Kundenanfragen zu Nachhaltigkeit: Best Practices

Unternehmen sind nicht nur mit der Vorbereitung auf die zu erstellenden CSRD-Berichte beschäftigt – sie erhalten zunehmend auch Kundenanfragen zum Thema Nachhaltigkeit. Doch wie geht man mit der wachsenden Anzahl an Anfragen um? Wie lassen sie sich im Tagesgeschäft bewältigen? Wir haben uns in der Praxis umgehört und Erfahrungen und Best Practices recherchiert.

Manche Lieferanten und Kunden wollen es ganz genau wissen: Wie sieht der CO2-Fußabdruck des bestellten Produkts aus? Wie nachhaltig ist der Anbieter aufgestellt? Und wie steht es um die Lieferkette? Im B2B-Sektor sind Anfragen zum Thema Nachhaltigkeit an der Tagesordnung, Tendenz steigend. „Zunächst ist es wichtig zu verstehen, was der Kunde wissen möchte und vor allem, inwiefern die Fragen auf die nachhaltige Entwicklung oder Weiterentwicklung einer Kundenbeziehung einzahlen“, sagt Jan-Marten Krebs, Vorstand der Unternehmensberatung Sustainable. Oft seien die Fragebögen allgemein gehalten und für das antwortende Unternehmen nur bedingt relevant. Krebs rät, den Fragebogen als Chance zu betrachten, um mit dem Kunden in Dialog zu treten und empfiehlt Ehrlichkeit und Transparenz, „denn Nachhaltigkeit ist ein weiterer Aspekt, um Kundenbeziehungen zu stärken und Vertrauen zu schaffen“, so Krebs.

Die Unternehmensberatung empfiehlt ihren Kunden, die Fragen und Antworten zentral zu sammeln. Das schafft Konsistenz und reduziert den internen Aufwand, denn die Fragen beziehungsweise die Fragebögen haben oft inhaltliche Überschneidungen. Teilweise adressieren Fragen Themenbereiche, die in unterschiedlichen Abteilungen liegen. „Eine zentrale Ablage bestehender Antworten, ermöglicht es effizient Antworten zu formulieren, ohne immer die ganze Organisation einbeziehen zu müssen“, sagt Krebs.

Auch dem Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden (wvib) ist das Problem der ressourcenbindenden Anfragen bekannt. Viele seiner Mitglieder haben damit zu kämpfen. In der Regel gehen die Anfragen beim Vertrieb ein. Wer genau die Fragen am Ende beantwortet, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. „Dort, wo es Nachhaltigkeitsbeauftragte gibt, gehört die Bearbeitung dieser Anfragen zu den Kernaufgaben, oft landen sie aber auch auf den Schreibtischen des Qualitätsmanagements. Die Abteilungen müssen gut zusammenarbeiten“, sagt wvib-Nachhaltigkeitsexperte Gregor Preis.

ESG Service Desk bei Faller Packaging

Wie dies in der Praxis aussehen kann, zeigt das Beispiel Faller Packaging. Das Unternehmen mit Sitz in Waldkirch produziert Faltschachteln, Packungsbeilagen und Haftetiketten für die Pharma- und Healthcare-Industrie. Die B2B-Kunden fragen regelmäßig nach den Nachhaltigkeitsbemühungen und den Maßnahmen des Verpackungsherstellers in diesem Bereich. „Besonders häufig sind Anfragen aus den Bereichen Nachhaltigkeitsrating, Dekarbonisierung, Recyclingmöglichkeiten und Materialzusammensetzungen sowie Compliance mit neuen Gesetzen im Rahmen des ‚European Green Deals‘“, erklärt Chan D. Nguyen, Agile Coach Sustainability bei Faller Packaging. Um diese Anfragen optimal zu bearbeiten hat man einen „ESG Service Desk“ etabliert, der auf einem Ticketsystem basiert.

„Bevor wir dieses System hatten, war nicht klar, wer für die Anfragen zuständig war und wer sie überhaupt beantworten konnte“, sagt Nguyen. Die Anfragen kamen aus vielen verschiedenen Abteilungen, was zu chaotischen Prozessen und einer unstrukturierten Bearbeitung der Anfragen führte. Dies war daher ineffizient und erhöhte die tägliche Arbeitsbelastung.

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Vergangene Anfragen mit neuen abgleichen

Wenn Mitarbeitende von Faller Packaging jetzt relevante Anfragen von Kunden und Lieferanten bekommen, können sie einfach ein Ticket erstellen. Das ESG-Team und das Compliance-Team sortieren die Tickets dann im Back-End des ESG Service Desk, damit die Anfragen auch an die richtigen Stellen und zu den richtigen Experten kommen. Danach werden sie direkt innerhalb des Service Desks bearbeitet, wo die Rückmeldung dann zurück an zum Beispiel die Sales-Mitarbeitenden kommt, die sie dann an die Kunden kommunizieren können. Dadurch, dass die Anfragen zentralisiert vom ESG-Service-Desk-Team gesteuert werden, ist sichergestellt, dass sie konsistent und korrekt beantwortet werden.

Ein weiterer Vorteil: Da alle Anfragen durch den ESG Service Desk laufen, lassen sich nach Kategorien und Schlagworten vergangene Anfragen mit neuen Anfragen abgleichen. „Wenn nötig, stimmen wir Anfragen auch im Team ab“, sagt Nguyen. Das komme öfter vor, wenn eine Anfrage mehrere Themen berührt, zum Beispiel bei REACH-Anfragen (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) oder umfangreicheren Nachhaltigkeits-Assessments.

Ruch Novaplast: CO2-Footprint im Anfrage-Fokus

Auch bei Ruch Novaplast gehen gehäuft Anfragen zur Nachhaltigkeit des Unternehmens und seiner Produkte ein. Ein Schwerpunkt ist hier der Produkt-CO2-Footprint, über die Scopes 1 bis 3. Das im baden-württembergischen Oberkirch ansässige Unternehmen stellt Formteile, Baugruppen und Gehäusesysteme aus Partikelschaum her. Durch Jahrzehntelange F&E im Bereich Materialwissenschaft und Verfahrensoptimierungen im Bereich Energieeffizienz und Messtechnische Ausrüstung der Prozesse können auch individuelle Anfragen kompetent beantwortet werden, beispielsweise wenn ein Kunde wissen möchte, wie hoch der CO2-Footprint für ein Wärmepumpen-Gehäuse ist, das er in großer Stückzahl beauftragen möchte und welche CO2-Reduktionspotenziale zum Beispiel über Verfahren, Energieeffizienz und Alternativen im Rohstoffbereich durch Recyclat-Anteile möglich sind.

Birgit Kunzweiler ist als Referentin der Geschäftsführung bei Ruch Novaplast für das Nachhaltigkeitsmanagement verantwortlich. Häufig beobachtet sie, dass Unternehmen ihre bisherigen Anfrageplattformen nutzen, um auch darüber Nachhaltigkeitsanfragen zu stellen. Daneben werden von den B2B-Kunden immer häufiger Nachhaltigkeitsplattformen wie CDP, Synesgy oder Integrity Next genutzt, um die Nachhaltigkeit des Kunststoffspezialisten abzufragen. In diesem Fall kommt die Nachfrage nicht vom Kunden direkt, sondern man wird von der Plattform per Mail angeschrieben. Manche dieser Anfragen sind Kunzweiler zufolge bereits sehr detailliert und erfordern Antworten auf Niveau der ESRS-Standards (European Sustainability Reporting Standards). „Die Anzahl der Anfragen wächst momentan stark“, sagt Kunzweiler.

Zentrale Beantwortung entlastet Abteilungen

Um die Antworten zu zentralisieren und die eigenen Abteilungen zu entlasten, stellt Kunzweiler sicher, dass die Berichtserstattung und Datenangaben des Unternehmens auf solchen Plattformen ausschließlich über sie abgewickelt wird. Dies ist im Unternehmen kommuniziert, entsprechend werden auch Fragenbögen zur Nachhaltigkeit – die meist im Vertrieb eingehen – an sie weitergeleitet. Kunzweiler verwaltet alle Nachhaltigkeitsanfragen, beantwortet und dokumentiert sie. Dabei kommt der Expertin zugute, dass sie momentan bereits intensiv Daten für den künftigen CSRD-Bericht sammelt.

Noch fällt das mittelständische Unternehmen nicht unter die Berichtspflicht, doch wie viele andere Anbieter macht man in diesem Jahre bereits einen internen Testlauf. „Aber auch kleinere Unternehmen, die nicht unter die CSRD-Berichtspflicht fallen, kommen nicht umhin, ihre Nachhaltigkeitsdaten zusammenzutragen“, sagt Kunzweiler. „Viele Kunden benötigen diese Informationen, also muss man sie fundiert liefern können.“ Die Expertin geht davon aus, dass auch ein regelmäßiger CSRD-Bericht die Nachfragen nicht verringern wird. „Künftig einfach den CSRD-Report hochzuladen, wird nicht funktionieren. Reporting ist das eine, die individuelle Betreuung unserer Kunden im Bereich Nachhaltigkeit das viel wichtigere“, sagt Kunzweiler.

Den Druck von Kundenseite auch einmal aushalten

Der Gesetzgeber drängt darauf, dass Unternehmen ihre Lieferanten durchleuchten. Sei es die ESG-Verordnung, die Entwaldungsrichtlinie oder das Lieferkettengesetz. Laut den Beobachtungen des Nachhaltigkeitsexperten Preis zeigt sich dabei ein Muster: „Die gesetzlichen Vorgaben werden von den Einkäufern relativ unreflektiert und unverhältnismäßig zu den Geschäftspartnern durchgereicht – ohne sinnvolle Priorisierung, ob die Lieferanten risikobehaftet sind oder nicht“, so der Experte. Insbesondere im Automobilbereich wird dies vom Verband zunehmend beobachtet. Hinzu kommt das Kettenbrief-Phänomen: „Viele Unternehmen wickeln diese Anfragen über digitale Plattformen ab, zwischen denen ein harter Wettbewerb herrscht. Die Plattformen haben ein Interesse daran, möglichst viele Nutzer auf ihre Portale zu bringen – und drängen die Lieferanten dazu, ihrerseits ihre Lieferanten an Bord zu holen“, erläutert Preis.

Der wvib rät daher dazu, eigene Anstrengungen sauber und glaubwürdig zu dokumentieren, auf Standarddokumente zu verweisen und nicht in jedes Schneeballsystem einsteigen. „Das bedeutet im Zweifelsfall auch, einen gewissen Druck von Kundenseite auszuhalten“, sagt Preis. Alles andere binde zu viele Ressourcen und mache ein Unternehmen nicht nachhaltiger.

ETO-Gruppe: Zertifizierungen werden vorausgesetzt, Lieferkette im Fokus

Auch bei der ETO-Gruppe hat die Anzahl der Fragen von Kundenseite in Bezug auf Nachhaltigkeit in den letzten Jahren markant zugenommen. Wie wichtig das Kriterium Nachhaltigkeit geworden ist, äußert sich auch darin, dass die Kunden aller Unternehmensgrößen konkrete Anforderungen an den Automobilzulieferer stellen. Alle Kunden des Unternehmens, unabhängig von ihrer Zuordnung zu den Kundensegmenten – bei ETO sind das in erster Linie die Bereiche PKW, Nutzfahrzeuge und Industrie – stellen der Firma qualifizierte Fragen zur Nachhaltigkeit.

Laut Steffi Klasser, Director Global Sustainability bei ETO, betrafen Kundenfragen im Bereich Nachhaltigkeit in der Vergangenheit eher den Zertifizierungsstand der etablierten Managementsysteme, also ISO 14001, ISO 50001 oder ISO 45001 und die Standort-Treibhausgasbilanzen. „Inzwischen werden diese Zertifizierungen von unseren Kunden als Standard vorausgesetzt und der Fokus der Kundenfragen liegt eher auf der Nachhaltigkeit unserer Lieferketten“, sagt Klasser. Dabei interessieren sich die Kunden intensiv für Themen wie Material Compliance, die Wahrung von Menschenrechten, faire Arbeitsbedingungen sowie die ökologischen Auswirkungen der Produkte, insbesondere den Product Carbon Footprint und die Recyclingfähigkeit von Bauteilen.

Nachhaltigkeitsstrategie als Ausdruck der Unternehmenswerte

Schon bevor der Themenbereich Nachhaltigkeit verstärkt in den Fokus der ETO-Kunden rückte, hatte das Unternehmen proaktiv eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, die weltweit an all seinen Standorten gültig ist. „Diese Strategie ist auch Ausdruck unserer Unternehmenswerte“, betont Klasser. Darüber hinaus wurde eine eigene Abteilung für Nachhaltigkeit ins Leben gerufen und qualifiziertes Fachpersonal eingestellt, um diesem wichtigen Thema gerecht zu werden. Damit die Bearbeitung der oftmals komplexen Kundenanfragen effizient ausgeführt werden kann, hat das Unternehmen in digitale Tools und Plattformen investiert. Zukünftig möchte ETO den Dialog mit seinen Lieferanten noch stärker integrieren – bereits zu Projektbeginn soll die nachhaltige Ausrichtung entlang der gesamten Lieferkette sichergestellt werden. „Dies ist nicht nur ein Schritt zur Verbesserung unserer eigenen Nachhaltigkeitsbilanz, sondern auch eine klare Erwartungshaltung, die unsere Kunden heute an uns stellen“, sagt Klasser.

Strukturierter interner Prozess ermöglicht konsistente Antworten

Um eine konsistente und korrekte Beantwortung von Nachhaltigkeitsfragen sicherzustellen, wurde bei ETO ein strukturierter interner Prozess etabliert. Dieser Prozess definiert klar die Zuständigkeiten für die Bearbeitung und Prüfung der Anfragen. Jede Anfrage wird sorgfältig geprüft, und die relevanten Fachabteilungen werden eingebunden, um eine fundierte und sachgerechte Antwort zu formulieren.

Auf der anderen Seite informiert die Abteilung Nachhaltigkeit proaktiv alle anderen Unternehmensbereiche zu wichtigen Nachhaltigkeitsthemen. „Damit alle Beteiligten die Chance bekommen, aus bisherigen Fragen und ETO-Antworten zu lernen, werden früher von uns ausgefüllte Fragebögen so gespeichert, dass die Bereiche, die von Kunden angesprochen werden, an diesem Wissens-Pool partizipieren können“, erläutert Klasser. „Dies fördert zusätzlich die kontinuierliche Verbesserung unserer Prozesse.“

Jetzt auf weiteren Anfrageanstieg vorbereiten

Faller Packaging, Ruch Novaplast, ETO: Die genannten Beispiele machen deutlich, dass Nachhaltigkeitsanfragen sich nicht im Vorbeigehen erledigen lassen. Sie binden Ressourcen und erhöhen die Bürokratie. Doch kein Unternehmen wird darum herumkommen. Themen zentral zu sammeln und interne Antwortsammlungen aufzubauen kann helfen, in jedem Fall ist eine zentrale Anlaufstelle – wie sie in allen genannten Firmen umgesetzt wurde – unumgänglich. Nur so lassen sich die Anfragen konsistent und effizient beantworten.

Es ist davon auszugehen, dass die Anfragen nicht abebben werden, sondern auch in Zukunft das Tagesgeschäft belasten. Die gute Nachricht: Es gibt Möglichkeiten, sich auf eine weiter zunehmende Anzahl an Kundenanfragen zur Nachhaltigkeit vorzubereiten.

„Unternehmen, die von der CSRD betroffen sind, haben ab nächstem Jahr Transparenz über relevante KPI, eine Nachhaltigkeits- und Klimastrategie und eine damit verbundene Governance sowie anschließend einen Non-financial Report. Damit sollte ein Großteil der notwendigen Informationen abgedeckt sein“, sagt Krebs. Wenn diese Informationen nicht und auch absehbar nicht vorliegen werden, könne man sich vorbereiten, indem man eine Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet und relevante Daten erhebt. „Dabei kann man sich trotzdem an den grundsätzlichen Anforderungen der CSRD als Orientierung bedienen, auch wenn keine Berichtspflicht besteht“, sagt Krebs.

Werden die Kundenanfragen an zentraler Stelle gesammelt und thematisch geclustert, sei dies eine gute Voraussetzung, um die Minimalanforderungen der Kunden zu erfüllen. Allerdings empfiehlt der Experte, an dieser Stelle noch einen Schritt weiterzudenken. „Es steckt viel Geschäftspotenzial darin, aktiv und idealerweise gemeinsam mit dem Kunden an dessen Herausforderungen zu arbeiten und damit Teil der Lösung zu werden. Das sollte Geschäft ermöglichen, aber mindestens die Kundenbeziehungen stärken“, so der Berater.