Banken: Herausforderungen für die ESG-Datenbeschaffung

Die Reform der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist eine willkommene Erleichterung für die Wirtschaft. Für die Finanzbranche erschwert sie allerdings den Zugang zu ESG-Daten. Welche Möglichkeiten Banken nun haben und warum die Reform auch eine Chance für die Transformation der Wirtschaft ist, erläutert Holger Wußler, Partner im Bereich Financial Services bei KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Mit den sogenannten Omnibus-Vorschlägen zur Reform der CSRD will die EU-Kommission das Nachhaltigkeitsreporting entbürokratisieren. Zwei Änderungen sind besonders wichtig: Erstens sollen rund 80 Prozent der bislang berichtspflichtigen Unternehmen von der CSRD „befreit“ werden. Und zweitens soll der Umfang der Daten, die gemäß European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zu erheben sind, deutlich gesenkt werden. Für Banken ist dies keine Erleichterung, sondern eine Herausforderung, denn sie haben nach wie vor einen hohen Informationsbedarf: Ein Großteil der portfoliobezogenen CSRD-Daten wird aufgrund anderer Vorgaben wie etwa den Offenlegungspflichten gemäß Capital Requirements Regulation oder den Leitlinien zum Management von Nachhaltigkeitsrisiken der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde gebraucht. Die Finanzinstitute müssen im Kreditprozess also intensiver nachhaltigkeitsbezogene Daten erheben, um die ESG-Konformität ihres Portfolios zu beurteilen. Jedoch führen der verkleinerte CSRD-Anwendungsbereich und das reduzierte Datenpunkte-Set für die Industrie, dazu, dass den Instituten wichtige Informationsquellen wegbrechen, auf die sie gesetzt haben.

Wie Banken zu ESG-Daten kommen

Die Institute müssen sich somit die Nachhaltigkeitsdaten auf anderen Wegen beschaffen. Grundsätzlich sind drei Optionen denkbar. Die erste wäre: Die Banken erheben die Daten von ihren Kunden im Rahmen der Kreditvergabe selbst. Das erscheint naheliegend. Allerdings sorgt das für hohe Zusatzaufwände. Außerdem erfordert es ein spezielles Know-how bei Mitarbeitern. Banken müssen in diesem Fall erst einmal in Kapazitäten und Kompetenzen investieren. Eine weitere Herausforderung ist der Wissensstand der Kunden. Ein Mittelständler wird im Beratungsgespräch zwar problemlos Auskunft zu Umsatz und Liquidität geben können. Wird er aber nach den Treibhausgasemissionen oder dem Gender-Pay-Gap gefragt, hat er darauf wahrscheinlich keine Antwort parat.

Die zweite Option ist, die ESG-Informationen von Datenanbietern erfassen zu lassen. Als Beispiel können hier die OpenESG GmbH oder die Schufa Holding AG genannt werden. Und es gibt eine Reihe weiterer Anbieter, die sich auf die Bankenbranche spezialisiert haben und für diese ESG-Daten erheben.

Die dritte Option ist, abzuwarten, ob auf europäischer Ebene noch etwas passiert. Es gab in der EU einst Pläne, einen ESG-Datenpool aufzubauen. Wie das aussehen könnte, hat Österreich vorgemacht: Dort wurde im Auftrag der Regierung ein zentraler Datenpool geschaffen, der allen offensteht. Die Unternehmen laden ihre Daten hoch und legen fest, welche Banken diese einsehen dürfen. Die Banken wiederum zahlen dann eine Servicegebühr an den Betreiber, wenn sie die Daten abrufen. Zuletzt ist es um den EU-Datenpool allerdings sehr still geworden. Es ist daher fraglich, ob er wirklich umgesetzt wird. Somit erscheint die zweite Option – Servicepartner erheben die Daten gemäß den Anforderungen der Banken – am naheliegendsten.

Standardisierter ESG-Datenkatalog hilfreich

Die eingangs beschriebene Reduzierung der Datenpunkte führt dazu, dass sich künftig jede Bank überlegen muss, welche ESG-Informationen sie erfassen will. Um das zu vereinfachen und Synergien zu schaffen, ist ein standardisierter Katalog von ESG-Daten wünschenswert, denn Banken haben einen zu rund 80 Prozent identischen Datenbedarf an ESG-Informationen. Dies verbessert die Vergleichbarkeit und vereinfacht auch die Datenabfrage aus Sicht der Kunden. Das könnte beispielsweise ein von Bankenverbänden entwickelter Katalog sein, erste Vorschläge hierzu wurden in der Vergangenheit bereits veröffentlicht. Für die Unternehmen, die künftig nicht mehr berichtspflichtig sind, aber freiwillig ein CSR-Reporting veröffentlichen wollen, liefern die VSME-Standards (Voluntary Sustainability Reporting Standard for non-listed SMEs) ein geeignetes Gerüst, auf dem auch die Banken mit ihren Datenbedarfen aufsetzen könnten.

Banken sollten die Verschnaufpause nutzen

Die Omnibus-Vorschläge bringen der Wirtschaft eine unerwartete Verschnaufpause. Während die Finanzbranche nun zwar einerseits, wie beschrieben, vor neuen Herausforderungen steht, kann sie andererseits auch profitieren: Die Verschnaufpause bietet Banken jetzt die Möglichkeit, eine skalierbare Lösung für die Datenbeschaffung aufzusetzen. Zudem ist die Reform eine gute Gelegenheit für Banken, die eigenen Ambitionen in Sachen Nachhaltigkeit zu überprüfen. Nach dem Inkrafttreten der CSRD-Richtlinie auf EU-Ebene hatten die Finanzinstitute weniger als zwei Jahre Zeit, um sie umzusetzen. Dabei haben die großen Banken, die 2025 erstmals einen CSRD-konformen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen müssen, gemerkt, dass der Anspruch an die Daten und deren Qualität sehr viel höher ist als erwartet. Deswegen haben sie sich auf die ordnungsgemäße Erstellung der ersten CSRD- Berichterstattung fokussiert, für eine nachhaltigere Ausrichtung fehlten ihnen oftmals die Ressourcen und die Zeit. Die zusätzliche Zeit sollten sie daher nutzen, um die eigenen Steuerungsmöglichkeiten zu verbessern und so die grüne Transformation der Wirtschaft voranzutreiben.

Die Omnibus-Vorschläge ermöglichen vielen Unternehmen einen Bürokratieabbau. Ihre Entlastung stellt die Finanzbranche zunächst vor neue Herausforderungen. Gleichwohl sollten Banken die Reform auch als Chance verstehen, den eigenen Nachhaltigkeitskurs zu justieren.


Schlagworte zum Thema:  ESG (Environmental Social Governance), CSRD