Dynamische Netzentgelte: Motor für eine nachhaltige Energiezukunft?
Der deutsche Strommix hat in den letzten zehn Jahren eine beeindruckende Wandlung durchlaufen: Von nur 26 Prozent erneuerbarer Energien im Jahr 2014 auf heute 56 Prozent. Diese Veränderung von über 100 Prozent ist eine bedeutende Errungenschaft, die unser Engagement für eine nachhaltigere und klimafreundlichere Zukunft unterstreicht. Gleichzeitig stellt sie das Stromnetz vor erhebliche Herausforderungen und zwingt Unternehmen, insbesondere den Mittelstand, ihre Energieplanung grundlegend zu überdenken. Die zunehmende Einspeisung volatiler Energiequellen wie Wind und Sonne verändert die Dynamik der Energieversorgung und erfordert innovative Ansätze im Energiemanagement.
Paradigmenwechsel in der Stromversorgung
Die Energiewende hat die Verfügbarkeit von Strom grundlegend verändert. Vor 10 Jahren wurde der Großteil des Strombedarfs durch fossile Energieträger wie Kohle und Gas sowie durch Atomkraftwerke gedeckt. Konventionelle Erzeugung war planbar und konnte ohne Schwankungen genau die benötigte Strommenge liefern. Heute hingegen ist Strom ein zunehmend witterungsabhängiges Produkt, dessen Verfügbarkeit variiert. Bei starker Sonneneinstrahlung wird viel Strom durch Photovoltaik erzeugt, was zu Netzspitzen führen kann, besonders wenn wenig Strom verbraucht wird – das gefährdet die Netzstabilität.
Um diesem neuen Belastungsprofil gerecht zu werden, plant die Bundesnetzagentur ab 2026 wesentliche Maßnahmen im Rahmen der „Eckpunkte zur Fortentwicklung der Industrienetzentgelte im Elektrizitätsbereich“. Während früher ein gleichmäßiges Verbrauchsprofil bevorzugt wurde, sind heute flexible Verbrauchsstrategien gefragt, die das Netz entlasten und erneuerbare Energien besser integrieren. Unternehmen, die ihren Stromverbrauch anpassen, können von reduzierten Netzentgelten profitieren, wenn viel erneuerbare Energie zur Verfügung steht. Zu anderen Zeiten hingegen steigen die Netzentgelte. Erste Verteilnetzbetreiber wie Netze BW und MITNETZ STROM haben bereits Preisblätter für 2025 veröffentlicht, die zeitabhängige Netzentgelte vorsehen.
Flexible und klimafreundliche Energieplanung in der Industrie
Die Dynamisierung der Netzentgelte stellt für Industrieunternehmen eine große Veränderung dar. Fast alle haben bisher versucht, ihren Verbrauch möglichst konstant zu halten und Lastspitzen zu vermeiden. Mit den dynamischen Netzentgelten wird der Fokus auf eine flexiblere und klimafreundlichere Energieplanung verlagert. Die Netznutzungskosten sinken ab 2026 zur Mittagszeit, wenn viel PV-Strom erzeugt wird, während sie zu Zeiten mit hoher Nachfrage steigen. Dies stellt besonders produzierende Unternehmen vor Herausforderungen, die früh morgens hohe Verbräuche haben.
Flexibilisierung ist hier das Schlüsselwort. Unternehmen, die ihren Stromverbrauch dynamisch anpassen, profitieren von reduzierten Netzentgelten und leisten gleichzeitig einen Beitrag zur besseren Nutzung erneuerbarer Energien. Wenn mittags viel PV-Strom im Netz ist, sind nicht nur die Netzentgelte niedriger, auch die Strompreise und der Strom ist besonders grün. So waren im Juli und August dieses Jahres an fast 50 Prozent der Tage die Strompreise für mindestens eine Stunde negativ – solche Zeitfenster gilt es zu nutzen.
Chancen und Herausforderungen dynamischer Netzentgelte
Unternehmen sollten bereits heute die Voraussetzungen schaffen, um 2026 von reduzierten Energiekosten zu profitieren. Ein flexibler Stromtarif, gekoppelt mit intelligenter Energiemanagement-Software, ist die Basis, um sowohl Netzentgelte als auch CO2-Emissionen zu reduzieren. Um das Flexibilisierungspotenzial zu heben, ist ein genaues Verständnis der Energieprozesse nötig. Durch die Messung des Energieverbrauchs können Prozesse in günstigere Zeitfenster verschoben werden. Batterien oder andere Speicher eröffnen zusätzliche Möglichkeiten.
Dynamische Netzentgelte bieten nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen. Mit der richtigen Strategie und den passenden Technologien können Unternehmen ihre Energiekosten senken, ihre CO2-Bilanz verbessern und sich als Vorreiter in einem umweltbewussten Markt positionieren. Es liegt am Gesetzgeber, klare Rahmenbedingungen zu schaffen, aber auch an den Unternehmen, die Chancen zu nutzen und ihre Geschäftsmodelle nachhaltig weiterzuentwickeln.
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