Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

Eine aktuelle Studie zeigt, dass der nachhaltige Umbau der Chemieindustrie hohe Investitionen erfordert – aber auch großes Potenzial für Umwelt und Kostenreduktionen birgt. Wie wird der grüne Wandel für Chemieunternehmen zu einem Anwendungsfall?

Ob Kunststoffe für Autos, Düngemittel für die Landwirtschaft oder Arzneimittel – die Chemieindustrie liefert unverzichtbare Produkte, die aus unserem Alltag nicht wegzudenken sind. Doch der Sektor steht vor einer gewaltigen Herausforderung: Er ist einer der größten Verursacher von CO2-Emissionen weltweit. Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zur Energiegewinnung und als Rohstoffquelle führt zu erheblichen Treibhausgasemissionen. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach chemischen Produkten stetig. Diese Entwicklung steht im Widerspruch zu den globalen Klimazielen, die eine drastische Reduktion der Emissionen fordern. 

Die Defossilisierung der Chemieindustrie ist mit Blick auf diese Implikationen dringend erforderlich. Unternehmen müssen neue Wege finden, um ihre Produktion nachhaltiger zu gestalten und gleichzeitig die steigende Nachfrage zu bedienen. Und das verlangt erhebliche Mittel: Einer Studie von PwC und der University of Technology Sydney (UTS) zufolge benötigt der Sektor bis 2040 Investitionen von bis zu 1 Billion US-Dollar und bis 2050 bis zu 3,3 Billionen US-Dollar für die Netto-Null-Transformation. Doch genau hier liegt auch eine große Chance: Durch den Einsatz erneuerbarer Energien, grüner Rohstoffe und die Elektrifizierung der Prozesse kann die Chemieindustrie nicht nur ihre Emissionen senken, sondern auch langfristig effizient sein und Kosten sparen.

Von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien

Um CO2-Emissionen zu senken, gibt es laut der Studie drei entscheidende Hebel: erneuerbare Energien für Wärmeprozesse, die Elektrifizierung und grüne Rohstoffe. Erneuerbare Energien bieten eine vielversprechende Möglichkeit, die CO2-Emissionen in der Chemieproduktion zu reduzieren. Durch den Einsatz von elektrischen Dampferzeugern und Wärmepumpen, die mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben werden, können Unternehmen die benötigte Prozesswärme nachhaltig erzeugen. 

Die Elektrifizierung der Produktionsprozesse ist ein zentrales Puzzleteil für die nachhaltige Transformation der Branche. Klassische Steamcracker, die bisher mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, müssen durch elektrische Steamcracker ersetzt werden. Diese nutzen Strom aus erneuerbaren Quellen und tragen so zur Reduktion der CO2-Emissionen bei.

Der finale und sehr wesentliche Hebel ist die Nutzung grüner Rohstoffe. Anstelle von fossilen Rohstoffen wie Erdgas und Rohöl können Chemieunternehmen in vielen Fällen auf Biomasse und grünen Wasserstoff zurückgreifen. Ein Beispiel hierfür ist die Produktion von Ammoniak, das traditionell aus Erdgas gewonnen wird. Mithilfe von grünem Wasserstoff, der durch Elektrolyse mit erneuerbarer Energie erzeugt wird, können die Emissionen erheblich reduziert werden. Auch die Herstellung von Aromaten wie Benzol, Toluol und Xylol wird durch die Nutzung von Biomasse oder synthetischem Naphtha deutlich nachhaltiger. 

Langfristige Einsparungen durch nachhaltige Technologien

Die Marginal Abatement Cost Curves (MACCs) in der Studie zeigen, dass nachhaltige Produktionsmethoden nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich vorteilhaft sind. Diese Kurven verdeutlichen die Kosten und Einsparpotenziale verschiedener CO2-Reduktionsmaßnahmen und wie sich diese über die Zeit entwickeln. 

Ein Beispiel hierfür ist die Elektrifizierung der Produktionsprozesse. Zu Beginn sind die Investitionen in elektrische Technologien hoch, doch die PwC-Studie zeigt, dass diese Kosten mit der Zeit deutlich sinken. Bis 2040 könnten die Emissionen aus elektrischen Prozessen nahezu vollständig eliminiert sein, was langfristig zu erheblichen Kosteneinsparungen führt. Die Elektrifizierung stellt somit eine wirtschaftlich attraktive Option dar, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. 

Ähnlich verhält es sich mit dem Einsatz von grünem Wasserstoff. Anfangs sind die Kosten für die Produktion und Nutzung von grünem Wasserstoff hoch. Doch die PwC-Studie zeigt, dass technologische Fortschritte und Skaleneffekte diese Kosten im Laufe der Zeit senken werden. Grüner Wasserstoff kann fossile Brennstoffe in der Produktion ersetzen und somit die CO2-Emissionen drastisch vermindern. Langfristig führt dies zu erheblichen Kosteneinsparungen und macht die Investition wirtschaftlich sinnvoll.

Geringe Preissteigerung bei Endprodukten, großer Effekt für die Umwelt

Nachhaltige Produktionsmethoden haben in der Chemieindustrie nur einen geringen Einfluss auf die Preise vieler Endprodukte: Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle PwC-Studie. Eine entscheidende Erkenntnis, da sie die wirtschaftliche Machbarkeit der Defossilisierung unterstreicht. Grüne Chemikalien wie Methanol und Ethylen, die mit erneuerbaren Energien und grünen Rohstoffen hergestellt werden, verursachen nur minimale Preissteigerungen bei den Endprodukten. 

Beispielsweise führt der Einsatz von grünem Methanol in der Pharmaindustrie zu einer Preisänderung von lediglich 0,003 Prozent bei Ephedrin, während gleichzeitig eine Reduktion der CO2-Emissionen um 5 Prozent erreicht wird. Ähnlich verhält es sich bei der Nutzung von grünem Ethylen in der Herstellung von Laufschuhen, wo die Preisänderung nur 0,3 Prozent beträgt, aber die Emissionen um 8 Prozent gesenkt werden. Diese geringen Preisänderungen verdeutlichen, dass nachhaltige Produktionsmethoden wirtschaftlich tragfähig sind, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht beeinträchtigen und sogar Umsatzsteigerungen durch grüne Premiumprodukte ermöglichen. 

Der Einfluss nachhaltiger Maßnahmen auf die Endproduktpreise ist somit begrenzt, während die Vorteile für die Umwelt und die Wirtschaft erheblich sind. Diese Erkenntnisse verdeutlichen, dass die Chemieindustrie durch den Einsatz erneuerbarer Energien, grüner Rohstoffe und die Elektrifizierung ihrer Prozesse eine Schlüsselrolle im nachhaltigen Wandel spielen kann. Nicht nur für sich selbst sondern für viele nachgelagerte Industrien.

Über die Studie „Neue Pfade zu einer emissionsfreien Chemieindustrie“ 

Die Defossilisierungspfade für die G20-Länder und das globale Szenario wurden mit dem One Earth Climate Model (OECM) berechnet – mit der Anforderung, dass das verbleibende Gesamt-Kohlenstoffbudget zwischen 2020 und 2050 500 Gigatonnen CO2 nicht überschreiten darf, wenn der mittlere globale Temperaturanstieg auf 1,5 °C begrenzt werden soll (mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent). Das OECM ist ein integriertes Energiebewertungsinstrument, das das gesamte Energiesystem eines Landes oder einer Region abdeckt und in 16 branchenspezifische Sektoren unterteilt ist. Die Methodik wurde vom Institute for Sustainable Futures der University of Technology Sydney mit Unterstützung des Instituts für vernetzte Energiesysteme und Energiesystemanalyse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt sowie in enger Zusammenarbeit mit dem Finanzsektor der Net-Zero Asset Owner Alliance der Vereinten Nationen und den United Nations Principles for Responsible Investment entwickelt. 

Die sektorale Aufteilung basiert auf dem Global Industry Classification Standard (GICS) und umfasst technische Prozesse wie Stahl-, Aluminium- und Zementproduktion sowie verschiedene Energieerzeugungstechnologien. Nationale Industriesektoren wurden im Rahmen der Entwicklung des nationalen Energieszenarios von unten nach oben berechnet, wobei angenommen wird, dass ihre globalen Marktanteile bis 2050 konstant bleiben. Die jährlichen energiebezogenen CO2-Emissionen aller G20-Länder werden kombiniert, um die gesamten Emissionen zu berechnen und mit den globalen Emissionen zu vergleichen.

Zur Studie



Schlagworte zum Thema:  Nachhaltigkeit, Unternehmen