Urlaubsnachgewährung bei Quarantäne?
Die Frage, ob die in eine Quarantäne fallenden Urlaubstage vom Arbeitgeber wieder gutzuschreiben sind, war während der Coronapandemie von verschiedenen Landesarbeitsgerichten unterschiedlich beantwortet worden. Das BAG ersuchte zunächst den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Nachdem der EuGH keine Notwendigkeit dafür sah, dass Arbeitgeber Urlaubstage neu gewähren müssen, wenn Arbeitnehmenden im Urlaub eine behördlich angeordnete Corona-Quarantäne dazwischenkommt, hat das BAG jetzt entsprechend entschieden.
Der Gesetzgeber hat allerdings in der Zwischenzeit die strittige Frage in § 59 IfSG zugunsten der Beschäftigten geregelt. Danach werden die Tage der Absonderung eines Mitarbeitenden nicht auf den Jahresurlaub angerechnet, wenn dieser während seines Urlaubs in Quarantäne geschickt wird.
Zusammentreffen von Urlaub und Quarantäneanordnung
Dem Fall lag die Klage eines Arbeitnehmers zugrunde, der seit 1993 bei seinem Arbeitgeber als Schlosser beschäftigt ist. Auf seinen Antrag bewilligte ihm sein Arbeitgeber acht Tage Erholungsurlaub für die Zeit vom 12. bis zum 21. Oktober 2020. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2020 ordnete die Stadt Hagen die Absonderung des Arbeitnehmers in häusliche Quarantäne für die Zeit vom 9. bis zum 21. Oktober 2020 an, weil er zu einer mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Person Kontakt hatte. Eine Infektion des Arbeitnehmers lag nachweislich nicht vor.
Für die Zeit der Quarantäne war es ihm durch behördliche Anordnung untersagt, seine Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamts zu verlassen und Besuch von haushaltsfremden Personen zu empfangen. Der Arbeitgeber belastete das Urlaubskonto des Schlossers regulär mit acht Tagen und zahlte ihm das entsprechende Urlaubsentgelt.
Quarantäne mit Krankheit während des Urlaubs vergleichbar?
Der betroffene Arbeitnehmer war der Ansicht, ihm müssten die Urlaubstage wieder gutgeschrieben werden, weil er sich in angeordneter Quarantäne befunden habe und sich nicht habe erholen können. Sein Arbeitgeber sei verpflichtet, ihm die Urlaubstage gutzuschreiben, weil er seinen Urlaub nicht selbstbestimmt gestalten konnte. Die Situation bei einer Quarantäneanordnung sei vergleichbar mit der Rechtslage, die gelte, wenn es während des Urlaubs zu einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit komme. Ebenso wie bei einer Arbeitsunfähigkeit müsse der Arbeitgeber ihm deshalb den Urlaub entsprechend § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), welcher regelt, dass ärztlich attestierte Krankheitszeiten während des Urlaubs nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden dürfen, nachgewähren.
Das BUrlG sieht aber nur bei einer ärztlichen Krankschreibung eine Gutschrift der Urlaubstage vor. Der Schlosser war aber während der Quarantäne nicht krank. Eine gesetzliche Regelung für solche Fälle gibt es nicht.
Anrechnung von Quarantänezeit auf Urlaub mit Europarecht vereinbar
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm war - anders als andere Landesarbeitsgerichte - der Auffassung des Arbeitnehmers gefolgt und hatte seiner Klage stattgegeben.
Auf Vorlage des Bundesarbeitsgericht hat der EuGH geklärt, dass die Anrechnung von Quarantäne-Zeit auf Urlaubstage mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht.
Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr entschieden, dass ein Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerin antragsgemäß Urlaub gewährt und Urlaubsentgelt zahlt, seinen Urlaubsanspruch erfüllt. Der Arbeitgeber schulde die Freistellung von der Arbeit, aber keinen "Urlaubserfolg". Der Anspruch auf Urlaub sei daher auch erfüllt, wenn eine zuständige Behörde anschließend für denselben Zeitraum die Absonderung des Arbeitnehmers, ohne dass dieser selbst erkrankt ist, in häusliche Quarantäne anordnet. In diesem Fall, weil er mit einer Person Kontakt gehabt hat, die mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert gewesen ist.
BAG: Keine Nachgewährung von Urlaubstagen während Quarantäne
Der Arbeitgeber muss die Urlaubstage während der Quarantäne anders als bei Krankheit nicht nachgewähren, so das Urteil des BAG. Die von dem Arbeitnehmer ausgehende Ansteckungsgefahr, die den Grund für die Quarantäneanordnung bildet, sei keine Krankheit im Sinne des § 9 BUrlG, da kein regelwidriger Körperzustand vorliege. Eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG schloss das Gericht aus, da weder eine planwidrige Regelungslücke vorliegt noch die Regelungsgegenstände hinreichend vergleichbar seien.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Mai 2024, Az. 9 AZR 76/22; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 27. Januar 2022, Az. 5 Sa 1030/21
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