Rückenwind für Mieterstrom?!
Photovoltaikanlagen (PV) auf Dächern sind trotz hoher Kosten und starker Regulierung ein Mittel der Wahl. Eine weitere Möglichkeit ist die Kraft-Wärme-Kopplung in Form von Blockheizkraftwerken (BHKW), die jedoch, wenn sie mit fossilem Erdgas betrieben werden (und das ist der Standard), wenig zukunftsfähig sind.
Eine Umfrage von Civey im Auftrag von Green Planet Energy zeigt, dass 49,3 Prozent der Mieter definitiv und 15 Prozent eher geneigt sind, Solarstrom direkt zu nutzen. 46 Prozent der Vermieter sind an Mieterstromprojekten interessiert. Allerdings lehnt auch ein Drittel der Eigentümer die Installation von PV-Anlagen ab.
Mieter sind vor allem an günstigeren Strompreisen (61,5 Prozent), lokaler (42,9 Prozent) und nachhaltiger (41,6 Prozent) Stromerzeugung interessiert. 33,9 Prozent der Mieter würden in eine PV-Anlage investieren, wenn auch der Vermieter einen Beitrag leisten würde. Vermieter zögern aufgrund von baulichen Maßnahmen (37,1 Prozent), bürokratischem Aufwand (34,2 Prozent) und wirtschaftlichen Bedenken (31,1 Prozent).
Die Installation wird auch von der Politik unterstützt. Denn Deutschland strebt bis 2030 eine PV-Leistung von 215 Gigawatt an. Das dafür verabschiedete Solarpaket erleichtert die Bürgerbeteiligung und die gemeinschaftliche Versorgung von Gebäuden. Es trat am 1. Januar 2024 in Kraft.
Auch die Wohnungswirtschaft reagiert: Der GdW und AMPEERS ENERGY haben eine Partnerschaft geschlossen, um die CO2-Emissionen bis 2045 um mindestens fünf Millionen Tonnen pro Jahr zu reduzieren. Sie bietet CO2-Bilanzierungen, Klimastrategien und ein selbstlernendes Energiemanagementsystem sowie Unterstützung bei Mieterstromangeboten und E-Mobilität.
Hürden auf dem Weg zum Mieterstrom
Dennoch stößt die Einführung von Mieterstrom auf verschiedene Hürden. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Mieterstromgesetz bieten zwar grundsätzlich Förderungen und Anreize. Jedoch werden die gesetzlichen Vorgaben und administrativen Prozesse für die Umsetzung von Mieterstromprojekten oft als zu kompliziert und bürokratisch empfunden. Dies schreckt viele potenzielle Anbieter und Investoren ab.
Wirtschaftliche Hürden ergeben sich aus der Finanzierung und der Wirtschaftlichkeit der Projekte. Die Investitionskosten für die notwendige Technik wie PV-Anlagen oder BHKW sind hoch, und die Amortisationszeiten können lang sein. Zudem sind die finanziellen Anreize durch den Mieterstromzuschlag für viele Projekte nicht ausreichend, um eine attraktive Rendite zu gewährleisten.
Technische Herausforderungen liegen in der Integration der Anlagen in bestehende Gebäudeinfrastrukturen. Die Installation der notwendigen Technik in älteren Gebäuden kann aufgrund baulicher Gegebenheiten kompliziert und kostspielig sein. Hinzu kommt die Notwendigkeit, ein effizientes und zuverlässiges Mess- und Abrechnungssystem für die verteilte Energieerzeugung und -nutzung zu implementieren.
Ein weiteres Hindernis ist der Mangel an Akzeptanz bei Vermietern und Mietern. Viele Vermieter sind sich der Vorteile von Mieterstromprojekten nicht bewusst oder sehen sich nicht in der Lage, die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. Mieter wiederum sind oft nicht ausreichend über die Vorteile informiert oder stehen dem Wechsel zu einem neuen Energieversorger skeptisch gegenüber.
Netzentgelte steigen weiter
Aktuell gibt es aber einen klaren wirtschaftlichen Ansporn für den Umstieg auf Mieterstrom: Seit dem 1. Januar 2024 stiegen in Deutschland die Netzentgelte von 3,12 Cent auf 6,43 Cent pro Kilowattstunde. Die Netzentgelterhöhung resultiert aus einem Haushaltsdefizit und dem Wegfall staatlicher Subventionen. Das führt direkt zu höheren Stromkosten für Verbraucher. Mieterstrom, der von der PV-Anlage auf dem eigenen Dach ins Hausnetz geleitet wird, ist davon nicht betroffen, da hier die Netzentgelte entfallen. Dies bietet besonders für Bewohner von Mehrparteienhäusern eine kostengünstige Alternative.
Modelle
Doch wie kann ein Mieterstrommodell gestaltet werden? Der Blog energie-experten.org unterscheidet folgende Modelle:
1. Komplette Einspeisung ins öffentliche Netz
Das EEG und das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) erlauben es Vermietern, Strom aus PV-Anlagen oder BHKW vollständig ins öffentliche Netz einzuspeisen und dafür eine Einspeisevergütung zu erhalten. Allerdings sinkt diese Vergütung stetig. Dadurch wird die Volleinspeisung als alleinige Einnahmequelle unattraktiv. Dennoch hat sie Vorteile wie geringes Risiko, geringen Aufwand und keine rechtlichen Folgen für Wohnungsunternehmen, die nicht als Energieversorger auftreten. Nachteile sind geringe Erlöse, keine Nebenkostensenkung für Mieter und bei KWK-Anlagen nach EEG das Erfordernis, teureres Bioerdgas zu beziehen, um die Kostenneutralität des Wärmepreises zu wahren.
2. Deckung von Hilfs- und Betriebsstrom mit Eigenstrom
Auch deswegen wird der Eigenverbrauch von Solarstrom zunehmend attraktiver, insbesondere in Mietshäusern, wo durch unterschiedliche Nutzungsprofile der Mieter ein höherer Eigenverbrauchsanteil möglich ist. Beim Modell zur Deckung von Hilfs- und Betriebsstrom mit Eigenstrom nutzen Mieter den erzeugten Strom direkt. Das verspricht einfache Umsetzung und niedrige Nebenkosten, ist jedoch auf geringe Teilmengen beschränkt und birgt potenzielle Interessenkonflikte.
3. Direktverkauf an Mieter
Beim Direktverkauf von Strom an Mieter tritt das Wohnungsunternehmen als Stromlieferant auf. Das verbessert die Amortisation von Investitionen, zeitigt aber auch deutlichen Mehraufwand und zusätzliches unternehmerisches Risiko. Die Einführung einer Tochtergesellschaft oder das Beauftragen eines Dienstleisters können helfen, das Risiko und den Aufwand zu verteilen. Und: Wohnungsunternehmen und insbesondere Genossenschaften behalten ihre steuerlichen Privilegien, die bei einem Stromhändler reduziert werden würden.
4. Genossenschaften oder Pachtmodelle
Mieter-Genossenschaften oder das Pachtmodell ermöglichen es Mietern, die Stromproduktion selbst zu übernehmen. Dies kann attraktiv für Wohnungsunternehmen und Mieter sein, erfordert aber die Gründung einer eigenen Gesellschaft und birgt unbeschränkte Haftung sowie unklare Rechtssicherheit.
5. Externe Dienstleister und Contractoren
Die Nutzung eines externen Dienstleisters minimiert den organisatorischen Aufwand für das Wohnungsunternehmen und ermöglicht Risikodiversifikation, allerdings müssen die finanziellen Vorteile für Mieter gesondert vereinbart werden, und der wirtschaftliche Nutzen fällt dem Dienstleister zu. Diese Modelle werden vom EEG 2021 gestärkt, das Mieterstrom auch dann anerkennt, wenn er von einem Dritten geliefert wird. Dadurch kann die Marktrolle des Stromlieferanten an einen energiewirtschaftlich versierten Dritten übertragen werden.
Wohnungsunternehmen schon dabei
Aufgrund dieser Vor- und Nachteile sind am Markt vor allem Contracting- oder Pachtmodelle zu finden.
Kyritzer Wohnungsbaugesellschaft und Einhundert Energie
Die Kyritzer Wohnungsbaugesellschaft realisiert mit Einhundert Energie eines der größten Mieterstromprojekte Brandenburgs. Seit Anfang 2024 beziehen 120 Wohnungen und der Allgemeinstrom in Kyritz kostengünstigen Solarstrom. Drei modernisierte Gebäude erhielten PV-Anlagen mit 220 Kilowatt Peak Leistung auf erneuerten Dächern und Außenanlagen. Das Projekt führt zu einer CO2-Einsparung von 105 Tonnen jährlich. Der Solarstrompreis liegt 26 Prozent unter dem des lokalen Grundversorgers. Die Bewohner profitieren von transparenten Kosten und Echtzeit-Abrechnungen durch Smart Meter, was Nachzahlungen überflüssig macht. Einhundert Energie übernimmt im Rahmen des Contracting-Modells die Installation und den Betrieb der PV-Anlagen, inklusive der Abrechnung und des Verkaufs des Solarstroms an die Mieter, ohne zusätzlichen Aufwand für die Kyritzer Wohnungsbaugesellschaft.
Wohnungsgenossenschaft Gräfenhainichen und Solarimo
SOLARIMO hat mit der Wohnungsgenossenschaft Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt ein Mieterstrom-Projekt realisiert. Das war Teil einer umfassenden Sanierungsstrategie der Wohnungsgenossenschaft, die unter anderem die Installation von Photovoltaikanlagen auf den Dächern ihrer Gebäude umfasst. Mehr als 220 PV-Module erreichen eine Gesamtleistung von 78 Kilowatt Peak und erzeugen jährlich 68,7 Megawattstunden Strom. Diese Anlagen sparen über 40 Tonnen CO2 pro Jahr ein. Darüber hinaus profitieren die Bewohner von 76 Wohnungen von günstigem Strom, der 16 Prozent günstiger als der Grundversorgungstarif ist.
Mieterstromzuschlag Der Mieterstromzuschlag ist eine Fördermaßnahme, die im Rahmen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) speziell für den aus Solaranlagen erzeugten Strom konzipiert wurde. Diese Unterstützung wurde im Juli 2017 eingeführt, um Betreibern von Solaranlagen auf Wohngebäuden einen Anreiz zu bieten. Sie können für den Strom, den sie seit dem 24. Juli 2017 mit neuen Anlagen erzeugen und direkt an die Bewohner des Gebäudes liefern, diesen Zuschlag beanspruchen. Das Mieterstromgesetz führte den Mieterstromzuschlag ein, um diese Ungleichbehandlung zu adressieren und die Bereitstellung von Mieterstrom wirtschaftlich attraktiver zu machen. Der Zuschlag zielt darauf ab, die zusätzlichen Kosten, die bei Mieterstromprojekten durch komplexere Messkonzepte, wie zum Beispiel die Wandlermessung für Summenzähler, und den hohen administrativen Aufwand entstehen, zu kompensieren. Im EEG 2023 wird der Mieterstromzuschlag durch §48a „Mieterstromzuschlag bei solarer Strahlungsenergie“ geregelt. Die Höhe des Zuschlags ist abhängig von der installierten Leistung der Solaranlage und beträgt:
Mit der Neuregelung im EEG 2023 können nun auch Mieterstromanlagen mit einer Kapazität von mehr als 100 Kilowatt bis zu 1 Megawatt von dem Mieterstromzuschlag profitieren, was die Implementierung solcher Projekte weiter fördert und unterstützt. |
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