LfSt Rheinland-Pfalz v. 21.8.2019, S 0256 A - St 35 6
Diese Karteikarte ersetzt die bisherige Karte 1 zu § 107 AO (Vfg. vom 27.6.2007, S 0256 A – St 35 1), die hiermit aufgehoben wird.
In Ergänzung des Anwendungserlasses (AEAO) zu § 107 AO wird Folgendes bestimmt:
1. Geltungsbereich
Die Vorschrift des § 107 AO gilt in allen Abschnitten des Besteuerungsverfahrens einschließlich des Außenprüfungs-, Erhebungs-, Vollstreckungs- und Einspruchsverfahrens, nicht jedoch im Straf- und Bußgeldverfahren.
Werden im Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder im Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit Zeugen gehört oder Sachverständige bestellt, so ist nicht § 107 AO, sondern § 405 AO ebenfalls in Verbindung mit dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz – JVEG – (eingeführt ab 1.7.2004 durch Art. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMoG) vom 5.5.2004 (BGBl 2004 I S. 718; BStBl 2004 I S. 486)) anzuwenden.
Eine besondere gesetzliche Regelung besteht für
- Dritte, die aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungsbehörde Gegenstände herausgeben (§ 95 Abs. 1 StPO) oder die Pflicht zur Herausgabe entsprechend einer Anheimgabe der Strafverfolgungsbehörden abwenden oder Auskunft erteilen. Sie haben nach § 23 Abs. 2 JVEG einen Anspruch darauf, wie Zeugen entschädigt zu werden.
- diejenigen, die Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken (Telekommunikationsunternehmen), dass Anordnungen zur Überwachung der Telekommunikation umgesetzt werden oder Auskünfte erteilt werden. Sie erhalten eine besondere Entschädigung entsprechend der Anlage 3 zu § 23 Abs. 1 JVEG.
Die nachfolgenden Regelungen haben nur die Entschädigung von Auskunftspflichtigen, Vorlagepflichtigen und Sachverständigen nach § 107 AO zum Gegenstand.
2. Entschädigungsberechtigte
2.1 Die von einem Finanzamt durch Verwaltungsakt zu Beweiszwecken herangezogenen Auskunftspflichtigen (§ 93 AO), Vorlagepflichtigen (§ 97 AO) und Sachverständigen (§ 96 AO) erhalten auf Antrag eine Entschädigung oder Vergütung in entsprechender Anwendung des JVEG, soweit sie weder Beteiligte (§§ 78, 359 AO) sind noch die Auskunftspflicht für einen Beteiligten zu erfüllen haben (wie z.B. die gesetzlichen Vertreter und die Verfügungsberechtigten i.S. der §§ 34, 35 AO sowie die Bevollmächtigten und die von Amts wegen bestellten Vertreter der Beteiligten i.S. der §§ 80, 81 AO, die zur Auskunftserteilung für die Vertretenen = Beteiligten verpflichtet sind).
Auskunfts- oder Vorlagepflichtige können natürliche Personen, juristische Personen und Personengesellschaften sein. Entschädigungsberechtigt sind auch Geldinstitute (Banken, Sparkassen und die Deutsche Postbank AG).
Nimmt ein Auskunftspflichtiger, Vorlagepflichtiger oder ein Sachverständiger eine Hilfsperson (z.B. Steuerberater) in Anspruch, so hat diese keinen eigenen Entschädigungsanspruch (Urteil des Niedersächsischen FG vom 28.10.1988, XII 649/87, n.v.).
2.2 Die dem Drittschuldner durch die Erfüllung seiner Erklärungspflicht gem. § 316 AO entstehenden Kosten sind nicht nach § 107 AO zu erstatten. Dies gilt auch, wenn das Finanzamt die Angaben in der Drittschuldnererklärung für unzureichend hält und deshalb um Ergänzung oder Vervollständigung nachsucht. Eine Entschädigung kommt aber in Betracht, wenn das Finanzamt den Drittschuldner um Auskünfte ersucht, die über dessen Erklärungspflicht gem. § 316 AO hinausgehen.
3. Anspruch auf Entschädigung
Die Entscheidung darüber, ob ein Auskunftspflichtiger oder Sachverständiger zu entschädigen ist, liegt nicht im Ermessen des Finanzamts. Beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht auf die Entschädigung ein Rechtsanspruch (BFH-Urteil vom 23.12.1980, VII R 91/79, BStBl 1981 II S. 392), es sei denn, der Anspruch auf Vergütung entfällt oder wird beschränkt (§ 8a JVEG).
4. Fürsorgepflicht des Finanzamts
Handelt es sich bei dem Auskunftspflichtigen um eine Person, bei der Kenntnisse über den Entschädigungsanspruch nicht vorausgesetzt werden können, und ist ersichtlich, dass dem Verpflichteten durch die Auskunftserteilung nicht nur ganz unbedeutende Kosten erwachsen werden, ist er auf die Entschädigungsmöglichkeit gem. § 107 AO und das Erfordernis der Antragstellung hinzuweisen (vgl. § 89 AO).
5. Umfang der Entschädigung
5.1 Auskunftspflichtige
5.1.1 Erledigt der Auskunfts- oder Vorlagepflichtige das Auskunfts- bzw. Vorlageersuchen selbst oder beauftragt er Personen, die in seinem Betrieb beschäftigt sind, so werden der Verdienstausfall bzw. die Personalkosten mit dem Betrag erstattet, den ein Zeuge nach § 22 JVEG beanspruchen könnte. Der Zeitaufwand darf daher höchstens mit 21 Euro je Stunde angesetzt werden. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob dem Antragsteller durch Zahlung von Überstundenvergütungen oder Neueinstellungen ein Mehraufwand entstanden ist (Beschluss des OLG Frankfurt a.M. vom 5.9.1990, 2 Ws 152/90 – n.v.). Die Entschädigung wird für höchstens 10 Stunden je Tag gewährt (§ 19 Abs. 2 JVEG). Die letzte bereits begonnene Stu...