Interview Sowa und Lotter über Transformation

„Transformation“ ist dabei, zum Schreckgespenst zu werden. Und jede:r interpretiert den Begriff, wie es gerade passt. Oliver Sowa und Wolf Lotter wollen Klarheit in die Diskussion bringen. „Es geht darum zu wissen, was man tut und warum man es tut“, sagen die beiden. Und darum, alles zu beenden, was dem Ziel im Wege steht - Strukturen, Prozesse, Bürokratie.

Wir wollen über Transformation sprechen. Transformation ist mittlerweile ein Containerbegriff, in den jeder reinsteckt, was er möchte. Herr Sowa, wie beschreiben Sie als Geschäftsführer Transformation?

Oliver Sowa: Für mich bedeutet Transformation, dass die Unternehmensleitung und die Führungskräfte die Zusammenhänge erkennen, ganz im Sinne von Wolf Lotter. Dass sie klar analysieren, wo eigentlich das Problem liegt, das es zu lösen gilt. Transformation, also die Umgestaltung beziehungsweise Weiterentwicklung einer Organisation, ist kein Selbstzweck. Es geht um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Und das bedingt, dass die Unternehmensleitung sich tief in die Organisation begeben muss, dorthin, wo gearbeitet wird, wo die Späne fallen. Nur so kann sie verstehen, was das Unternehmen kann und was es nicht kann. Und was der Entwicklung im Weg steht. Das müssen die Verantwortlichen dann abschaffen. Transformation bedeutet recherchieren, analysieren, nachdenken und handeln.

Wolf Lotter: Transformation bedeutet, dass Menschen in Organisationen selbständig arbeiten können und dass sich alle bewusst machen, was sie überhaupt tun. Das ist die eigentliche Arbeit. Es wird wahnsinnig viel herumgeredet und jeder benutzt den Begriff, wie er es gerade braucht. Oliver Sowa und ich wollen klarmachen, dass es im Kern um Selbständigkeit geht und um die Fähigkeit zu wissen, was man tut. Das ist die Transformation in der Organisation.

Transformation über Klima hinaus

Transformation ist nicht der einzige Containerbegriff, mit dem wir es hier zu tun haben, es gibt noch Führung, Digitalisierung, Arbeit, Leistung … Sie beide arbeiten an einem gemeinsamen Buch, das im kommenden Jahr erscheinen wird. In dem unternehmen Sie Begriffsbestimmungen. Wie wichtig ist ein möglichst breites gemeinsames Verständnis und wie viel Vielfalt ist dabei erstrebenswert?

Lotter: Vielfalt ist sehr gut beim Machen und extrem schlecht bei der Interpretation. Das ist einer der Gründe, warum nichts passiert. Wir müssen jeden Begriff auf seine eigentliche Bedeutung abklopfen, das ist eine ganz wichtige Aufgabe. Denn Sinn dahinter finden, und diesen Sinn dann in den Kontext des Handelns stellen. Verstehen, wie die Welt aussieht und welche Probleme wir gestalten müssen. Es fängt beim Begriff Transformation an. Der wird in Deutschland fast ausschließlich im ökologischen Sinn gebraucht. Ich bedaure das, denn damit fällt die Organisationstransformation seitlich runter, genau wie die Transformation der Arbeit. Dabei ist die Antwort auf die Frage, was Arbeit heute ist im Vergleich zur Zeit vor 30, 40 oder 100 Jahren enorm wichtig. Denn wir haben Strukturen, die ungleichzeitig wachsen. Wir tun so, als gingen wir alle noch zur Schichtarbeit in die Fabriken, dabei leben wir schon längst in der Wissensökonomie. Die Regeln für die Arbeit in der Industrieökonomie passen nicht mehr. Doch wenn wir die Dinge falsch benennen, rennen wir in die Irre oder im Kreis herum. Und genau das tun wir in Deutschland seit Jahren. Deshalb müssen wir klar herausarbeiten, was diese Transformation in Arbeit, in Bildung, in Organisation, in Führung bedeutet und worüber wir reden.

Die Aufgabe des Managements ist, klar zu denken, die Probleme zu erkennen, nach Lösungen zu suchen und das den Menschen immer wieder zu erklären.
Oliver Sowa

Sowa: Bestes Beispiel ist die Digitalisierung. Jeder denkt dabei an die Technik. Obwohl es um die kulturellen, organisatorischen Themen geht. Darum, Probleme zu erkennen und zu lösen. Die digitale Technik ist nur das Werkzeug, das dabei hilft. Wer das Problem und den Kontext nicht erkennt, stößt mit neuen digitalen Anwendungen irgendetwas an und stiftet im schlimmsten Fall noch mehr Chaos und Lähmung. Die Aufgabe des Managements ist, klar zu denken, die Probleme zu erkennen, nach Lösungen zu suchen und das den Menschen immer wieder zu erklären. Das ist keine Raketenwissenschaft, sondern Management und Führung.

Sie werden Anfang des kommenden Jahres an unterschiedlichen Orten Workshops zur „Transformation im Mittelstand“ durchführen. Gibt es spezifische Aufgaben, vor denen der Mittelstand steht? Warum legen Sie den Fokus auf den Mittelstand?

Lotter: Der Mittelstand ist, mit den Kleinunternehmen, der unternehmerischste Teil in der gesamten Organisationslandschaft. Dort versteht man am schnellsten, dass Veränderungen etwas bringen und dass selbständiges Arbeiten etwas bringen.
Deshalb richten wir uns klar auf diese große Masse an guten und schnellen Unternehmen aus. Auf Unternehmen, die sich nicht hinter Phrasen verstecken, sondern die konkret handeln wollen. Die etwas reißen wollen, was wir heute scheinbar nicht mehr hinkriegen. Es ist wichtig, diese Hidden Champions, die Unternehmen, die das können und wollen zu ermutigen und ihnen zu sagen „Wir fangen jetzt an, Freunde, und Ihr steht im Licht. Und nicht immer nur die, die über euch reden“.

Haufe Impulse: Transformation

Was bedeutet Transformation? Und wie gestalten Unternehmen sie erfolgreich? Antworten auf diese Fragen geben Oliver Sowa und Wolf Lotter bei „Haufe Impulse: Transformation“ in Essen, Deggendorf und Linz. Workshops, eingerahmt von einer Keynote und viel Zeit zum Austausch, führen in den Kern der Transformation.

Termine:

  • 30. Januar 2025 Essen, Zeche Zollverein
  • 27. Februar 2025 Deggendorf, Hochschule Deggendorf
  • 25. März Linz, Tabakfabrik

Preis: 499 Euro

Mehr Informationen und Anmeldung zu Haufe Impulse: Transformation.

Was dürfen die Teilnehmer von Ihren Workshops erwarten?

Lotter: Sehr viel Klartext in Bezug auf Selbständigkeit und Selbstverantwortung. Es geht darum, nicht nur darüber zu reden, sondern Selbständigkeit und Selbstverantwortung zuzulassen. Und zu nutzen. Wir wollen mit den Teilnehmern aber nicht nur theoretisch darüber sprechen, sondern mit Beispielen zeigen, wie das gelingt und wie es erfolgreich macht. Und wir wollen den Teilnehmern Mut machen, sich zu wehren, wenn in ihren Organisationen von Transformation geredet wird, aber nichts passiert.

Sowa: Klar denken, klar reden, klar handeln.

Zukunftssicherung gelingt nur im permanenten Wandel

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang ein erkennbares Bild von dem, was man erreichen möchte?

Sowa: Letztlich geht es um die Zukunftssicherung des Unternehmens. Die entscheidende Frage ist also, was diese Zukunft sichert. Und das sind ja nicht die Produkte oder Dienstleistungen, die man anbietet. Es sind die Menschen in der Organisation und jetzt ist die Frage, wie versetzt man die Menschen in die Lage, dass sie kundenorientiert arbeiten können und damit auch die Zukunft des Unternehmens sichern können? Alle erzählen immer, welch innovative Produkte oder Dienstleistungen sie haben, aber niemand redet über die Organisation. Dabei ist die eigentliche Innovation, eine Organisation so zu bauen, dass Menschen arbeiten können. Das ist das Bild, das wir im Unternehmen haben und das wir seit Jahren mit aller Konsequenz anstreben. Und die Performance zeigt: es geht in die richtige Richtung.

Lotter: Wir wollen immer Züge fahren lassen, schneller als die anderen, haben aber keine Schienen und keine Bahnhöfe. Das ist der Stand in Sachen Organisation. Deswegen ist diese Inventur so wichtig, sich klarzumachen, wer und was man ist. Die entscheidende Frage lautet „Was tun wir eigentlich?“ Vielen Menschen in vielen Unternehmen ist das überhaupt nicht bewusst, weil nie darüber geredet wird. Man macht einfach. Am Monatsende kommt die Lohnabrechnung, man wird älter, aber was man da tagein tagaus tut, ist gar nicht klar. Wenn wir die Frage beantworten, wer wir sind, ergibt sich die Antwort auf die Frage „Wo wollen wir hin?“ von allein. Ganz ohne Utopie und dieses Visionsgerede, das niemand braucht, sondern ganz nüchtern. Denn dann versteht man auch das Umfeld, in dem man tätig ist.
Welche Probleme löse ich für meine Kunden. Welche Probleme löse ich für Menschen, die bereit sind, das zu bezahlen? Das ist das Wesentliche, und es klingt furchtbar simpel. Doch ich habe in 40 Jahren, in denen ich Unternehmen beobachte, die Erfahrung gemacht, dass über das Wesentliche nicht geredet wird, weil es scheinbar so banal ist.

Wir wollen immer Züge fahren lassen, schneller als die anderen, haben aber keine Schienen und keine Bahnhöfe. Das ist der Stand in Sachen Organisation.
Wolf Lotter

Sowa: Vollkommen richtig. Aber wenn dieser wesentliche Punkt ins Bewusstsein rückt, dann verändert das das Arbeiten. Denn dafür müssen die Menschen in der Unternehmensleitung, müssen die Führungskräfte wissen, was und wie die Mitarbeitenden arbeiten. Sie müssen wissen, was die Menschen in ihrem Unternehmen tagtäglich tun. Führungskräfte müssen dorthin, wo die Arbeit gemacht wird. Dann nämlich können sie sehen, welche Aufgaben historisch gewachsen, aber sinnbefreit sind, dann können sie mit den Menschen im Unternehmen in den Dialog gehen. Und dann kann diese Innovation zum Kunden entstehen, nach der alle suchen.


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