Rz. 87
Hinsichtlich der Ansprüche des Arbeitnehmers auf Urlaubsentgelt ist zu unterscheiden, wann der Urlaubsantritt begann: vor oder nach dem Betriebsübergang: Wird der Arbeitnehmer bereits vor dem Betriebsübergang freigestellt, zahlt der Veräußerer jedoch trotz Fälligkeit (§ 11 Abs. 2 BUrlG) das Urlaubsentgelt nicht, haften Veräußerer und Erwerber als Gesamtschuldner (§§ 421 ff. BGB) gegenüber dem Arbeitnehmer. Der Anspruch auf Urlaubsentgelt erfasst zwar auch einen Zeitraum, der nach dem Betriebsübergang liegt. Der Veräußerer schuldet dennoch die volle Urlaubsvergütung. Seine Haftung ergibt sich aus § 613a Abs. 2 BGB i. V. m. § 11 Abs. 2 BUrlG. Nach § 11 Abs. 2 BUrlG ist das Urlaubsentgelt vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen. Damit ist die Fälligkeit zugunsten des Arbeitnehmers abweichend von § 614 BGB geregelt, wonach die Vergütung der Arbeitsleistung nachfolgt. Der Veräußerer ist deshalb zur Zahlung des vollen Urlaubsentgelts verpflichtet, obwohl der Urlaub teilweise in einem Zeitraum genommen wird, in dem er nicht mehr Arbeitgeber ist.
Sollte der Veräußerer das Urlaubsentgelt für den gesamten Zeitraum nicht bezahlen, geht die Verpflichtung gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über und ist nunmehr von diesem zu erfüllen. Der Veräußerer bleibt aber dem Arbeitnehmer gegenüber neben dem Erwerber in vollem Umfang gesamtschuldnerisch verpflichtet, weil der Anspruch auf Urlaubsentgelt vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden und fällig geworden ist. Eine nur anteilige Haftung nach § 613a Abs. 2 BGB scheidet aus.
Der Betriebsübergang findet zum 15.7.2024 statt. Der Arbeitnehmer beantragte im März 2024 für die Zeit vom 7.7. bis 22.7.2024 Urlaub beim Veräußerer.
Lösung
Vorliegend wird der Anspruch zwar nicht erst nach dem Betriebsübergang fällig, sondern bereits davor. § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB gilt entgegen seines insofern missverständlichen Wortlauts aber auch für Ansprüche, die nicht erst nach dem Betriebsübergang fällig werden, sondern auch für solche, die bereits vor dem Betriebsübergang fällig geworden sind. Dies ist hier gerade der Fall: Der Anspruch auf Urlaubsentgelt entstand mit Antritt des Urlaubs und damit vor dem Betriebsübergang und wurde zudem auch zu diesem Zeitpunkt fällig. Grundsätzlich haftet der Veräußerer für das Urlaubsentgelt, zahlt er nicht, haftet auch der Erwerber.
Wird der Arbeitnehmer dagegen erst nach dem Betriebsübergang freigestellt und sei es aufgrund eines zuvor noch vom Veräußerer genehmigten Urlaubs, so haftet gegenüber dem Arbeitnehmer allein der Erwerber. Der Veräußerer kann den Anspruch auf bezahlte Freistellung nicht erfüllen, weil er nicht mehr im Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer steht.
Haftung von Veräußerer und Erwerber im Innenverhältnis – Zusammenfassung
Da § 613a Abs. 2 BGB nur die Haftung im Außenverhältnis zum Arbeitnehmer regelt, richtet sich die Haftung im Innenverhältnis zwischen Erwerber und Veräußerer primär nach den im Übernahmevertrag getroffenen Regelungen. Lässt sich auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung keine vertragliche Regelung ermitteln, gilt § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach haften die Gesamtschuldner zu gleichen Teilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine solche anderweitige Bestimmung kann sich auch aus der Natur der Sache ergeben. Richtig dürfte es deshalb sein, insbesondere bei der Begleichung rückständiger Ansprüche aus der Vergangenheit (Urlaub war bereits vom Veräußerer gewährt, Urlaubsentgelt aber noch nicht ausbezahlt) eine Pflicht des Veräußerers zum vollständigen Ausgleich gegenüber dem Erwerber zu bejahen. Erfüllt erst der Erwerber Urlaubsansprüche in der Form bezahlter Freizeit, die bereits beim Veräußerer entstanden waren, ist eine anteilige Haftung im Innenverhältnis gemäß dem Zeitanteil, den der Arbeitnehmer beim Veräußerer verbrachte, anzunehmen.