Von Bienchen und Früchtchen – Biodiversität bei Schwartau


Biodiversität im Unternehmen: Schwartauer Werke

Übernutzung, Verschmutzung oder invasive Arten: Viele Unternehmen wissen nicht, welchen Einfluss sie auf Biodiversität haben. Ganz genau wussten das auch die Schwartauer Werke lange nicht. Um diese Wissenslücke zu schließen, haben sie ein Angebot des Global Nature Fund durchlaufen.

„Ohne Bienen keine Früchte und ohne Früchte keine Konfitüre“: So lautete 2014 das Motto der Initiative „bee careful“ bei den Schwartauer Werken, einem Produzenten für Konfitüren, Brotaufstriche, Dessertsaucen, Sirupe sowie Müsli- und Proteinriegel. Gemeinsam mit Partner:innen aus öffentlichem Sektor, Wissenschaft und Forschung hat sich das Unternehmen intensiv für die Aufklärung rund um die Bedeutung von Bienen und Bestäuberinsekten eingesetzt.

Acht Jahre später stieg Julia Schäfer als Nachhaltigkeitsmanagerin bei Schwartau ein. Das Bewusstsein für Biodiversität war im Unternehmen bereits vorhanden, die Erwartung an die ehemalige Marketing- und Produktmanagerin war daher eher praktisch: Mach mal was! „Mir war klar, dass wir Biodiversitätsschutz weit über die Biene hinaus und in der eigenen Lieferkette angehen müssen. Mir selbst fehlte allerdings das nötige biologische und landwirtschaftliche Fachwissen, um meinen Kolleg:innen in den beteiligten Abteilungen greifbar zu machen, was genau es zu tun gibt“, erzählt Schäfer. Woher soll die Expertise also kommen?

Wer selbst keine Expertise hat, sollte wissen, wo diese zu finden ist. Nach einer ausgiebigen Recherche stieß Schäfer auf ein Angebot des Global Nature Fund (GNF): den Biodiversity Check. Und nach ersten Gesprächen stand der Beschluss, dass Schwartau an einer Pilotgruppe für die Lebensmittelindustrie teilnehmen wird. Was die Nachhaltigkeitsmanagerin und ihre Kolleg:innen dann lernen würden, sollte weit über die Bienen und die Früchte hinausgehen.

Startschuss für Biodiversität im Unternehmen

„Viele Unternehmen sind noch unsicher, was sich hinter dem Begriff Biodiversität versteckt und welche Auswirkungen und Abhängigkeiten es für das Unternehmen mit Blick auf die biologische Vielfalt gibt. Der Biodiversity Check hilft diese Zusammenhänge zu erkennen und praktische Maßnahmen zu definieren“, sagt Stefan Hörmann, Geschäftsführer des Global Nature Fund. Die Stiftung hat das Angebot mit der Unternehmensberatung dokeo und weiteren Organisationen entwickelt. 

Der Biodiversity Check basiert auf den Zielen der UN-Biodiversitäts-Konvention (CBD): Erhaltung der Biodiversität und Ökosysteme, Nachhaltige Nutzung von Ressourcen sowie faire und gerechte Aufteilung der aus der Nutzung genetischer Ressourcen gewonnenen Vorteile. Der Check ersetzt laut GNF keine Biodiversitätsverträglichkeitsprüfung oder Zertifizierung, sondern ist eher ein Startschuss für Unternehmen, um Biodiversität in das betriebliche (Umwelt-)Management zu integrieren und Maßnahmen für nachhaltige Nutzung von Ressourcen und den Schutz der Natur zu ergreifen. 

Klimawandel, Landnutzung, Übernutzung, Verschmutzung oder invasiven Arten: Der Verlust von Biodiversität äußert sich in verschiedenen Formen. Diese negativen Auswirkungen, aber auch Risiken und Chancen werden im Biodiversity Check mithilfe der Umweltmanagementsysteme EMAS III und ISO 14001 geprüft. Und dabei stellt sich immer wieder heraus, dass grundsätzlich alle Unternehmensbereiche den Verlust von Biodiversität vorantreiben können:

  • Strategie und Management
  • Stakeholder und Öffentlichkeit
  • Firmenareale, Liegenschaften
  • Einkauf: Rohstoffe, Material, Energie, Wasser etc.
  • Produktentwicklung und Produktion
  • Logistik und Transport
  • Endprodukte und Dienstleistung
  • Vertrieb und Marketing

Biodiversität in der Lieferkette: Warum das nicht so einfach ist

Julia Schäfer Schwartau

Zuerst sprechen Unternehmen und Global Nature Fund über allgemeine Eckdaten wie die Unternehmensgröße und das Geschäftsmodell. Nachdem Umfang und Grenzen der Untersuchung festgelegt wurden, erstellt der GNF eine Liste mit benötigten Unterlagen und Informationen wie Nachhaltigkeitsberichte, Umwelterklärungen, Produktinformationen und Angaben zum Standort wie den Grünflächenanteil oder die Nähe zu Schutzgebieten. Diese Unterlagen wertet der GNF mithilfe einer Biodiversitäts-Matrix aus und erstellt einen Zwischenbericht für das Unternehmen.

Zwar produziert Schwartau auch Schokosaucen und Müsliriegel, für den ersten Biodiversity Check priorisierte das Unternehmen aber, „alles rund um unsere Konfitüren“, meint Julia Schäfer. Einer ihrer treusten Begleiter wurde schließlich ein Fragebogen des GNF, mit dem sie verschiedene Abteilungen durchlief, um mehr über Ursprungsländer und Produktionsumstände der verarbeiteten Früchte zu erfahren. Zudem hat der GNF tiefergehende Interviews mit Kolleg:innen aus den Bereichen Einkauf, Umweltmanagement und Technik geführt sowie ergänzende Detailfragen geklärt Diese „sinnvolle Verbindung von Biodiversitätsexpertise und unternehmerischer Praxis“ bescherte laut Schäfer beiden Seiten spannende Erkenntnisse, aber auch Uneinigkeiten. 

Können lokale Produzenten von Früchten auf bisher verwendete zugelassene Pestizide verzichten? Was ein Biodiversitätsexperte des GNF einem Lieferanten von Schwartau vorschlug, erscheint zunächst einfach und verständlich. „Von diesem Feld erwirbt Schwartau jedoch nur zehn Prozent des Ertrags, das mussten unsere Kolleg:innen aus dem Einkauf erst einmal erklären. Wir können dem Landwirt also nicht vorgeben, wie er insgesamt handeln soll“, betont Schäfer. Trotzdem sei es für die künftige Zusammenarbeit hilfreich gewesen, dass darüber nun bereits gesprochen wurde.

Das haben die Schwartauer Werke über Biodiversität gelernt

Alle Erkenntnisse fassten Schäfer und die Expert:innen des Global Nature Funds in einem 70-seitigen Dokument zusammen. Diesen Katalog haben sie anschließend mit Kolleg:innen verschiedener Abteilungen an einem Round Table diskutiert. Der GNF wertet die Ergebnisse des Gesprächs aus und integriert diese in den finalen Bericht, der auch Handlungsempfehlungen für das Unternehmen beinhaltet. Zu den Ergebnissen zählen Impacts, Risiken und auch Abhängigkeiten, aber auch Vorschläge zur Reduzierung von Risiken und negativen Auswirkungen sowie Vorschläge zum Schutz der Biodiversität an konkreten Beispielen. 

Der fertige Bericht – inklusive eines Action Plans mit Aufgaben und Zielen für die Unternehmensbereiche sowie eines Katalogs an Befunden und Vorschlägen für Lieferanten – lässt sich laut GNF mehrfach verwerten: Er soll als Input für das Reporting nach SFRD, CSRD, ESRS E4, EMAS oder GRI dienen. Und er lasse sich auch für Kommunikation und Marketing nutzen. 

Ihre Pfirsiche und Aprikosen beziehen die Schwartauer Werke aus Spanien. Das ist ein Problem. „Eigentlich ist es kein Geheimnis, dass es in Spanien ziemlich trocken ist. Und doch hatten wir vor dem Biodiversity Check den Einfluss von Wassermangel mit dem Verlust von Artenvielfalt nicht genug in Verbindung gebracht“, erzählt Schäfer. Mithilfe des WWF Biodiversity Risk Filter und des Water Risk Filter überprüften sie und ihre Kolleg:innen daher die Ursprungsregionen und erhielten ein klares Ergebnis: Dort, wo Pfirsich und Aprikosen für die Konfitüre produziert werden, ist es „knochentrocken“. 

Pfirsisch Früchte

Umso wichtiger sei es laut GNF, dass Unternehmen alle Empfehlungen systematisch umsetzen. Und dabei werden sie entweder von der Organisation unterstützt oder sie arbeiten mit lokalen Expert:innen und Organisationen zusammen. Im Falle der Früchte aus Spanien empfahl der Global Nature Fund den Schwartauer Werken, sich mehr für ein nachhaltiges Wassermanagement in der Region einzusetzen. 

In einem aktuell laufenden Wasserprojekt mit einem Lieferanten wurde eine regulierte Defizitbewässerung eingeführt. Die Installation von Bodensonden zur Messung von Wasser- und Nährstoffbedarf ermöglicht in Zukunft eine Bewässerung, die präziser, effizienter und an den aktuellen Bedürfnissen der Obstbäume ausgerichtet ist. Das Projekt trägt laut Schäfer so zu einem optimierten und geringeren Wasserverbrauch bei, optimiert den Nährstoffeintrag in den Boden und fördert Bodengesundheit wie Bodenleben. Zudem soll das Projekt sowohl die Schwartauer Lieferkette als auch den Erzeuger resilient für eine noch trockenere Zukunft in der Region machen.

Biodiversität im Unternehmen: Vom Wissen zum Handeln

Wissen reicht nicht. Es ist Zeit zu handeln. „Unser Anspruch ist, dass das Unternehmen nicht in der Analyse verharrt, sondern Maßnahmen umsetzt und bereit ist, auch Lösungen für schwierige Bereiche des Geschäftsmodells allein oder innerhalb der Branche zu finden“, fordert Stefan Hörmann. Der Global Nature Fund wolle deshalb erreichen, dass Unternehmen zum Schutz der biologischen Vielfalt zusammenarbeiten, erklärt der Geschäftsführer und betont: „Unser Wunsch ist, dass Biodiversität in allen Unternehmen Chefsache wird.“

Die Lücke zwischen Wissen und Handeln erkennt auch Julia Schäfer. Sie setzt ebenfalls auf Zusammenarbeit: „Können wir uns vielleicht mit unserer Konkurrenz zusammentun? Und einen gemeinsamen Standard entwickeln, den wir alle verwenden?“ Wenn sich Einzelhandelsketten und Produzenten auf so etwas einigten, würde das die Arbeit der Landwirt:innen enorm erleichtern, meint die Nachhaltigkeitsmanagerin. Der Weg dahin sei allerdings noch steinig.