Rz. 355
Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG kann durch Tarifvertrag die Anzahl der Vertragsverlängerungen oder die Höchstbefristungsdauer abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Das Wort "oder" in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG ist als "und/oder" zu verstehen. Das entspricht der Gesetzesbegründung, wonach tarifvertraglich eine andere (höhere oder niedrigere) Anzahl von zulässigen Verlängerungen sowie eine andere (kürzere oder längere) Höchstbefristungsdauer festgelegt werden kann. Die Tarifvertragsparteien können insoweit Abweichungen sowohl zugunsten als auch zulasten des Arbeitnehmers vereinbaren. Die Vorschrift gestattet aber keine Abweichung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.
Obwohl die Vorschrift keine ausdrücklichen zeitlichen oder quantitativen Grenzen für die mögliche Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses und die Anzahl der Vertragsverlängerungen nennt, sind der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eingeräumten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien durch den Zweck des TzBfG sowie durch verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben Grenzen gesetzt. Durch eine solche tarifliche Regelung darf das in § 14 Abs. 1 TzBfG zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Konzept, befristete Arbeitsverträge grundsätzlich nur mit Sachgrund zuzulassen, nicht konterkariert werden. § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG ermöglicht auch nicht die Schaffung sachgrundloser Befristungsmöglichkeiten, die nicht mehr der mit dem TzBfG verfolgten Verwirklichung der aus Art. 12 Abs. 1 GG sich ergebenden staatlichen Schutzpflicht entsprechen oder die dem nach der Befristungsrichtlinie zu verwirklichenden Ziel der Verhinderung von Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge erkennbar zuwiderlaufen. Dies ist von den Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung zu beachten. Regelungen, die diesen Gestaltungsspielraum überschreiten, können eine sachgrundlose Befristung nicht rechtfertigen. Wo die Grenzen der den Tarifvertragsparteien durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eingeräumten Regelungsbefugnis liegen, hatte das BAG zunächst offengelassen.
Es hatte die Festlegung der zulässigen Höchstbefristungsdauer auf 42 Monate und die höchstens viermalige Verlängerungsmöglichkeit eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags als zulässig erachtet, ebenso die Festlegung der zulässigen Höchstbefristungsdauer auf 48 Monate bei einer 6- bzw. 3-maligen Verlängerungsmöglichkeit bis zu dieser Gesamtdauer.
Inzwischen hat das BAG entschieden, dass die Tarifvertragsparteien nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG nur Regelungen treffen können, durch welche die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehenen Werte für die Höchstbefristungsdauer und die Anzahl der möglichen Vertragsverlängerungen nicht um mehr als das Dreifache überschritten werden. Die Grenze der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien ist daher erreicht bei der Festlegung der Höchstdauer sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge auf maximal 6 Jahre bei höchstens neunmaliger Verlängerungsmöglichkeit bis zu dieser Gesamtdauer. Dementsprechend hat das BAG trotz der von Teilen des Schrifttums an seiner Rechtsprechung geübten Kritik eine tarifliche Regelung (§ 2 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Änderung des Tarifvertrags über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau vom 1.8.2010 (TV Steinkohlenbergbau 2010), wonach ein Arbeitsverhältnis bis zur Gesamtdauer von 7 Jahren sachgrundlos befristet werden kann, als nicht von der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien gedeckt angesehen und eine auf dieser Grundlage vereinbarte Befristung für unwirksam gehalten. Die Regelung in § 2 Abs. 1 TV Steinkohlenbergbau 2010 kann nicht im Wege einer geltungserhaltenden Auslegung oder teleologischen Reduktion der Tarifvorschrift dahin verstanden werden, dass eine Höchstbefristungsdauer von 6 Jahren als vereinbart gilt. Die Unwirksamkeit der tariflichen Regelung zur Höchstbefristungsdauer von 7 Jahren in § 2 Abs. 1 TV Steinkohlenbergbau 2010 hat zur Folge, dass auch die weitere normative Bestimmung in § 2 Abs. 2 dieses Tarifvertrags, wonach innerhalb der Höchstbefristungsdauer von 7 Jahren bis zu 7 Vertragsverlängerungen vereinbart werden können, unwirksam ist, weil die Bestimmung zur Anzahl zulässiger Vertragsverlängerungen ohne die festgelegte Höchstdauer von 7 Jahren keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung ergibt. Dies führt zur Unwirksamkeit der gesamten normativen Regelung des TV Steinkohlenbergbau 2010 mit der Folge, dass dieser Tarifvertrag den Vorgängertarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau vom 29.6.2007 (TV Steinkohlenbergbau 2007), der sachgrundlose Befristungen bis zur Gesamtdauer von 5 Jahren bei 5-maliger Verlängerungsmöglichkeit vorsieht und damit eine wirksame normative Regelung enthält, nicht abgelöst hat. Damit können auch nach dem 1.8.2010 vereinbarte sachgrundlose Befristungen im deutschen Steinkohlenbergbau auf § 2 TV Steinkohlenbergbau 2007 gestützt werden, wenn die Gesamtvertragslaufzeit maximal 5 Jahr...