Rz. 38
Die Abrufarbeit bedarf nach § 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Durch die Vereinbarung muss zusätzlich zur Vereinbarung über Inhalt und Umfang der Tätigkeit dem Arbeitgeber das Leistungsbestimmungsrecht über die Dauer und/oder die Lage der Arbeitszeit eingeräumt werden. Der Arbeitgeber kann daher nicht kraft Direktionsrecht Abrufarbeit einführen.
Rz. 39
Die Vereinbarung kann grundsätzlich formfrei erfolgen. Eine schriftliche Vereinbarung ist jedoch dringend zu empfehlen. Da es sich bei der Vereinbarung von Abrufarbeit um eine wesentliche Vertragsbedingung handelt, hat der Arbeitgeber ohnehin einen schriftlichen Nachweis nach § 2 NachwG zu erteilen.
Rz. 39a
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie(EU) 2019/1152, welches zum 1.8.2022 in Kraft getreten ist, bestehen weitgehende Nachweispflichten.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 NachwG muss bei Abrufarbeit nach § 12 TzBfG, sofern in einem schriftlichen Arbeitsvertrag nicht vereinbart, den Arbeitnehmern eine schriftliche Niederschrift ausgehändigt werden, in der zu Abrufarbeit folgende Punkte aufgenommen sind:
- Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
- die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
- der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist und
- die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat.
Für Altverträge, die vor dem 1.8. 2022 bestanden, ist dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen nach § 5 Satz 1 NachwG auf dessen Verlangen spätestens am 7. Tag nach Zugang dessen Aufforderung beim Arbeitgeber die Niederschrift mit den Angaben nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 10 auszuhändigen.
Rz. 39b
Aus der Aufnahme eines Referenzzeitraums (Referenztage und Referenzstunden) in § 12 Abs. 3 TzBfG und der Erweiterung der Nachweispflichten bei Abrufarbeit wird abgeleitet, dass die Festlegung des Zeitrahmens für die Referenztage und Referenzstunden einer vertraglichen Vereinbarung bedarf und nicht durch den Arbeitgeber als Leistungsbestimmung oder Ausübung des Direktionsrechts erfolgen kann.
Die Neuregelung setzt Art 10 RL (EU) 2019/1152 um. Diese Regelung betrifft die Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit bei unvorhersehbaren Arbeitsmustern und gilt nicht nur für die Arbeit auf Abruf. In Art 10 Abs. 1 a der RL (EU) 2019/1152 wird nur bestimmt, dass die Arbeit innerhalb der vorab bestimmten (nicht vereinbarten) Referenztage und Referenzstunden stattfindet. Dies spricht gegen das Erfordernis einer vertraglichen Vereinbarung. Auch § 12 Abs. 3 TzBfG verlangt nur, dass der Arbeitgeber den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage festlegt. Änderungen müssen jedoch billigem Ermessen entsprechen.
Rz. 39c
Eine konkludente Vereinbarung von Abrufarbeit ist denkbar. Im Zweifel ist jedoch ein Arbeitsvertrag ohne variable Arbeitszeit anzunehmen.
Rz. 40
Durch Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede kann Abrufarbeit ohne einzelvertragliche Vereinbarung nicht eingeführt werden. Bei der geplanten Einführung von Abrufarbeit über einzelvertragliche Vereinbarungen ist jedoch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 BetrVG zu beachten. Die Einführung über Tarifvertrag ist möglich, da § 12 Abs. 6 TzBfG nur Mindestanforderungen an tarifvertragliche Regelungen stellt.
Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, nach der sich die Arbeitszeiten nach den jeweils geltenden Betriebsvereinbarungen richten, ist auch dann keine Vereinbarung von Abrufarbeit, wenn eine Betriebsvereinbarung zur Ausgestaltung der Abrufarbeit besteht.