Das grüne Krankenhaus: Nachhaltigkeit im Gesundheitssektor

Nachhaltigkeit ist für den Medizin- und Gesundheitssektor ein drängendes Thema. Die Branche trägt weltweit zu klimaschädlichen Emissionen und damit direkt zum Klimawandel bei, der sich auf das Gesundheitssystem auswirkt. Klimaschutz und Gesundheitsschutz gehören also zusammen - dieser Beitrag zeigt, wie die Nachhaltigkeitstransformation in der Branche gelingen kann.

Die Bundesärztekammer hat unter Bezug auf die Studie „Health care climate footprint report“ einige Zahlen veröffentlicht:

  • Mit rund acht Tonnen Abfall pro Tag sind Kliniken der fünftgrößte Abfallversursacher in Deutschland.
  • Der Gesundheitssektor ist für 4,4 Prozent der globalen Nettoemissionen (2 Gigatonnen CO₂ Äquivalent/Jahr) verantwortlich. Der US-Gesundheitssektor ist mit einem Anteil von 7,6 Prozent an den nationalen Emissionen der größte Einzelemittent. In Deutschland beträgt der Anteil 5,2 Prozent, im EU-Durchschnitt 4,7 Prozent. Direkte Emissionen aus Einrichtungen des Gesundheitswesens sind für etwa 17 Prozent der Emissionen verantwortlich. Weitere indirekte Emissionen durch Strom, Wärme, Kühlung belaufen sich auf 12 Prozent.
  • Ein Krankenhaus läuft im kontinuierlichen 24-Stunden Betrieb – es benötigt viel Energie für Beleuchtung, IT, Heizung, Kühl- bzw. Belüftungssysteme sowie den Betrieb der geräteintensiven Bereiche.
  • Innerhalb des Gesundheitssektors machen die Medizinprodukte und die damit verbundenen Lieferketten mit 71 Prozent den größten Anteil aus.
  • Bestimmte Anästhesiegase wie etwa Lachgas (Distickstoffoxid, N2O) tragen in Industrieländern bis zu 1,7 Prozent zum Fußabdruck bei.

Klimabewusstes und strategisches Handeln kann auch im Gesundheitssektor einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen und zum Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz leisten.

Zur Dringlichkeit von nachhaltigen Maßnahmen im Gesundheitswesen

Der 125. Deutsche Ärztetag 2021 hat sich für die Klimaneutralität des deutschen Gesundheitswesens bis 2030 ausgesprochen. An alle Entscheidungsträger im Gesundheitswesen wurde appelliert, dieses Ziel „zielstrebig, konsequent und zeitnah in Angriff zu nehmen“. Dass auch eine Mehrheit der Fachärzt:innen das Thema Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen für dringlich hält, zeigte bereits 2021 eine Umfrage des Spitzenverbandes der Fachärzte Deutschlands (SpiFa) und der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank). Ziel war es, den Status Quo zu Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen genauer zu erfassen, sowie Ansatzpunkte für vertiefende Diskussionen und Maßnahmen zu identifizieren.

Zentrale Ergebnisse im Überblick:

  • Ca. 80 Prozent der befragten Fachärzt:innen räumten der Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert ein. Unter den Frauen waren es fast 90 Prozent.
  • 70 Prozent gaben an, bereits konkrete Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit in ihrem Tätigkeitsfeld ergriffen zu haben.
  • 14 Prozent haben eine umfassende Strategie entwickelt, um Nachhaltigkeit in ihren Praxis- oder Klinikalltag zu integrieren.
  • Etwa zwei Drittel der Befragten werden in ihrer Arbeit direkt mit dem Thema Nachhaltigkeit konfrontiert (häufig allerdings aufgrund von Vorschriften und gesetzlichen Regelungen). Viele sind aber auch persönlich am Thema Nachhaltigkeit interessiert und motiviert, entsprechende Maßnahmen anzugehen und umzusetzen.
  • 84 Prozent sind der Meinung, dass der Abbau von Bürokratie und Regulierungen einen Einfluss auf die Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen habe. Wichtig seien zudem Maßnahmen zum Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschutz sowie die weitere Digitalisierung im Gesundheitswesen.
  • 90 Prozent sind jedoch der Meinung, dass das Prinzip der Nachhaltigkeit im deutschen Gesundheitswesen derzeit kaum oder gar nicht ausgeprägt ist.

Wie die Nachhaltigkeitstransformation im Gesundheitssektor gelingen kann

Wenn Kliniken effizient nachhaltiger werden wollen, ist jeder kleine Schritt wichtig und notwendig. Die Bundesärztekammer nennt beispielhaft einige Handlungsfelder und Maßnahmen, mit denen die Klimaneutralität gelingen könnte:

  • Abfallreduktion (Verringerung des Einsatzes von Einmalprodukten, Verwendung biologisch abbaubarer Einmalartikel)
  • Etablierung eines Berichtswesens
  • Einsatz erneuerbarer Energien zur kontinuierlichen Wärme-/Stromerzeugung
  • Schaffung von mehr Grünanlagen und Grünflächen
  • Reduzierung von Inhalationsspray
  • Umstellung der Krankenhausflotte auf E-Mobilität oder andere klimafreundliche Antriebe, Ladeinfrastruktur schaffen (E-Tankstellen)
  • Lachgas vermeiden oder neutralisieren
  • Nachhaltigkeit sollte in die Unternehmensziele aufgenommen werden
  • Messkonzepte zur Ermittlung von Basis- und Spitzenverbräuchen
  • Benennung eine:r Nachhaltigkeitsbeauftragten und Einrichtung einer Stabsstelle
  • Nutzung von intravenösen statt inhalativer Narkosen, Einsatz von Niedrigflussnarkosen, Rückresorption der Narkosegase in der Ausatemluft sowie Recycling
  • Schulungen der Mitarbeitenden zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit und Wissensvermittlung zu klimabedingten Erkrankungen
  • Beachtung der Toxizität
  • Reduzierung des Wasserverbrauchs.

Praktische sektorspezifische Beispiele

Akteure des Gesundheitswesens weisen ein besonders hohes Potenzial auf, nachhaltige Verhaltensweisen positiv zu beeinflussen. An vielen medizinischen Fakultäten (etwa der Universität Bonn und Universität Berlin) spielt Nachhaltigkeit in den Bereichen Forschung, Lehre, Krankenversorgung und Verwaltung eine wichtige Rolle. Im medizinischen Dekanat Bonn fungiert das Prodekanat für Nachhaltigkeit als Schnittstelle zwischen der Universität und dem Universitätsklinikum Bonn (UKB) – sie bildet die zentrale Lenkungs- und Leitungseinheit für Nachhaltigkeit. Besonders auffällig ist die verstärkte Gründung von Arbeitsgruppen zur Nachhaltigkeit – beispielsweise vom akademischen Mittelbau (GAMMA) der Universitätsmedizin Köln, die alle Personen der Fakultät und Uniklinik ansprechen und zum Mitmachen animieren möchte.

Im März 2021 gründete sich im Universitätsklinikum Tübingen (UKT) ebenfalls eine AG Nachhaltigkeit der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Sie besteht aus pflegerischem und ärztlichem Personal, das in diesem Bereich tätig ist. Im Juli 2022 wurde am UKT die Vorstandsstabstelle KV24 – Nachhaltigkeit gegründet, um das Thema noch besser zu koordinieren, zu initiieren und zu vernetzen. Dazu gehören folgende Aufgaben: verbesserte Zusammenarbeit mit den zuständigen Abteilungen, Bearbeiten von internen Anfragen, Vertretung der Themen nach außen durch den Nachhaltigkeitsbeauftragten, der zugleich Ansprechpartner für Stakeholderanfragen ist. Ergänzt und unterstützt werden die Tätigkeiten der Stabstelle durch interne und externe Akteure, die teilweise seit Jahren nachhaltige Themen initiieren und voranbringen. Dazu gehören das technische Betriebsamt, der Personalrat sowie die Nachhaltigkeits-Arbeitsgruppen der Allgemeinmedizin und Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin.

Allgemeine Unterstützung bieten auch „Green Hospitals“, Initiativen, Konzepte und Forschungsprojekte, welche die Wirkungen eines Krankenhauses auf die Umwelt nachhaltig optimieren sollen. Das grüne Krankenhaus verbindet lokale Anforderungen mit umweltfreundlichem Handeln. Der Schwerpunkt wird vorrangig auf Prävention gesetzt, um die Gesundheit der Bevölkerung, die gesundheitliche Gerechtigkeit und eine grüne Wirtschaft zu fördern.


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