Interview mit Julia Schäfer, Schwartauer Werke

Wie macht man ein Unternehmen zur nachhaltigen Gemeinschaft? Über Nachhaltigkeit als Thema für alle, die Kunst des Stakeholdermanagements und den Nachhaltigkeitsbericht als Highlight spricht Julia Schäfer, Nachhaltigkeitsmanagerin bei den Schwartauer Werken.

Frau Schäfer, in unserem Podcast „Shifting Minds“ erzählt Alexander Kraemer, wie er Kolleg:innen in der Teeküche „auflauerte“, um an Informationen heranzukommen. Tun Sie so etwas auch?

Julia Schäfer: Nachhaltigkeitsmanagement ist Stakeholdermanagement. Wir müssen mit vielen Leuten sprechen. Je nachdem, was eine Person interessiert und was sie weiß, muss man aber unterschiedlich an sie herantreten. Ich treffe mich oft mit Kolleg:innen zum Mittagessen oder auf einen Kaffee. So versuche ich mich in verschiedene Teams „hineinzuschmuggeln“, um zu erfahren, was bei ihnen los ist. Außerdem habe ich einen guten Draht zur Geschäftsführung: Wir können uns immer per Teams anschreiben und um ein kurzes Gespräch bitten.

Wissen in allen Abteilungen, bei allen Mitarbeitenden 

Wie funktioniert das Nachhaltigkeitsmanagement bei den Schwartauer Werken?

Unsere Nachhaltigkeitsstrategie fußt auf vier Säulen: verantwortungsvolle Beschaffung, effiziente und umweltverträgliche Produktion, natürlich gesündere Produkte und engagierte Gemeinschaft. In jeder Säule übernehmen Verantwortliche aus dem Unternehmen einzelne Aufgaben und es sind verschiedene Abteilungen aktiv, zum Beispiel bei der engagierten Gemeinschaft: Hier bringen sich HR, Arbeitssicherheit und die Unternehmenskommunikation ein. Laut Jobtitel bin ich die einzige Nachhaltigkeitsmanagerin im Unternehmen. Allerdings habe ich eben viele Ansprechpartner:innen, die an Nachhaltigkeitsthemen innerhalb ihrer Abteilungen und ihres Verantwortungskomplexes arbeiten. Eigentlich sind wir im Nachhaltigkeitsmanagement also rund 970 Personen. Wir haben es geschafft, dass das Wissen in allen Abteilungen, bei allen Mitarbeitenden vorhanden ist. Nachhaltigkeit geht nämlich jede und jeden im Unternehmen etwas an.

Wir haben es geschafft, dass das Wissen in allen Abteilungen, bei allen Mitarbeitenden vorhanden ist. Nachhaltigkeit geht nämlich jede und jeden im Unternehmen etwas an.

Wie können wir uns diese Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen vorstellen?

Basierend auf ESG-relevanten Daten und Insights, wie beispielsweise unserem Corporate Carbon Footprint, vor allem aber den speziellen Emissions-Hot Spots, vereinbaren wir mit den Verantwortlichen und Kolleg:innen langfristige Ziele und entsprechende Maßnahmenpläne für den jeweiligen Bereich. So hat etwa das Team Fruchteinkauf andere spezifische Ziele als das Team Verpackungseinkauf oder die Ingenieur:innen im Bereich Produktionstechnik. Aufgrund der langen Historie des Nachhaltigkeitsmanagements bei den Schwartauer Werken von zehn Jahren sind einige Abteilungen bereits sehr selbstständig. Ich muss ihnen nicht mehr viel erklären, denn sie wissen, was zu tun ist und sie verfolgen konsequent ihre Roadmap. Häufig müssen wir nur aktuelle Fragen klären, etwa zu regulatorischen Anforderungen. In anderen Abteilungen ist Nachhaltigkeit eher neu. Hier muss ich genauer mitwirken, einen Realitätscheck machen und abstimmen, was wir erreichen wollen und was in einem Jahr möglich ist.

Nachhaltigkeit ist ein Aushandlungsprozess

Die Schwartauer Werke gehören zur Schweizer Hero Group, für die auch Sie zu 50 Prozent tätig sind. Wie ist es als Nachhaltigkeitsmanagerin im doppelten Auftrag?

Das funktioniert gut. Ich kann bei den Schwartauer Werken mit einem Fuß im operativen Geschäft tätig werden und ich spreche mit den Mitarbeitenden, die Dinge wirklich möglich machen. Bei der Hero Group habe ich übergeordnete Funktionen wie Strategiearbeit und den Kontakt zu Handelspartner:innen, zudem arbeite ich mit Datenbeauftragten und Kolleg:innen im Bereich Datenmanagement sowie Legal und Compliance zusammen. So erhalte ich einen Gesamtüberblick darüber, was im Konzern und bei unseren Stakeholdern gerade los ist, welche Themen besondere Berücksichtigung erfordern und was verschiedene Ländergesellschaften des Konzerns auf den Weg gebracht haben. Dieses Wissen kann ich später auch für den Nachhaltigkeitsbericht verwenden. Nicht zuletzt habe ich im Konzern die Bereiche Biodiversität und regenerative Landwirtschaft übernommen, wodurch ich selbst viel dazulerne. Mir gefällt die Kombination auf Ebene der Gruppe strategisch in die Zukunft zu schauen und bei den Schwartauer Werken ganz konkret zu sehen, wie diese Strategie in den Abteilungen umgesetzt wird, was gut funktioniert und wo es Justierungsbedarf gibt. Ein Nachhaltigkeitsteam allein kann ein Unternehmen nicht umdrehen. Nachhaltigkeit ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die alle Mitarbeitenden im Unternehmen nach vorne bringen.

In jedem Unternehmen gibt es Zielkonflikte. Ziehen Sie ab und zu auch den Kürzeren?

Es ist wie in jeder guten Familie: Manchmal verliert man, manchmal gewinnt man. Nicht immer kann ich alle meiner Anliegen platzieren.

Es ist wie in jeder guten Familie: Manchmal verliert man, manchmal gewinnt man. Doch meistens trifft man sich irgendwo in der Mitte, so ist es auch bei den Schwartauer Werken. Nicht immer kann ich alle meiner Anliegen platzieren. Nehmen wir das Beispiel Corny-Riegel – ein bei Konsumente:innen sehr beliebter Müsliriegel mit Schokoladenanteil. Natürlich ist Schokolade ein großer Emissionstreiber und somit etwas, was wir angehen müssen. Entsprechend der Konsumentenbedürfnisse und unseres Geschäftsmodells ist eine Einstellung schokoladenhaltiger Produkte keine Option. Der Deal lautet dann jedoch, dass wir unseren Bezug von Schokolade verantwortungsvoll ausrichten. Die Schokolade sollte nicht nur Rainforest-Alliance-zertifiziert sein, wir beteiligen uns auch an Programmen, die Themen wie Menschenrechte und Biodiversität adressieren. In diesem Aushandlungsprozess geht es nicht um Gewinnen oder Verlieren, sondern darum, gemeinsam eine Lösung zu finden, die für alle funktioniert.

Der Nachhaltigkeitsbericht als Highlight des Unternehmens

Schon seit 2014 veröffentlichten die Schwartauer Werke einen Nachhaltigkeitsbericht. Welchen Stellenwert hat das in Ihrem Unternehmen?

Unser Nachhaltigkeitsbericht ist immer ein Highlight, weil darin viele Geschichten von engagierten Mitarbeitenden stehen. Es ist mir besonders wichtig, dass dieser Bericht umfangreich ist und nicht nur KPIs wie Wassereinsparung oder Emissionsreduktion beinhaltet, sondern unsere Entwicklungen in Beispielen dokumentiert. Ich reichere ihn daher mit kleinen und großen Geschichten aus der Praxis an, um unseren Mitarbeitenden und ihren Projekten eine Bühne zu geben. Egal, wie groß oder klein diese Projekte sind, sie zahlen auf die gemeinsame Sache ein. Deshalb fragt unsere Kollegin aus der Unternehmenskommunikation regelmäßig, was in einzelnen Bereichen aktuell passiert und wie sie zu den Nachhaltigkeitszielen beitragen. In der Vorbereitung für den Nachhaltigkeitsbericht schauen wir uns diese Protokolle an, danach gehe ich in Interviews mit Verantwortlichen, Abteilungsleiter:innen, aber auch Mitarbeitenden und Auszubildenden, um genau zu erfahren, was sie unternommen haben und welchen Impact sie damit haben. Wir wollen eine Gemeinschaft im Unternehmen schaffen, in der sich alle als Teil dieser Reise fühlen.

Unser Nachhaltigkeitsbericht ist immer ein Highlight, weil darin viele Geschichten von engagierten Mitarbeitenden stehen.

Viele Nachhaltigkeitsmanager:innen beschweren sich über die neue Dominanz des Nachhaltigkeitsberichts bei ihrer Arbeit. Wie nehmen Sie das wahr?

Der Nachhaltigkeitsbericht ist das Abfallprodukt des Nachhaltigkeitsmanagements. Oft müssen wir uns – etwa durch neue CSRD-Auflagen – mit vielen neuen Dingen auseinandersetzen. Aktuell haben wir für viele Datenpunkte noch kein System zur Erfassung und Auswertung. Das heißt, es werden noch drei oder vier holprige Jahre, bis wir einen neuen Standard erreicht haben. Wenn wir dann ein umfangreiches Set an Strategien und KPIs haben, können wir uns neue Maßnahmenpläne überlegen, diese in einzelne Abteilungen geben und in diesem Bereich besser werden . Es ist anstrengend, dort hinzukommen, aber nur solange es neu ist. Irgendwann wird das alles für uns selbstverständlich sein. Umso wichtiger ist es, die Berichterstattung nicht einfach an eine:n Nachhaltigkeitsmanager:in zu delegieren, der den Bericht im Stillen erstellen soll – ohne jemandem auf die Füße zu treten. Wir wollen die Berichterstattung auf viele Beine stellen. Und deshalb muss und kann ein:e einzelne:r Nachhaltigkeitsmanager:in eben nicht alles von Technik über Einkauf und Menschenrechten hin zu Wasser und Circular Economy, Biodiversität und Arbeitssicherheit wissen und noch allein darüber berichten. Als Nachhaltigkeitsmanagerin für diebei Schwartauer Werke und die Hero-Gruppe arbeite ich vielmehr als interner Consultant, um den Abteilungen ihre Themen zuzuordnen  und sie auf dieser Reise zu unterstützen.

Woran wollen Sie sich als Nachhaltigkeitsmanagerin gerne messen lassen?

Als ich vor rund zweieinhalb Jahren bei den Schwartauer Werken angefangen habe, startete ich umgehend eine Umfrage mit allen Mitarbeitenden. Ich habe sie unter anderem gefragt, ob sie eigentlich unsere Nachhaltigkeitsstrategie und unsere Ziele kennen und welche Motivation sie selbst haben. Ich wollte verstehen, wo das Unternehmen und seine Mitarbeitenden aktuell stehen. Einige Menschen sind schon sehr weit, andere noch nicht und wiederum andere verhindern das alles vielleicht. Ich wiederhole diese Frage jedes Jahr, um zu tracken, welchen Einfluss ich habe. Wenn immer mehr Menschen unsere Strategie und Ziele kennen, wenn sie wissen, wie sie darauf einzahlen können, ist das ein KPI, an dem ich mich messen lasse. Natürlich ist es auch wichtig, das obere Management auf meiner Seite zu haben. Entscheidend ist jedoch, dass diese Ziele in Maßnahmen übersetzt werden und wirklich dort ankommen, wo die Magie passiert.


Schlagworte zum Thema:  Nachhaltigkeitsmanagement, Unternehmen