Abmahnung und Freistellung einer ungeimpften Pflegekraft

Arbeitgeber durften ungeimpfte Pflegekräfte in der Hochphase der Coronapandemie unbezahlt freistellen, um vulnerable Personen zu schützen. Das hat das BAG im Fall einer Altenpflegerin festgestellt. Die Abmahnung wegen des fehlenden Impfnachweises hielt es dagegen für rechtswidrig.

Noch immer haben die Arbeitsgerichte über Coronastreitigkeiten zu entscheiden. Vom 15. März 2022 bis zum 31.12. Dezember 2022 galt die Corona- Impfpflicht in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht. Gemäß § 20 a Infektionsschutzgesetz hatten Beschäftigte in diesem Bereich eine Pflicht zur Vorlage eines Immunisierungsnachweises gegenüber den Einrichtungen als Voraussetzung für die Beschäftigung.

Der Fall: Abmahnung und Freistellung einer Pflegekraft wegen fehlender Impfung

Im vorliegenden Fall klagte eine Arbeitnehmerin, die seit 2007 als Pflegerin in einem Altenpflegeheim beschäftigt ist, gegen ihren Arbeitgeber. Sie hatte sich nicht gegen das Coronavirus SARS CoV-2 lassen und konnte dem Arbeitgeber entgegen der damals geltenden Vorgaben zu Beginn der einrichtungsbezogenen Impfpflicht weder einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest vorlegen, dass sie nicht geimpft werden könne.

Daraufhin erteilte ihr der Arbeitgeber eine Abmahnung und stellte sie ab dem 15. März 2022 bis auf Widerruf ohne Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei. Vom 21. bis zum 31. März 2022 war die Arbeitnehmerin außerdem infolge einer Coronainfektion arbeitsunfähig krank. Die Mitarbeiterin forderte die Entfernung ihrer Abmahnung aus der Personalakte sowie die Zahlung der restlichen Vergütung für März.

Ohne behördliches Beschäftigungsverbot keine Freistellung?

Die Pflegekraft war der Auffassung, dass der Arbeitgeber sie zumindest bis zu einem offiziellen Beschäftigungsverbot durch das Gesundheitsamt hätte weiter beschäftigen müssen. Es habe keine arbeitsvertragliche Pflicht gegeben, dem Arbeitgeber den Impf- oder Genesenenstatus nachzuweisen.

Der Arbeitgeber war dagegen überzeugt, dass er aufgrund der infektionsschutzrechtlichen Vorgaben dazu berechtigt war, in seiner Pflegeeinrichtung nur noch geimpftes oder genesenes Personal zu beschäftigen und damit berechtigt gewesen sei, die ungeimpfte Pflegerin freizustellen.

Kein Anspruch auf Vergütung während rechtmäßiger Freistellung

Das sah das Bundesarbeitsgericht genauso wie der Arbeitgeber und wies die Klage der Altenpflegerin auf Vergütung ab. In der Begründung stellte das BAG fest, dass die Arbeitnehmerin für die Zeit ihrer Freistellung im März 2022 keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs hat, da sie dem Arbeitgeber trotz Anordnung keinen Immunitätsausweis gemäß § 20 a Infektionsschutzgesetz vorlegen konnte. Damit sei es ihr nicht möglich gewesen, die von ihr geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

Das oberste Arbeitsgericht verwies darauf, dass das Bundesverfassungsgericht die sogenannte "einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht" für verfassungsgemäß erklärt habe (BVerfG 27. April 2022, Az. 1 BvR 2649/21).

Weisungsrecht des Arbeitgebers

Arbeitgeber seien als Betreiber von Pflegeheimen berechtigt gewesen, diese Vorgaben zum Schutz von vulnerablen Gruppen im Wege des Weisungsrechts umzusetzen und für den begrenzten Zeitraum die Vorlage eines Immunitätsnachweises zur Beschäftigungsvoraussetzung zu machen. Damit sei auch der Arbeitgeber - nicht nur das Gesundheitsamt - berechtigt gewesen, die Pflegekraft ohne Immunitätsnachweis von der Arbeit freizustellen.

Das BAG argumentiert damit, dass die Gesundheitsämter in jener Zeit völlig überlastet waren und eine sachgerechte und zeitnahe Umsetzung dieser Schutzmaßnahme im Interesse der besonders gefährdeten Personen im Altenheim nötig war. Auch wenn sich später teilweise Zweifel an der Wirksamkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ergeben hätten, müsse bei der rechtlichen Beurteilung auf den Zeitpunkt der Weisung abgestellt werden, verdeutlichte das BAG. Denn Anfang des Jahres 2022 sei es die überwiegende wissenschaftliche und auch vom Bundesministerium für Gesundheit und dem Robert-Koch-Institut vertretenen Auffassung gewesen, dass eine Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 vor einer Übertragung des Virus schützt. Hiervon durfte also auch der Arbeitgeber ausgehen.

Arbeitgeber muss Abmahnung aus Personalakte entfernen

Anders sah es jedoch bei der Abmahnung aus. Hier entschied das Bundesarbeitsgericht, dass der Arbeitgeber die erteilte Abmahnung aus ihrer Personalakte entfernen müsse. Eine Abmahnung solle den Arbeitnehmer grundsätzlich auf eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten aufmerksam machen, ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auffordern und ihm mögliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung aufzeigen.

Impfung war freie Entscheidung und keine abmahnfähige Pflichtverletzung

Die Nicht-Vorlage eines Immunitätsnachweises (§ 20a Abs. 2 IfSG aF) stellte aber keine abmahnfähige Pflichtverletzung dar. Dies begründete das Gericht damit, dass der Arbeitgeber die höchstpersönliche und freie Entscheidung der Pflegekräfte, sich nicht gegen das Coronavirus impfen zu lassen, aufgrund ihrer Grundrechte auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit respektieren musste. Daher erwies sich die Abmahnung als ungeeignetes Mittel zur Verhaltenssteuerung. Weil mit einer Abmahnung der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist, sei sie – anders als der vorübergehende Verlust der Entgeltansprüche für die befristete Dauer der Freistellung – eine unangemessene Druckausübung und damit unverhältnismäßig.

Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Juni 2024, Az. 5 AZR 192/23; Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Februar 2023, Az.11 Sa 51/22


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Schlagworte zum Thema:  Coronavirus, Freistellung, Abmahnung