Sven Franke, Stefanie Hornung
Die Gerechtigkeitsforschung kommt zu dem Schluss, dass zu erwartende Folgen von gefühlten Ungerechtigkeiten wie Demotivation oder innere Kündigung ihren Ursprung nicht nur im eigenen Einkommen haben, sondern auch für wahrgenommene Ungerechtigkeiten in der gesellschaftlichen Einkommensverteilung gelten. Unternehmen sollten somit ein großes Interesse daran haben, auf eine gerechte Gesamtverteilung von Einkommen in unserer Gesellschaft hinzuwirken.
Noch gravierender als exorbitante Gehälter für Topmanager sind die Folgen von zu geringen Löhnen. Laut eines Berichts zur Einkommensgerechtigkeit von Jule Adriaans und Stefan Liebig im DIW Wochenbericht (37/2018) nimmt die große Mehrheit der Bevölkerung niedrige und mittlere Einkommen als zu gering und damit ungerecht wahr. Als niedriges Einkommen gilt ein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen von 1.200 EUR. Mittlere Einkommen liegen im Schnitt bei 2.700 EUR. "Hat man den Eindruck, einen zu geringen Lohn für die erbrachte Arbeit zu erhalten, reduziert man die eigenen Anstrengungen im Beruf und passt diese an das niedrigere Belohnungsniveau an", heißt es im Bericht. Doch die Folgen sind noch weitreichender: Empfundene Ungerechtigkeit am unteren Ende der Einkommensverteilung können zudem zu Politikverdrossenheit und zum Rückzug aus dem demokratischen Meinungsbildungsprozess führen.
Dass Menschen als Reaktion auf fehlende Gehaltsfairness sogar auf die politische Teilhabe verzichten, zeigt einmal mehr die große gesellschaftliche Bedeutung des Themas Vergütung. New Pay kann somit dafür sorgen, dass Menschen sich in die Gesellschaft einbringen – und zwar nicht nur im eigenen Unternehmen. Ungerechtigkeiten wiederum gefährden den sozialen Zusammenhalt.
Dabei gilt es zu bedenken: Ungleichheiten müssen nicht notwendigerweise unfair sein. Gerechtigkeitsforscher kommen diesbezüglich zu dem Schluss: Die Einkommen in einer gerechten Welt wären nicht weniger ungleich verteilt. Dies ist allerdings nur der Fall, wenn das Maß an Ungleichheit in Einklang mit den in einer Gesellschaft anerkannten normativen Leitprinzipien steht. Was passiert jedoch, wenn wir wie beschrieben neue Leitplanken haben und alte Autoritäten und Machtstrukturen mit der Digitalisierung an Bedeutung verlieren?
Bisher besteht in Sachen Angleichung der Einkommen wenig Grund zu Euphorie, denn zuletzt klaffte die Einkommensschere wieder stärker auseinander: Der Anteil der Spitzeneinkommen in Deutschland ist seit Mitte der 90er Jahre stark gewachsen. Dagegen hat sich der Anteil, den die Hälfte mit den geringsten Bruttoeinkommen erwirtschaftet, seitdem deutlich reduziert.
New Work klingt für manche Unternehmer vielleicht nach Gutmenschentum. Doch wenn sie merken, dass sich dadurch auch wirtschaftliche Vorteile verschaffen lassen, sollten sie aufhorchen. Aufwändige Prozesse zur Leistungsmessung fördern das Elite- und Konkurrenzdenken, aber bringen selten einen echten Wertbeitrag. Deshalb haben inzwischen schon rund 15 große deutsche Unternehmen, viele davon sind im DAX notiert, individuelle Boni zugunsten von Unternehmens- und Teamprämien abgeschafft – Tendenz steigend. Noch ist das ein Tropfen auf den heißen Stein und noch erreichen Veränderungen nicht wirklich den Niedriglohnsektor. Doch wenn wir das Gedankenspiel weitertreiben, heißt das: Wir müssen die Öffnung der Gehaltsschere verkleinern, sodass auch unterer Einkommensgruppen an der Unternehmensrendite angemessen teilhaben.
Lösungen wären nicht nur ein spürbar höherer Mindestlohn und ein Bedingungsloses Grundeinkommen, sondern eben auch New Pay. Mit den Überlegungen und Grundgedanken von New Pay sagen wir: In einer gerechten Welt wären die Gehälter zwar vielleicht weiterhin in gewissem Maße ungleich verteilt, aber weniger ungleich als heute. Niedrige Einkommen würden steigen, Managergehälter sinken. Menschen würden insgesamt stärker an der Unternehmensrendite beteiligt, mehr Sinn in der Arbeit finden und am Arbeitsplatz Solidarität erleben. Die Alternative lautet: Menschen im Zustand der inneren Kündigung und Politikverdrossenheit. Diese Alternative ist allerdings keine wirkliche Option – weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer.