netto monatlich.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, ihn nach Maßgabe des Arbeitsvertrages zu beschäftigen, jedenfalls aber für die Zeit der Freistellung zu vergüten.

§ 20a Abs. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) normiere ausdrücklich nur für diejenigen ungeimpften Beschäftigten ein Tätigkeitsverbot, die ab dem 16. März 2022 erstmals dort tätig sein sollen. Für diejenigen Beschäftigten, die schon vor dem 16. März 2022 in der Einrichtung tätig gewesen sind, ergebe sich weder ein Verbot noch ein Nichtdürfen oder eine Unmöglichkeit. Die Beklagte habe lediglich dem Gesundheitsamt den Impfstatus des Klägers mitteilen müssen, damit dieses eine Entscheidung über ein etwaiges Betretungs- und/oder Beschäftigungsverbot treffen könne. Zu der den Kläger benachteiligenden Freistellungsmaßnahme sei sie demgegenüber nicht berufen gewesen. Die Freistellung sei auch nicht von dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht gedeckt. Die Beklagte sei nicht berechtigt, so ultimativ in das Privatleben des Klägers hineinzuregieren, dass sie dem Kläger vorgeben könnte, sich impfen zu lassen. Mit der Impfung gehe ein nicht zu verkennendes Risiko einher, weil es sich bei den Vakzinen um nur bedingt zugelassene Impfstoffe handelt. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt Zustandekommens und Inkraftretens des § 20a IfSG noch keine derart eindeutige Kenntnis darüber vorgelegen habe, dass der Impfung kein relevanter Fremdschutz zukomme.

Der Kläger behauptet, seine Freistellung habe zur Folge, dass die bedürfnisorientierte Betreuung und die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner bei ohnehin schon angespannter Personalsituation extrem eingeschränkt seien. Im Übrigen böte eine Impfung keinen relevanten Fremdschutz. Er sei bei der Beklagten täglich und damit häufiger als die geimpften Beschäftigten getestet worden. Durch diese täglichen Testungen und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sei nicht zu erwarten, dass von ihm eine Infektionsgefahr ausgehe, insbesondere keine solche, die auch von einer geimpften Person ausgehen könnte.

Mit seiner am 13. Mai 2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 18. Mai 2022 zugestellten Klage beantragt der Kläger,

  1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine berichtigte Abrechnung für März 2022 über 3.400,00 EUR brutto zu erteilen und dem Kläger daraus r...

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