Insbesondere in Vertriebsorganisationen stellt sich schon immer die Frage, wie die strategische Vertriebssteuerung am besten gelingen kann, um das bestmögliche Unternehmensergebnis zu erreichen. Die Bandbreite reicht von der Frage, ob eine hohe oder niedrige variable Vergütung zielführender ist. Oder ob ein ausgeklügeltes Mess- und Steuerungssystem effizienter ist als ein Angebot von diversen Nebenleistungen zur zusätzlichen Incentivierung.
In der Realität verfehlen die meisten Vergütungssysteme ihre angestrebte Wirkung: Sie sind zu kompliziert, zu intransparent, zu träge und nicht motivierend bzw. sie setzen falsche Anreize und berücksichtigen den Aspekt der Nachhaltigkeit nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Unternehmen versuchen, alle Mitarbeitenden und Bereiche mit einer „One-Size-Fits-All“-Methode abzudecken – es existiert keine Möglichkeit zur Individualisierung auf den persönlichen Motivationsbedarf. Extrinsisch motivierte Mitarbeitende benötigen andere Anreize, als intrinsisch motivierte; ebenso wie die unterschiedlichen Bereiche im Vertrieb selbst – laut dem Bundesverband der Vertriebsmanager e.V. gibt es bis zu 20 verschiedene Tätigkeitsprofile in einer Vertriebsorganisation.
New Pay im Vertrieb
Der am besten geeignete Ansatz in der modernen strategischen Vertriebssteuerung lässt sich unter dem Begriff New Pay zusammenfassen. Sven Franke, Stefanie Hornung und Nadine Nobile von der „New Pay“-Initiative definieren diesen Begriff wie folgt: „Der Begriff New Pay umschreibt Prozesse rund um die Entwicklung neuer Gehaltsprozesse, die die Bedürfnisse der Menschen in einer sich dynamisch wandelnden Organisation unterstützen. Die Gehaltsfindung richtet sich an der Branche und der Position aus (dem Wofür). Sie durchbricht fast immer alte Muster, Rituale und Regeln und hinterfragt klassische Entgeltinstrumente. New Pay ist ein System, das lebt, atmet und sich nach Bedarf selbst anpasst. Ziel ist die eigene, individuelle Lösung.“
Franke, Hornung und Nobile legen in ihrem „New Pay Report 2021“ sieben Prinzipien hierfür zugrunde: Fairness, Transparenz, Selbstverantwortung, Partizipation, Flexibilität, Wir-Denken und Permanent Beta.
Insbesondere im Vertrieb ist die variable Vergütung nicht nur ein gerne genutzter, sondern auch von den Mitarbeitenden geschätzter, Leistungsanreiz – 87 Prozent der Mitarbeitenden im Vertrieb teilen diese Ansicht laut einer Deloitte-Studie (vgl. Deloitte: Studie zur Vertriebsvergütung 2019). Die gleiche Studie hat auch erfragt, ob die Generation Z und die Millenials nach einem hohen Einkommen und materiellem Wohlstand streben – erstaunlicherweise streben dies 40 Prozent der Millenials und 50 Prozent der Generation Z an. Allerdings zeigt die Studie gleichfalls auf, dass nur 49 Prozent der befragten Personen das eigene Vergütungssystem als effektiv bewerten.
Hieraus lässt sich für die strategische Vertriebssteuerung ableiten, dass die variable Vergütung und Incentivierung auch für künftige Generationen von entscheidender Bedeutung und Motivation sein wird.
Einen Faktor gilt es für Unternehmen besonders zu beachten: „Jeder zweite Mitarbeiter würde für ein besseres variables Vergütungssystem den Arbeitgeber wechseln“2 – dies schließt die variable Vergütung, als auch die Incentivierung durch Nebenleistungen ein.
Für ein insgesamt erfolgreiches Vergütungsmodell im Sinne des „New Pay“ ist es daher empfehlenswert, ein möglichst einfaches und gleichzeitig flexibles Modell zu wählen, aus dem die Mitarbeitenden sich modular ihre Nebenleistungen heraussuchen können.
Um den Vertrieb nun in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken, muss an beiden Schrauben – der Boni und der Nebenleistungen – gleichermaßen justiert werden.
Welche Vorteile bietet der Primär-Fokus auf die Nebenleistungen?
In der Deloitte Studie haben sich vier Fokusbereiche herauskristallisiert, die Mitarbeitende bei den Nebenleistungen favorisieren:
- Flexible Arbeitszeitmodelle
- Weiterbildung und Entwicklung
- Firmen-PKW
- Gesundheitsdienstleistungen.
Die gute Nachricht ist, dass diese gewünschten Leistungen bereits auf das Thema Nachhaltigkeit einzahlen können; die Mitarbeitenden haben also in der Breite schon ein Interesse an nachhaltigen Nebenleistungen. Die schlechte Nachricht ist, dass nur wenige Unternehmen ihren Mitarbeitenden hierfür ein Angebot machen.
Diese von den Mitarbeitenden bevorzugten Nebenleistungen bieten die Möglichkeiten für die folgenden Quick-Wins:
- Sie tragen den sich verändernden Ansprüche an die Arbeitswelten in punkto Transparenz und Mitbestimmung schnell Rechnung
- Flexibilität, Nachhaltigkeit und Motivation sind in transparenter und einfacher Form als wählbare Module umsetzbar
- Sie haben potenziell den größten Einfluss auf den CO2-Fußabdruck und wirken folglich positiv auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung und Reduzierung zugehöriger Betriebskosten.
Nachhaltigkeits-Auswirkungen von Firmen-PKWs als Nebenleistung
Im Folgenden lege ich daher den Fokus auf den Hebel „Firmen-PKW“, der in vielfacher Hinsicht auf das Thema Nachhaltigkeit einzahlt: 60 Prozent der in der EU verkauften Autos sind Firmenwagen, wovon 87 Prozent Verbrenner sind (vgl. transportenvironment.org). Diese Neu-Fahrzeuge werden meist über Leasingverträge beschafft, die im Vergleich zur privaten Nutzung eine kurze Laufzeit haben. Nach der Nutzungsdauer werden diese Fahrzeuge dem Gebrauchtwagenmarkt vergleichsweise günstig zugeführt. Private Nutzer beschaffen häufiger gebrauchte Fahrzeuge als Neu-Fahrzeuge.
Die Umstellung der Fahrzeugflotte auf elektrisch betriebene Firmenfahrzeuge hat gleich zwei wesentliche Effekte: zum einen reduzieren sich die Kosten für die Unternehmen in Bezug auf Wartungskosten, Kraftfahrzeugsteuer und Tankkosten – alleine bei den Tankkosten beträgt der Kostenvorteil teilweise mehr als 58 Prozent (vgl. efahrer.chip.de). Zum anderen hat dies auch einen weitreichenden Effekt auf die Verkehrs-Klimaziele, wenn private Verbraucher hauptsächlich die günstigeren, gebrauchten Elektro-Fahrzeuge kaufen.
Auch für die Mitarbeitenden rechnet sich das elektrische Firmenfahrzeug: Fahrzeuge mit einem Bruttolistenpreis von weniger als 60.000 Euro müssen lediglich pauschal mit 25 Prozent versteuert werden – im Gegensatz zu einem Prozent bei einem Verbrenner; das mindert das Einkommen und somit die Einkommenssteuer.
Mobilitätsbudget statt Firmenwagen?
Aber möglicherweise kommen Unternehmen auch ganz oder teilweise ohne Firmenfahrzeuge aus: SAP führt konzernweit zum 1. April 2023 ein Mobilitätsbudget ein, denn „rund ein Drittel aller Emissionen des Unternehmens stammt von den Dienstwagen“. Hinzu kommt das selbst gesteckte Ziel: „ab 2025 dürfen keine Verbrenner mehr in die Dienstwagenflotte kommen“ (vgl. Handelsblatt, 5. Januar 2023 „SAP bietet Belegschaft Alternative zum Dienstwagen“).
Mobilitätsbudgets tragen erheblich zur Nachhaltigkeit bei, da sie von den Mitarbeitenden für öffentliche Verkehrsmittel, Car-Sharing, Fernbusse oder Zugtickets für Familienmitglieder genutzt werden6. Das Handelsblatt zeigt in seinem Artikel ebenfalls auf, dass in Deutschland nur 27 Prozent der Unternehmen ein Mobilitätsbudget bieten; wohingegen es in Belgien bereits 51 Prozent sind. Unsere europäischen Nachbarn sind also auch in diesem Bereich schon etliche Schritte weiter – ein weiterer Wettbewerbsvorteil in den Bereichen Bindung von Mitarbeitern, Anstellung von Fachkräften, Reduzierung des CO2-Fußabdrucks und Sparen von Betriebskosten.
Unternehmen werden ohne gravierende Veränderungen in der strategischen Vertriebssteuerung nicht in der Lage sein, ihre Unternehmenskultur zu transformieren, das Konzept des „New Work“ erfolgreich umzusetzen und wettbewerbsfähig zu bleiben.