Gemeinsam für ein nachhaltiges Gesundheitswesen
Frau Krojer, als Sie Ihre Community zur Förderung von Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen gegründet haben, wurden Sie anfangs auch ein wenig belächelt. Wie erklären Sie sich das?
Als die ZUKE Green Community 2021 gegründet wurde, war das Thema Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen für viele noch nicht greifbar. Die anfängliche Skepsis gegenüber unserer Mission lässt sich auf verschiedene Faktoren zurückführen. In der Gesundheitsbranche, die traditionell stark auf Effizienz und Sicherheit fokussiert ist, wurde Nachhaltigkeit oft als „nice-to-have“ betrachtet. Nachhaltiges Handeln wurde anfangs als zusätzliche Belastung empfunden. Nicht zuletzt durch die anstehenden neuen Regelungen zur nichtfinanziellen Berichterstattung hat sich der Wind jedoch deutlich gedreht. Die Zeiten, in denen wir belächelt wurden, sind vorbei. Die Dringlichkeit des Themas wird von Tag zu Tag deutlicher.
Welche Vorteile haben berufsübergreifende, interdisziplinäre Gruppen für die Akzeptanz von Nachhaltigkeitsmaßnahmen?
Interdisziplinäre und berufsübergreifende Gruppen ermöglichen es, Nachhaltigkeitsmaßnahmen ganzheitlich und praxisnah zu gestalten. Durch die Einbindung verschiedener Disziplinen entstehen umfassendere Perspektiven und eine höhere Akzeptanz gegenüber neuen Ansätzen. Nachhaltigkeitsmaßnahmen profitieren von der Expertise, die aus unterschiedlichen beruflichen Blickwinkeln eingebracht wird – sei es aus der Pflege, der Verwaltung, dem Management oder der Technik. Die Entwicklung und Umsetzung umweltfreundlicher Praktiken kann dadurch pragmatischer gestaltet werden, da Bedenken und Verbesserungsvorschläge aus jedem Fachbereich berücksichtigt werden können. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit stärkt zudem die Veränderungsbereitschaft, da sich alle Beteiligten aktiv einbringen und die Maßnahmen von Anfang an gemeinsam gestalten können.
Unter dem Label ZUKE Green vernetzen Sie Nachhaltigkeitsmanager:innen und an Nachhaltigkeit Interessierte. Was sind kurz- und langfristige Ziele des Netzwerks?
Kurz- und mittelfristig wollen wir eine starke Community von Menschen und Unternehmen aus dem Gesundheitswesen aufbauen, um den Austausch zu aktuellen Themen, Herausforderungen und Lösungen zu fördern. Neben einem geschützten Austausch Raum für Klinik-Mitarbeitende bieten wir auch Unternehmen, die im Gesundheitswesen aktiv sind, die Möglichkeit der Community beizutreten. Ziel ist, dass sich die Unternehmen als Nachhaltigkeitspartner auch gegenseitig unterstützen und austauschen können, damit wir gemeinsam den Übergang zu einem nachhaltigen Wirtschaften schaffen. Langfristig möchten wir unseren Beitrag für eine tiefgreifende Veränderung im gesamten Gesundheitswesen erreichen und Nachhaltigkeit als Standard etablieren. Das heißt eine Kultur schaffen, die nachhaltiges Denken und Handeln in allen Bereichen des Gesundheitswesens als „normal“ versteht. Kurz: Bestenfalls werden wir nicht mehr gebraucht, da nachhaltiges Handeln selbstverständlich in allen Prozessen integriert ist.
Die größten Herausforderungen im Gesundheitswesen
Was sind die größten Herausforderungen im Alltag von Nachhaltigkeitsmanager:innen im Gesundheitswesen?
Nachhaltigkeitsmanager:innen im Gesundheitswesen stehen vor einer Vielzahl von Herausforderungen: angefangen bei der Akzeptanz der Maßnahmen bis hin zur praktischen Umsetzung in einem oft konservativen Umfeld. Ein weiteres Hindernis ist der Mangel an standardisierten Prozessen, Ressourcen, Rückhalt durch die Geschäftsführung und die Notwendigkeit, Maßnahmen an strenge Sicherheits- und Qualitätsstandards anzupassen. Die CSRD bietet eine große Chance, indem sie Unternehmen zu Transparenz im Bereich Nachhaltigkeit verpflichtet. Um die Umsetzung möglichst unkompliziert zu gestalten, unterstützt unsere Community Nachhaltigkeitsmanager:innen mit verschiedenen Austauschformaten und einer effektiven Vernetzung.
Beteiligen Sie sich auch an Forschungsprojekten?
Ja, aktuell läuft zum Beispiel ein Gemeinschaftsprojekt, in dem die Medizintechnikbranche mit Kliniken und Entsorgern an einem Tisch sitzt. Hier wird „out of the box“ gedacht, um das Thema Circular Economy voranzubringen. Sowas geht nur gemeinsam. Die Kooperation mit wissenschaftlichen Instituten ermöglicht es uns, fundierte Erkenntnisse in die Praxis zu tragen und die Wirksamkeit nachhaltiger Maßnahmen empirisch zu belegen. Diese Projekte sind ein wichtiges Instrument, um nachhaltige Lösungen nicht nur theoretisch zu entwickeln, sondern auch in der Praxis zu erproben und zu etablieren.
CSRD als Leitfaden für zukunftsorientierte Kliniken
Die meisten Vorschläge zur Rettung der Pflege sind seit Jahren: mehr Anerkennung und mehr Geld. Was tun Sie, um das Thema gesellschaftlich mehr zu stärken?
Wir konzentrieren uns nicht auf einzelne Berufsgruppen oder Sektoren des Gesundheitswesens. Durch unseren Fokus auf Nachhaltigkeit gehört der Pflegesektor aber automatisch zu unserem Handlungsfeld. Bei der Definition der Kernthemen für die nichtfinanzielle Berichterstattung stehen Themen wie die personelle Nachhaltigkeit automatisch ganz oben auf der Agenda. Das ist einer der Gründe, warum ich die CSRD nicht als Bürokratiemonster sehe, sondern als Leitfaden für zukunftsorientierte Unternehmen/ Kliniken.
Ende November veranstalteten Sie den ZUKE Green Health Kongress. Wieso haben Sie sich dafür entschieden, die Teilnahme für bestimmte Gruppen kostenlos anzubieten?
Der Green Health Kongress verfolgt das Ziel, Wissen und Best Practices zur nachhaltigen Gestaltung des Gesundheitswesens zu verbreiten. Der Kongress richtet sich an alle Akteure im Gesundheitswesen. Von den Klinikmitarbeitenden, die sich für das Thema interessieren, über Unternehmen, die selbst Teil der Lösung sein wollen, hin zu Institutionen, die unser Ziel teilen. Für Klinikmitarbeitende konnten wir den Kongress kostenfrei zugänglich machen. Damit wollten wir den Zugang zu Wissen und Vernetzungsmöglichkeiten möglichst niedrigschwellig gestalten, damit die Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen nicht an finanziellen Hürden scheitert. Wie Anfangs erläutert, ist es für Mitarbeitende im Gesundheitswesen schwer, Kostenfreigaben für Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaanpassung zu erhalten. Auch daran sieht man, dass wir im Gesundheitswesen dem Rest der Wirtschaft etwas hinterherhinken.
Vielen Dank für das Gespräch.
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