Rz. 31
§ 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG berechtigt den Arbeitgeber, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat, für den der Arbeitnehmer Elternzeit nimmt, um 1/12 zu kürzen. Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub kürzen, muss aber von diesem Recht keinen Gebrauch machen. Die Anpassung des Urlaubsanspruchs an die durch die Elternzeit ausgesetzte Arbeitspflicht wird weder automatisch noch durch einen Realakt des Arbeitgebers bewirkt. Sie setzt voraus, dass der Arbeitgeber von der ihm eingeräumten Kürzungsbefugnis durch die Abgabe einer empfangsbedürftigen rechtgeschäftlichen Erklärung Gebrauch macht.
Diese Erklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden. Es reicht aus, dass dem Arbeitnehmer nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder ihm erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will. Weitere Voraussetzungen – etwa eine Vereinbarung – für eine Kürzung des Urlaubs bzw. der Urlaubsabgeltung müssen nicht vorliegen, insbesondere ist die Wirksamkeit der Kürzungserklärung nicht darauf beschränkt, dass sie vor Antritt der Elternzeit abgegeben wird. Der Arbeitgeber kann den Urlaub vor, während und nach dem Ende der Elternzeit kürzen, nicht jedoch vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen.
Kürzung von Urlaub bei Elternzeit nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Aus Arbeitgebersicht sollte darauf geachtet werden, dass eine beabsichtigte Kürzung der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer in Elternzeit bereits vor oder während der Elternzeit, jedenfalls aber vor der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt wird. Nach der neueren Rechtsprechung des BAG ist eine Kürzung jedenfalls nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich. Die Kürzungsmöglichkeit setzt nämlich voraus, dass der Urlaubsanspruch noch besteht. Wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist, tritt an die Stelle des Urlaubsanspruchs der Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Dieser ist nach Aufgabe der sog. Surrogatstheorie des BAG nicht mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern ein reiner Geldanspruch. Er entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, bildet dann einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber. Deshalb kann er durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers nicht mehr gekürzt werden. Die frühere Rechtsprechung des 9. Senats ist überholt, auch wenn für die Zulässigkeit der Erklärung noch nach der Elternzeit spricht, dass oft erst im Nachhinein feststeht, in welchem Umfang eine Kürzung überhaupt in Betracht kommt und § 17 Abs. 4 BEEG eine nachträgliche Kürzungsmöglichkeit auch für zu viel gewährten Urlaub einräumt.
Kürzung vor Antritt oder während der Elternzeit mitteilen
Aus Praktikersicht empfiehlt es sich, die beabsichtigte Kürzung wegen der neueren Rechtsprechung des BAG bereits mit der Bestätigung der Elternzeit mitzuteilen. Eine Mitteilung könnte lauten:
"Wir bestätigen Ihr Elternzeitverlangen vom …, wonach Sie vom … – … Elternzeit in Anspruch nehmen. Entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG werden wir Ihren Jahresurlaub in dieser Zeit für jeden vollen Kalendermonat um ein Zwölftel kürzen."
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Die in § 17 Abs. 1 BEEG vorgesehene Kürzungsmöglichkeit verstößt nicht gegen Unionsrecht, insbesondere nicht gegen Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie. Der EuGH hat entschieden, dass Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie einer Bestimmung des nationalen Rechts nicht entgegensteht, nach der bei der Berechnung des unionsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub in einem Bezugszeitraum die Dauer eines vom Arbeitnehmer in diesem Zeitraum genommenen Elternurlaubs nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung angesehen wird. Durch § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG wird auch nicht i. S. v. § 5 Nr. 2 Satz 1 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub vom 18.6.2009 im Anhang der Richtlinie 2010/18 EU in Rechte eingegriffen, die der Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben. Die Kürzungsbefugnis ist deshalb unionsrechtlich unproblematisch.