Rz. 6
Nach dem Wortlaut des § 6 BUrlG sind Urlaubsansprüche gegen einen neuen Arbeitgeber ausgeschlossen, soweit für das laufende Kalenderjahr von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist.
2.1 Anwendungsvoraussetzungen
2.1.1 § 6 gilt für alle Urlaubsansprüche
Rz. 7
Die Vorschrift gilt zwar dem Wortlaut nach nur für die gesetzlichen Urlaubsansprüche, im Ergebnis aber auch für weitergehende tarifliche oder vertragliche Urlaubsansprüche – jedenfalls dann, wenn die Vertragsparteien nichts Abweichendes für den "übergesetzlichen" Urlaub vereinbart haben. Eine solche Abweichung muss klar und eindeutig sein.
2.1.2 Wechsel des Arbeitsverhältnisses
Rz. 8
Voraussetzung für die Anwendung des § 6 BUrlG ist ein Wechsel des Arbeitsverhältnisses im laufenden Kalenderjahr. Dabei müssen sich die Arbeitsverhältnisse nicht aneinander anschließen; der Arbeitnehmer kann zwischenzeitlich auch arbeitslos gewesen sein.
Wechselt der Arbeitnehmer zum 1.1., findet § 6 BUrlG nie Anwendung.
Rz. 9
Es reicht aus, dass der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch aus einem anderen Rechtsverhältnis, das ihm einen gesetzlichen Urlaubsanspruch gibt, z. B. als arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger oder als Auszubildender, erworben hat. Die Anrechnung ist gerechtfertigt, denn wenn im Rahmen des § 4 BUrlG für die Erfüllung der Wartezeit derartige Rechtsverhältnisse ohne Rücksicht auf die Formulierung des Gesetzes einbezogen werden, muss dem gegenüberstehen, dass dann auch die hier gewährten Urlaubstage im Rahmen des § 6 BUrlG anzurechnen sind.
Rz. 10
Die Vorschrift ist auch anwendbar, wenn der Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr mehrfach den Arbeitgeber wechselt; jedoch kann sich immer nur der spätere Arbeitgeber im Verhältnis zu einem früheren Arbeitsverhältnis darauf berufen.
Ebenso ist die Vorschrift anwendbar, wenn der frühere und der "neue" Arbeitgeber identisch sind, weil der Arbeitnehmer ausgeschieden ist, dann aber wieder eingestellt wurde. Das wird vom Wortlaut des § 6 Abs. 1 BUrlG noch gedeckt, denn auch der identische Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang ein früherer Arbeitgeber.
Rz. 11
Keinen Arbeitgeberwechsel in diesem Sinne stellt es dar, wenn das Arbeitsverhältnis durch einen Betriebsübergang auf einen neuen Arbeitgeber nach § 613a BGB übergeht, denn in diesem Fall besteht das Arbeitsverhältnis als solches fort und nur der Arbeitgeber wird gesetzlich "ausgetauscht". Davon zu unterscheiden ist die Frage, was gilt, wenn der Arbeitnehmer wegen einer unzureichenden Information über den Betriebsübergang diesem erst nach einigen Monaten wirksam widersprochen hat und beim vermeintlichen Betriebserwerber bereits Urlaub erhalten hat. Dieser Fall ist gesetzlich nicht geregelt; nach Betriebsübergang und vor dem Widerspruch bestanden 2 Arbeitsverhältnisse nebeneinander, sodass ein Fall von Doppelarbeitsverhältnissen besteht (s. Rz. 12), bei denen § 6 BUrlG keine Anwendung findet. Der Erwerber, bei dem der Arbeitnehmer bis zum Widerspruch tätig war, kann sich allenfalls geltend machen, es habe sich um ein fehlerhaftes, also faktisches Arbeitsverhältnis gehandelt. Das führt aber nicht zum Entfall des Anspruchs auf Urlaub, der auch im faktischen Arbeitsverhältnis besteht. Zudem hat sich der Arbeitnehmer den Urlaub dort auch erarbeitet. Es liegt nahe, auch hier wie im Fall des Ausspruchs einer unwirksamen Kündigung, wenn der Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses ein weiteres Arbeitsverhältnis eingegangen ist, den Gedanken anzuwenden, dass der Arbeitnehmer keine 2 Arbeitsverhältnisse gleichzeitig erfüllen kann und sich daher den bereits gewährten Urlaub nach § 615 BGB, § 11 KSchG in entsprechender Anwendung anrechnen lassen muss.
Rz. 12
Es liegen keine wechselnden Arbeitsverhältnisse vor, wenn der Arbeitnehmer in 2 Arbeitsverhältnissen nebeneinander tätig ist, auch wenn dieses nicht während des ganzen Kalenderjahres der Fall ist – hier handelt es sich um eine sog. Doppelbeschäftigung. Diese tritt häufig auf, wenn Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt sind oder neben einer Hauptbeschäftigung noch eine Nebentätigkeit ausüben. Ebenso handelt es sich um eine Doppelbeschäftigung, wenn ein Arbeitnehmer während einer Freistellung in dem alten Arbeitsverhältnis bereits ein neues Arbeitsverhältnis aufnimmt.
Auch kein Fall der Doppelbeschäftigung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer während eines Kündigungsschutzprozesses ein neues Arbeitsverhältnis eingeht und vom Gericht entschieden wird, dass die Kündigung unwirksam war, das bisherige Arbeitsverhältnis also fortbesteht. Im Doppelarbeitsverhältnis entstehen grundsätzlich in jedem Arbeitsverhältnis die entsprechenden Urlaubsansprüche. § 6 BUrlG findet keine Anwendung. Hat der Arbeitnehmer aber nicht gleichzeitig in beiden Arbeitsverhältnissen seine Arbeitspflicht erfüllt, so hat er sich in dem (unwirksam) gekündigten Arbeitsverhältnis den Urlaub, den er in dem anderen Arbeitsverhältnis bereits erhalten...