Urlaubsberechnung bei Krankheit und Kurzarbeit
Während der Coronapandemie bestand in vielen Unternehmen nur noch eine eingeschränkte Beschäftigungsmöglichkeit für die Mitarbeitenden. Zeitweise wurde daher vielerorts Kurzarbeit eingeführt, oftmals sogar "Kurzarbeit Null". Beschäftigte arbeiteten also monatelang gar nicht - so auch im Unternehmen des vorliegenden Verfahrens.
Bei der Berechnung des Jahresurlaubs darf es berücksichtigt werden, wenn Arbeitstage aufgrund von Kurzarbeit "Null" vollständig ausfallen. Zu entscheiden hatte das BAG im vorliegenden Verfahren, wie sich die Zeiten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters - während im Betrieb Kurzarbeit praktiziert wird - auf die Berechnung des Urlaubs auswirken.
Der Fall: Urlaub bei Krankheit und gleichzeitiger Kurzarbeit
In dem konkreten Fall führte der Arbeitgeber, eine Betriebsschlosserei, mit Wirkung vom 1. April 2020 im Betrieb Kurzarbeit ein. Zu diesem Zeitpunkt war der Arbeitnehmer bereits seit dem 19. März 2020 arbeitsunfähig erkrankt. Mit einer Folgebescheinigung vom 26. März 2020 wurde die Erkrankung zunächst weiter bis zum 12. April 2020 attestiert und dauerte – bestätigt durch weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – durchgehend bis zum 31. Dezember 2020.
Das Arbeitsverhältnis endete Ende 2021. Der Arbeitnehmer verlangte daraufhin vom Arbeitgeber die Abgeltung von 15 Arbeitstagen gesetzlichen Mindesturlaubs für das Jahr 2020, konkret für den Zeitraum vom 1. April bis 31. Dezember 2020. Er war der Auffassung, für diesen Zeitraum, in dem er arbeitsunfähig war und im Betrieb Kurzarbeit Null galt, gesetzliche Urlaubsansprüche in ungeminderter Höhe erworben zu haben. Die Zeiten seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit müssten bei der Berechnung des Urlaubs wie solche mit tatsächlicher Arbeitsleistung behandelt werden, forderte der Mitarbeiter - ungeachtet der im Betrieb praktizierten Kurzarbeit. Der Arbeitgeber war dagegen überzeugt, dass die vereinbarte Kurzarbeit "Null", unabhängig von der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters, zu einer Minderung seines gesetzlichen Jahresurlaub geführt habe.
BAG: Zulässige Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit Null
Das BAG entschied zugunsten des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf finanzielle Abgeltung von zusätzlich 15 Urlaubstagen hat. In seinem Urteil führte das oberste Arbeitsgericht zunächst aus, dass der Urlaubsanspruch sich grundsätzlich berechnet, indem die in § 3 Abs. 1 BUrlG genannten 24 Werktage durch die Zahl der Arbeitstage im Jahr bei einer Sechstagewoche geteilt und mit der Zahl der für den Arbeitnehmer maßgeblichen Arbeitstage im Jahr multipliziert werden.
Der Urlaub berechnet sich somit aufgrund der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Gibt es eine Änderung bei der Anzahl der Arbeitstage mit Arbeitspflicht - in der Regel aufgrund einzelvertraglicher Absprachen oder kollektivrechtlicher Bestimmungen -, müsse der gesetzliche Urlaubsanspruch unter Berücksichtigung der einzelnen Zeiträume der Beschäftigung und der auf sie entfallenden Wochentage mit Arbeitspflicht neu berechnet werden.
Anpassung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit
Hier stellte das Gericht fest, dass eine Anpassung des Urlaubsanspruchs entsprechend § 3 Abs. 1 BUrlG auch dann vorzunehmen ist, wenn die Arbeitspflicht infolge einer wirksam eingeführten Kurzarbeit an ganzen Arbeitstagen entfällt. Unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung machte das BAG erneut deutlich, dass Arbeitgeber Urlaub bei "Kurzarbeit Null" anteilig kürzen dürfen. Die Regelung in § 3 Abs. 1 BUrlG sei gerade nicht dahingehend auszulegen, dass Arbeitstage, die aufgrund der kurzarbeitsbedingten Neuverteilung der Arbeitszeit ausgefallen sind, bei der Berechnung des Urlaubsumfangs Zeiten mit einer Arbeitspflicht gleichzustellen seien.
Dies sei auch europarechtskonform, betonte das BAG in seinem Urteil. Krankheitsbedingte Ausfallzeiten seien bei unionsrechtskonformem Verständnis bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs nur dann wie Zeiten mit geleisteter Arbeit zu behandeln, wenn die Erkrankung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin kausal für den Wegfall der Arbeitspflicht war. Der Arbeitnehmer schulde jedoch bereits aufgrund einer Kurzarbeitsvereinbarung vertraglich keine Tätigkeit. Diese Betrachtung müsse nach Ansicht des Gerichts auch gelten, wenn die Arbeitsunfähigkeit bereits vor Einführung der Kurzarbeit vorlag. Ein erkrankter Arbeitnehmer sei nicht per se von den arbeitsrechtlichen Folgen der Kurzarbeit ausgenommen.
Dass die Kurzarbeit im Unternehmen zwischen den Parteien rechtswirksam vereinbart war, stellte das BAG fest. Aufgrund der somit zulässig geänderten Arbeitspflicht des Arbeitnehmers kam das Gericht zum Ergebnis, dass der Arbeitnehmer nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 4 BUrlG einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub von fünf Arbeitstagen für das Jahr 2020 hatte. Diese Tage wurden vom Arbeitgeber gewährt.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 5.12.2023, Az: 9 AZR 364/22; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 29. September 2022, Az: 4 Sa 179/21
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