ESG-Managementsysteme richtig auswählen und einsetzen

Mit Inkrafttreten der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sind allein in Deutschland mehr als 15.000 Unternehmen verpflichtet, umfassende Nachhaltigkeitskennzahlen zu erheben und entsprechende Transformationsanstrengungen nachzuweisen. Im Maximalfall müssen 1.144 Datenpunkte erfasst werden. Der Einsatz digitaler ESG-Managementsysteme erscheint nahezu unumgänglich. Doch wie wählt man das passende System aus und integriert es erfolgreich in die bestehende IT-Landschaft?

Kernfunktionen eines ESG-Managementsystems

Managementsysteme im Allgemeinen dienen der Unterstützung strategischer Ziele, indem sie die Unternehmensaktivitäten durch klar definierte Steuerungs- und Kontrollinstrumente zielgerichtet koordinieren (vgl. Hoppe/ Krause 2017). Im Bereich der Nachhaltigkeit übernehmen ESG-Managementsysteme diese Aufgabe zugeschnitten auf die Anforderungen der ökologischen, sozialen und unternehmerischen Verantwortung. Diese Systeme sollen es Unternehmen ermöglichen, ökologische und soziale Aktivitäten sowie Aspekte der ordnungsgemäßen Unternehmensführung strategisch zu planen, zu messen, zu dokumentieren und zu steuern. So fördern sie im Idealfall die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung (vgl. Schaltegger et al. 2007). Im Kontext der CSRD gehen die von Experten geforderten Funktionen noch weiter: Sie sollen nicht nur die digitale Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben unterstützen, sondern auch die systematische Berücksichtigung von Stakeholderansprüchen sowie die Reduzierung negativer Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf Mensch und Umwelt (vgl. Ackermann et al. 2013).

Praktische Anforderungen an ESG-Managementsysteme

Um die Anforderungen der Theorie mit der praktischen Realität abzugleichen, haben im Jahr 2024 durchgeführte Experteninterviews mit Nachhaltigkeitsmanager:innen gezeigt, dass ein ESG-Managementsystem insbesondere eine standardkonforme Erfassung und Auditierung der geforderten Nachhaltigkeitskennzahlen ermöglichen sollte. Ziel ist eine transparente und qualitativ hochwertige Berichterstattung nach internationalen Standards, die durch Plausibilitätsprüfungen und Freigabeprozesse unterstützt wird. Darüber hinaus wünschen sich die befragten Unternehmen intelligente, echtzeitfähige Lösungen, die über das Reporting hinaus als strategisches Medium zur aktiven Zielverfolgung dienen. Dies umfasst die Steuerung von Maßnahmen, Szenarien, Risiken und Initiativen sowie die transparente Kommunikation der Ergebnisse über geeignete Dashboards an interne und externe Stakeholder (vgl. Rautenberg 2024).

Die Grundstruktur eines ESG-Managementsystems lässt sich anhand eines Modells - dem Haus des ESG-Managementsystemkonzepts - anschaulich darstellen. Dieses Schaubild visualisiert die zentralen Bausteine und Zusammenhänge, die für eine erfolgreiche Implementierung und Nutzung eines ESG-Managementsystems wesentlich sind (vgl. ebd.).

Rautenberg: Haus der ESG-System-Konzeption

Kriterien zur Auswahl eines ESG-Managementsystems

Aufgrund der Neuartigkeit von ESG-Managementsystemen gibt es derzeit keine allgemeingültigen Richtlinien für deren Auswahl. Aus theoretischen Grundlagen erster Forschungen und praktischen Erfahrungen lassen sich jedoch folgende Kriterien für die Einführung und Auswahl des Systems ableiten:

  1. Gesetzeskonformität: Das System muss den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und nach dem anerkannten Stand von Wissenschaft und Praxis konzipiert sein. Es sollte aus einer Soll-Ist-Analyse hervorgehen und zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele beitragen, indem es seinen Wertbeitrag und die gesetzten Ziele messbar und überprüfbar darstellt und kontinuierlich überwacht.
  2. Risikomanagement: Das System sollte Risiken für relevante Zielabweichungen und Regelverstöße mit hinreichender Sicherheit identifizieren und diese prophylaktisch verhindern.
  3. Dokumentation und Implementierung: Das System ist in der Aufbau- und Ablauforganisation einschließlich der Prozessabläufe und -zusammenhänge dokumentiert und wird durch die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen und Komponenten entsprechend eingeführt.
  4. Prozessautomatisierung: Die Effizienz des Systems wird durch Automatisierung und Workflow-Management erreicht.
  5. Akzeptanz und Integration: Durch geeignete Kommunikation, Gestaltung und Integration in die internen und externen Abläufe und Anforderungen der Organisation wird Systemakzeptanz geschaffen und damit langfristig die gewünschte Systemnutzung erreicht.

Praxiserfahrungen zeigen zudem, dass die Einführung von ESG-Managementsystemen häufig durch explizite Kundenforderungen nach Nachhaltigkeitskennzahlen, zum Beispiel Product und Corporate Carbon Footprint, die Bedienung der Marktnachfrage nach nachhaltigen Produkten und Unternehmenswerten sowie die effiziente Erfüllung von CSRD-Anforderungen motiviert ist. Unternehmen erwarten mittelfristig Effizienz- und Innovationspotenziale, um einen positiven Return on Investment sicherzustellen.

Vorbereitungsschritte für eine erfolgreiche Implementierung eines ESG-Managementsystems

Die Einführung eines ESG-Managementsystems erfordert eine sorgfältige Vorbereitung, um eine effektive und nachhaltige Umsetzung zu gewährleisten. Besonders wichtig ist es, die richtigen Grundlagen zu schaffen, um spätere Herausforderungen zu minimieren. In der Praxis haben sich folgende Schritte bewährt:

  1. Datenpunkte und Datenquellen festlegen: Je genauer die benötigten Datenpunkte und deren Quellen von Anfang an definiert sind, desto einfacher gestaltet sich die Auswahl und Integration des passenden ESG-Managementsystems. Ein klarer Überblick über bestehende Datenstrukturen und Zuständigkeiten ist dabei unerlässlich.
  2. Doppelte Wesentlichkeitsanalyse durchführen: Eine bewährte Faustregel ist, vor der Auswahl eines ESG-Managementsystems eine doppelte Materialitätsanalyse durchzuführen. Dieser Schritt hilft, die wesentlichen ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Themen sowohl aus Sicht des Unternehmens als auch aus Sicht der Stakeholder zu identifizieren. Dies schafft eine solide Grundlage für die spätere Systemauswahl.
  3. Pilotphase nutzen: Ein erster freiwilliger Bericht, zum Beispiel mithilfe eines Tools wie Excel kann helfen, Datenquellen und Verantwortliche zu dokumentieren und Prozesse zu testen. Viele Unternehmen erkennen in dieser Phase jedoch schnell die Grenzen manueller Lösungen - insbesondere hinsichtlich Datenqualität, Konsistenz und Prozesstransparenz - und entscheiden sich für eine systemische Unterstützung.
  4. Management Commitment sicherstellen: Die aktive Unterstützung des Managements ist entscheidend, um die Einführung strategisch zu verankern und die notwendige Priorisierung sicherzustellen.
  5. Verantwortlichkeiten klären und Rollen definieren: Klare Verantwortlichkeiten und die Definition der Systembenutzer sowie deren Rollen und Zugriffsrechte sind ein weiterer Schlüssel für eine reibungslose Implementierung.
  6. Ressourcen bereitstellen: Die erfolgreiche Einführung eines ESG-Managementsystems erfordert ausreichende finanzielle, personelle und technische Ressourcen. Eine realistische Ressourcenplanung erleichtert die Umsetzung und sichert eine nachhaltige Nutzung.
  7. Prozesse vorbereiten: Definieren Sie die relevanten Prozesse, die durch das ESG-Managementsystem abgebildet oder unterstützt werden sollen. Eine saubere Prozessvorbereitung ist eine wesentliche Grundlage für die spätere Automatisierung und Integration in bestehende IT-Landschaften.

ESG-Managementsysteme einführen: Ohne IT, Management und externe Stakeholder geht es nicht

Ein strukturiertes Vorgehen bei der Vorbereitung erleichtert nicht nur die Auswahl des ESG-Managementsystems, sondern bereitet auch die spätere Integration in die IT- und Organisationsstrukturen optimal vor. Dabei ist zu beachten, dass die Einführung keine isolierte Aufgabe des Nachhaltigkeitsteams ist. Vielmehr erfordert sie die Zusammenarbeit mehrerer zentraler Unternehmensbereiche, um erfolgreich zu sein.

Drei wesentliche Faktoren machen die Einbindung weiterer Abteilungen notwendig. Da ESG-Managementsysteme Software-Tools sind und eine Erweiterung der IT-Landschaft darstellen, ist die Einbindung der IT-Abteilung unerlässlich. Insbesondere bei der Automatisierung des Informationsflusses über Systemintegrationen wird die strategische Ausrichtung der IT direkt beeinflusst. Darüber hinaus integriert die CSRD nichtfinanzielle Informationen in den Lagebericht, sodass die Erfassung und Bewertung von ESG-Kennzahlen zukünftig unterliegt. Wirtschaftsprüfer, Finanzabteilung und Management sollten daher in die Systemauswahl einbezogen werden. Darüber hinaus erfordert der doppelte Wesentlichkeitsansatz die Einbeziehung interner Stakeholder sowie externer Stakeholder wie Lieferanten, Kunden oder die direkte Nachbarschaft der Standorte. Ein ESG-Managementsystem sollte die Zusammenarbeit mit internen Stakeholdern unterstützen und die Kommunikation mit externen Stakeholdern ermöglichen, zum Beispiel durch ein Lieferantenportal zur Scope-3-Datenerhebung.

Fazit

Auch wenn es derzeit keinen allgemeingültigen Leitfaden für die Auswahl von ESG-Managementsystemen gibt, lassen sich aus Forschung und Praxis wertvolle Hinweise ableiten. Ein ESG-Managementsystem sollte nicht nur der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen der CSRD und der nichtfinanziellen Berichterstattung dienen, sondern als strategisches Steuerungsinstrument die nachhaltige Transformation des Unternehmens unterstützen. Unternehmen profitieren insbesondere von Systemen, die in der Lage sind, Kundenanfragen, etwa nach dem Product Carbon Footprint, zu bedienen. Bei der Auswahl des Systems ist die Einbindung von IT, Finanzabteilung, Management und verschiedenen Stakeholdern entscheidend. Die Einführung kann optimal vorbereitet werden, indem relevante Datenpunkte, Stakeholder und Erfassungsprozesse im Vorfeld klar definiert werden.