Entscheidungsstichwort (Thema)
Jährliche Betriebsvereinbarung über Weihnachtsgratifikation - Kündigung und Nachwirkung
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird in einer Betriebsvereinbarung über Weihnachtsgratifikationen bestimmt, daß ältere Besitzstände erhalten bleiben, bedeutet das allein noch nicht, daß die ordentliche Kündbarkeit dieser Betriebsvereinbarung stillschweigend ausgeschlossen werden soll.
2. Schließen die Betriebspartner jährlich eine Betriebsvereinbarung über die für das Kalenderjahr zu zahlende Weihnachtsgratifikation und vereinbaren sie dabei jeweils ausdrücklich, daß es sich um eine freiwillige Leistung handelt, aus deren Zahlung keine Ansprüche für künftige Jahre hergeleitet werden können, so hat die Leistungszusage keine Nachwirkung für das folgende Kalenderjahr. Die Nachwirkung ist im Zweifel auch für den Fall abbedungen, daß Verhandlungen über eine neue Regelung scheitern, der Arbeitgeber jedoch im folgenden Jahr gekürzte Gratifikationsbeträge freiwillig auszahlt.
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 07.12.1993; Aktenzeichen 3 TaBV 6/93) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 26.05.1993; Aktenzeichen 9 BV 6/93) |
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Kündbarkeit und die Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, in denen die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation geregelt war.
Die Arbeitgeberin ist die deutsche Tochtergesellschaft eines multinational tätigen Konzerns der Elektro- und Elektronikindustrie. Antragsteller ist der im Unternehmen gebildete Gesamtbetriebsrat. In ihren zahlreichen Betrieben wendet die Arbeitgeberin die jeweiligen regionalen Tarifverträge der Elektro-, Eisen- und Metallindustrie an, darunter auch die für alle Tarifbezirke gleichlautende Regelung einer jährliche Sonderzahlung. Seit etwa 1953 gewährte die Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern zu Weihnachten eine zusätzliche Sonderzahlung. Dies geschah jeweils unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit. Die Höhe der Weihnachtsgratifikation war abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Sie wurde wiederholt aufgestockt und erreichte zuletzt einen Spitzenbetrag von 170 % eines Monatsgehalts.
1979 wurde die Weihnachtsgratifikation erstmals in einer Betriebsvereinbarung geregelt (Betriebsvereinbarung Nr. 12). Eine Kürzung gegenüber der für 1978 gezahlten Gratifikation fand nicht statt. In der Folgezeit wurde die Gratifikation jährlich für das laufende Jahr durch Betriebsvereinbarung festgelegt. 1980 wurde in der Betriebsvereinbarung Nr. 16 erstmals ein linearer Abzug von 9,5 % bei allen Betriebszugehörigkeitsgruppen vorgenommen. 1982 regelten die Beteiligten die Weihnachtsgratifikation in der Betriebsvereinbarung Nr. 21. Diese enthielt u.a. folgende Bestimmungen:
Weihnachtsgratifikation allgemein
Nach sorgfältiger Abwägung der Interessen der
Mitarbeiter (Gehalts- und Lohnempfänger sowie
Auszubildende) und der wirtschaftlichen Möglich-
keiten des Unternehmens sind Geschäftsführung und
Gesamtbetriebsrat übereingekommen, die Gratifika-
tion auf einen 13. Monatsverdienst zu begrenzen.
Soweit im Jahre 1981 eine höhere Gratifikation
bezahlt wurde, bleiben den betreffenden Mitarbei-
tern die der Berechnung per 1. Dezember 1981 zu-
grundeliegenden Prozentsätze/Anzahl Stundenlöhne
als Besitzstand erhalten.
Weihnachtsgratifikation 1982
Danach zahlt die P GmbH im Jahre 1982 an
ihre Mitarbeiter eine Weihnachtsgratifikation
nach folgenden Regeln:
A. Höhe der Weihnachtsgratifikation
...
2. Soweit Mitarbeiter im Jahre 1981 eine
höhere Gratifikation erhalten haben, als
sich nach A.1. ergibt, ist ihre Gratifika-
tion nach den Berechnungsmodalitäten (Pro-
zentsätze bzw. Anzahl Stundenlöhne) zu er-
mitteln, die der Gratifikationsberechnung
per 1.12.1981 zugrunde lagen.
...
7. Die sich nach den vorstehenden Bestimmun-
gen ergebenden Beträge sind um 9 % zu kür-
zen. Diese Kürzung gilt nicht für Mindest-
beträge und für Gratifikationszahlungen an
Auszubildende.
B. ...
C. Sonstige Bestimmungen
...
5. Die vorstehend vereinbarten Unterneh-
menszuwendungen sind freiwillige Leistun-
gen, soweit sie tarifliche Ansprüche über-
steigen. Aus ihrer Zahlung kann insofern
kein weiterer Anspruch in bezug auf Zahlung
und Höhe für die Zukunft hergeleitet wer-
den.
Auch in den Folgejahren schlossen die Beteiligten jährlich eine neue Betriebsvereinbarung über die Zahlung der Weihnachtsgratifikation. In diesen Betriebsvereinbarungen wurde jeweils festgehalten, daß die Gratifikation derjenigen Mitarbeiter, die 1981 eine höhere Gratifikation erhalten hatten, nach den Sätzen der Betriebsvereinbarung Nr. 21 zu berechnen sei. Außerdem war in allen Betriebsvereinbarungen eine Klausel enthalten, wonach die Zuwendung eine freiwillige Leistung sei, soweit sie die tarifliche Zuwendung übersteige; aus der Zahlung könne kein Anspruch für die Zukunft hergeleitet werden. Eine entsprechende Regelung wurde zuletzt am 9. Oktober 1991 mit der Betriebsvereinbarung Nr. 59 für das Jahr 1991 getroffen.
In der Zeit zwischen dem 22. September und 28. Oktober 1992 verhandelten die Beteiligten über die Gratifikation für das Jahr 1992. Eine Vereinbarung kam jedoch nicht zustande, da die Arbeitgeberin eine Leistungskürzung anstrebte, mit der der Gesamtbetriebsrat nicht einverstanden war. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin den Mitarbeitern mit einem Rundschreiben vom 5. November 1992 die Zahlung eines um 20 % gekürzten Weihnachtsgeldes an. Die Leistung stehe unter dem Vorbehalt einer etwaigen Regelung durch die Einigungsstelle. Außerdem wurde auf die Freiwilligkeit der Zahlung hingewiesen. Denjenigen Mitarbeitern, die auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung Nr. 21 im Jahre 1991 eine höhere Gratifikation erhalten hatten, wurde die ungeschmälerte Zahlung auch für 1992 zugesagt. Die Arbeitgeberin wies zugleich darauf hin, daß sie - nach entsprechender Kündigung der Betriebsvereinbarung Nr. 21 - für 1993 keine über das tarifliche Mindestmaß (damals 60 % eines Monatsgehalts) hinausgehende Gratifikation zahlen werde.
Die Arbeitgeberin leistete für 1992 entsprechende Zahlungen. Sie kündigte die Betriebsvereinbarung Nr. 21 mit Schreiben vom 8. Dezember 1992 zum 31. März 1993. 1993 hat sie die Zahlung einer übertariflichen Weihnachtsgratifikation ganz eingestellt.
Der Gesamtbetriebsrat wendet sich in erster Linie gegen die Wirksamkeit der Kündigung der Betriebsvereinbarung Nr. 21. Er hat die Auffassung vertreten, die ordentliche Kündigung des allgemeinen Teils der Betriebsvereinbarung Nr. 21 sei ausgeschlossen. Dies ergebe die Auslegung dieser Betriebsvereinbarung. Deren Sinn sei die Sicherung des Besitzstandes derjenigen Mitarbeiter gewesen, die aufgrund einer langjährigen Praxis eine gesicherte Gratifikationsanwartschaft in der damaligen Höhe erworben hätten. Diese Anwartschaft sei ihnen nicht mehr zu entziehen gewesen. Bei Gratifikationen von mehr als 100 % des Monatsgehalts sei beabsichtigt gewesen, eine verläßliche Basis für die Zukunft zu schaffen. Nur deshalb sei der Gesamtbetriebsrat bereit gewesen, bei den weniger bestandsgeschützten Arbeitnehmern Kürzungen zuzustimmen.
Wenn man nicht so weit gehen wolle, einen konkludenten Ausschluß der ordentlichen Kündigung anzunehmen, sei eine Kündigung jedenfalls nur aus triftigen Gründen möglich, die hier nicht vorlägen. Außerdem wirke die Betriebsvereinbarung Nr. 21 selbst bei Annahme einer wirksamen Kündigung bis zu einer Neuregelung nach.
Der Gesamtbetriebsrat hat ferner die Auffassung vertreten, daß auch die Betriebsvereinbarung Nr. 59 fortgelte, weil sie sich nicht nur auf das Jahr 1991 beziehe. Vielmehr sei angesichts der langjährigen Gewährung einer Gratifikation und der Aneinanderreihung jährlicher Betriebsvereinbarungen von einer Dauerregelung auszugehen, die nur jeweils aktualisiert worden sei. Da die Arbeitgeberin die Betriebsvereinbarung Nr. 59 nicht gekündigt habe, gelte sie weiter. Auch wenn man davon ausgehe, daß sie befristet gewesen und ohne weiteres ausgelaufen sei, wirke sie jedenfalls bis zu einer Neuregelung nach. Die Arbeitgeberin habe nämlich die Zahlung einer zusätzlichen Gratifikation nicht gänzlich eingestellt, sondern lediglich eine mitbestimmungspflichtige Umgestaltung vorgenommen.
Der Gesamtbetriebsrat hat zuletzt beantragt
1. festzustellen, daß die Betriebsvereinbarung
Nr. 21 (Gesamtbetriebsvereinbarung) vom
13. Oktober 1982 hinsichtlich ihres Abschnitts
"Weihnachtsgratifikation allgemein" unverän-
dert fortbesteht, auch nicht durch Kündigung
der Arbeitgeberin vom 8. Dezember 1992 am
31. März 1993 endet, sondern nur durch außer-
ordentliche Kündigung aus besonderem Grunde
beendet werden kann,
hilfsweise
festzustellen, daß die Betriebsvereinbarung
Nr. 21 (Gesamtbetriebsvereinbarung) vom
13. Oktober 1982 hinsichtlich ihres Abschnitts
"Weihnachtsgratifikation allgemein" nach der
Kündigung zum 31. März 1993 fortgilt bis zu
einer Neuregelung zwischen den Beteiligten
über das Thema Weihnachtsgratifikation;
2. festzustellen, daß die Betriebsvereinbarung
Nr. 59 (Gesamtbetriebsvereinbarung) vom 9. Ok-
tober 1991 bis zu einer Neuregelung zwischen
den Beteiligten über das Thema Weihnachtsgra-
tifikation fortbesteht.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Betriebsvereinbarung Nr. 21 sei in ihrem allgemeinen Abschnitt - wenn diesem über das Jahr 1982 hinaus überhaupt Dauerwirkung zukommen sollte - ordentlich kündbar. Die Kündigung sei nicht konkludent ausgeschlossen. Gerade bei freiwilligen Sozialleistungen sei davon auszugehen, daß die ordentliche Kündigung uneingeschränkt zulässig sei, wenn nicht ausdrücklich eine anderweite Regelung getroffen worden sei. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung Nr. 12 bzw. der Betriebsvereinbarung Nr. 21 habe es keine unentziehbaren Anwartschaften der Arbeitnehmer gegeben. Die Regelung der Gratifikation durch Betriebsvereinbarung habe also nicht in gesicherte Rechtspositionen eingegriffen. Dies zeige im übrigen gerade die in der Betriebsvereinbarung Nr. 21 für 1982 vereinbarte lineare Absenkung um 9 %, von der auch diejenigen Arbeitnehmer nicht ausgenommen worden seien, deren Anwartschaften teilweise in ihrem Bestand gesichert wurden. Eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarung Nr. 21 scheide schon deshalb aus, weil für 1993 überhaupt keine übertariflichen Leistungen mehr erbracht worden seien.
Die Betriebsvereinbarung Nr. 59 habe mit der Zahlung der Gratifikation für 1991 ihren Zweck erfüllt und damit ihr Ende gefunden, ohne daß es einer Kündigung bedurft hätte. Die jährlich neue Festlegung der Gratifikation durch Betriebsvereinbarungen habe nicht zu einer "betrieblichen Übung" geführt. Die Betriebsvereinbarung Nr. 59 wirke schon deshalb nicht nach, weil sie einen einmaligen Fall geregelt habe - nämlich die Gratifikation für das Jahr 1991. Außerdem handele es sich um eine freiwillige Betriebsvereinbarung, so daß grundsätzlich keine Nachwirkung in Betracht komme. Daran ändere nichts der Umstand, daß es sich um eine teilmitbestimmte Regelung gehandelt habe. Für das Jahr 1992 sei ein vollkommen neuer "Topf" vorgesehen worden. Das bei der Verteilung dieses Topfes bestehende Mitbestimmungsrecht sei gewahrt worden, da der Gesamtbetriebsrat der angestrebten Verteilungsrelation nicht widersprochen habe. Im übrigen sei nur eine gleichmäßige Kürzung der Gratifikation aller Arbeitnehmer um 20 % vorgenommen worden. Die Kürzung sei wegen einer wirtschaftlichen Krise zur Sicherung der Arbeitsplätze erforderlich gewesen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Gesamtbetriebsrats auf Feststellung der Fortgeltung der Betriebsvereinbarung Nr. 21 abgewiesen, dem Antrag hinsichtlich der Betriebsvereinbarung Nr. 59 hingegen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Gesamtbetriebsrats zurückgewiesen und auf die Beschwerde der Arbeitgeberin den Antrag des Gesamtbetriebsrats insgesamt abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Gesamtbetriebsrat seine Anträge in vollem Umfang weiter.
II. Die Rechtsbeschwerde ist insgesamt unbegründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, daß die Betriebsvereinbarung Nr. 21 zum 31. März 1993 wirksam gekündigt worden ist (1) und über diesen Zeitpunkt hinaus nicht nachwirkt (2).
1. Die ordentliche Kündigung der Arbeitgeberin vom 8. Dezember 1992 war zur Beendigung der Betriebsvereinbarung Nr. 21 zwar erforderlich, aber auch zulässig.
a) Der Gesamtbetriebsrat war für den Abschluß der Betriebsvereinbarung zuständig. Bei einer freiwilligen Leistung wie der in Frage stehenden Weihnachtsgratifikation erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht auf die Entscheidung des Arbeitgebers, die Leistung überhaupt erbringen zu wollen. Es beschränkt sich vielmehr auf die Fragen der Verteilung. Dem Arbeitgeber steht daher das Recht zu, mitbestimmungsfrei vorzugeben, daß die Zulage nur im Rahmen einer unternehmenseinheitlichen Regelung erbracht wird. Das hat dann zur Folge, daß die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gegeben ist (vgl. zuletzt Senatsbeschluß vom 18. Oktober 1994 - 1 ABR 17/94 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, daß die Arbeitgeberin hier nur zu einer unternehmenseinheitlichen Regelung der Weihnachtsgratifikation bereit gewesen war.
Der erste Abschnitt der Betriebsvereinbarung Nr. 21, der die Überschrift "Weihnachtsgratifikation allgemein" trägt, enthält eine Regelung von Besitzständen und beanspruchte Geltung über das abgeschlossene Jahr hinaus auf unbestimmte Zeit. Wäre es nur um das Jahr 1982 gegangen, hätte es keiner herausgehobenen "allgemeinen" Regelung bedurft. Die Betriebsvereinbarung wurde insoweit auch folgerichtig bis 1993 angewandt. Die Arbeitgeberin selbst hat (zumindest vorsorglich) eine Kündigung ausgesprochen, diese also für angebracht gehalten.
b) Die Kündigung des Teils "Weihnachtsgratifikation allgemein" der Betriebsvereinbarung Nr. 21, die die Arbeitgeberin am 8. Dezember 1992 zum 31. März 1993 ausgesprochen hat, war form- und fristgerecht. Sie war auch nicht ausgeschlossen.
(1) Gemäß § 77 Abs. 5 BetrVG können Betriebsvereinbarungen mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden, soweit nichts anderes vereinbart ist. Eine andere Vereinbarung kann darin bestehen, daß die ordentliche Kündigung ausgeschlossen wird. Die Betriebsvereinbarung ist dann nur noch außerordentlich aus wichtigem Grund kündbar; das außerordentliche Kündigungsrecht ist nicht abdingbar (allgemeine Meinung, vgl. nur Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 312, 314; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 207, 210).
(2) Das Landesarbeitsgericht hat einen Ausschluß der ordentlichen Kündigung zu Recht verneint. Für eine andere Auslegung der Betriebsvereinbarung sind hinreichende Anhaltspunkte nicht gegeben.
Eine ausdrückliche Kündigungsregelung fehlt. Danach bleibt es grundsätzlich bei der gesetzlich vorgesehenen ordentlichen Kündbarkeit nach Maßgabe des § 77 Abs. 5 BetrVG. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem erkennbaren Sinn und Zweck der Vereinbarung. Daß den betroffenen Mitarbeitern die der Berechnung per 1. Dezember 1981 zugrunde liegenden Sätze "als Besitzstand erhalten" bleiben, läßt nicht auf den Willen beider Vertragsparteien schließen, eine ordentliche Kündigung ausschließen zu wollen. Soweit den Arbeitnehmern 1981 eine Gratifikation in Höhe von mehr als 100 % gezahlt worden war, sollte die mit der Betriebsvereinbarung Nr. 21 für 1982 eingeführte Beschränkung für sie nicht gelten. Darin lag eine Besitzstandswahrung, und zwar nicht nur für 1982, sondern auf unbestimmte Zeit - nämlich bis zu einer Kündigung der Betriebsvereinbarung. Ein weitergehender Besitzstandsschutz bis hin zu Anwartschaften, die nur noch aus wichtigem Grund entziehbar gewesen wären, ergibt sich aus dem Regelungszweck nicht. Selbst wenn man mit dem Gesamtbetriebsrat davon ausgeht, daß die Regelung eine verläßliche Basis für die Zukunft schaffen sollte, war dieses Ziel auch mit einer ordentlich kündbaren Betriebsvereinbarung zu erreichen. Tatsächlich hat sie ja über zehn Jahre lang Bestand gehabt. Darin lag zugleich eine Gegenleistung für die Zustimmung des Gesamtbetriebsrats zu einer Beschränkung der Gratifikation auf maximal 100 %. Daß der Gesamtbetriebsrat eine weitergehende Bindung der Arbeitgeberin erreicht hätte, ist nicht ersichtlich.
Der Betriebsvereinbarung läßt sich auch nicht entnehmen, daß die Betriebspartner übereinstimmend davon ausgegangen wären, den Arbeitnehmern habe eine unentziehbare Rechtsposition zugestanden. Gegen eine solche gemeinsame Überzeugung spricht schon, daß die Arbeitgeberin die übertarifliche Weihnachtsgratifikation immer nur mit dem ausdrücklichen Hinweis gewährte, die Leistung sei freiwillig und stehe unter dem Vorbehalt, daß aus der Zahlung kein Anspruch für die Zukunft abgeleitet werden könne. Dies galt schon für sämtliche bis 1979 noch ohne Beteiligung des Betriebsrats erfolgten Zahlungen. Aber auch die Betriebsvereinbarungen für die Jahre ab 1979 enthielten diesen Vorbehalt, sogar die Betriebsvereinbarung Nr. 21 selbst (und sämtliche folgenden Betriebsvereinbarungen). Daraus läßt sich nur schließen, daß jedenfalls die Arbeitgeberin bei Abschluß der Betriebsvereinbarung Nr. 21 davon ausging, daß ein unentziehbarer Anspruch auch bei denjenigen Arbeitnehmern, deren Gratifikation über 100 % lag, nicht bestand. Dies war für den Gesamtbetriebsrat unschwer zu erkennen und nicht mißzuverstehen.
Auch aus der Präambel der Betriebsvereinbarung Nr. 14 kann nichts anderes hergeleitet werden. In dieser Betriebsvereinbarung wurde eine Zahlung aus Anlaß von Arbeitsjubiläen geregelt (vgl. dazu die Entscheidung des BAG vom 3. November 1987 - 8 AZR 316/81 - AP Nr. 25 zu § 77 BetrVG 1972). Die Präambel lautet:
Um die Kontinuität des P -Vermögensbildungs-
planes zu gewährleisten, die Zuwendungen aus
Anlaß von Arbeitsjubiläen abzusichern und auch im
Jahre 1979 eine verdienst- und dienstzeitabhängi-
ge - und damit erhöhte - Weihnachtsgratifikation
zahlen zu können, sind Geschäftsführung und Ge-
samtbetriebsrat nach sorgfältiger Abwägung der
sozialen Belange der Mitarbeiter und der wirt-
schaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens
übereingekommen, diese wesentlichen Bestandteile
der freiwilligen Sozialleistungen des Unterneh-
mens im Zusammenhang zu regeln.
Dem läßt sich bezüglich des Weihnachtsgeldes nur entnehmen, daß dieses für 1979 gesichert werden sollte. Dementsprechend wurde in der Betriebsvereinbarung Nr. 12 für 1979 (erstmals) die Weihnachtsgratifikation geregelt, schon damals aber mit dem Vorbehalt, daß es sich um eine freiwillige Leistung handele, aus der keine Rechtsansprüche für die Zukunft hergeleitet werden könnten.
c) Die Kündigung der Betriebsvereinbarung Nr. 21 bedurfte keiner sachlichen Gründe. Für eine Beschränkung der ordentlichen Kündigung von Betriebsvereinbarungen gibt es im Betriebsverfassungsgesetz keine Anhaltspunkte. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Betriebsvereinbarungen fristgerecht frei kündbar (vgl. nur BAGE 61, 87 = AP Nr. 40 zu § 77 BetrVG 1972; BAGE 61, 323 = AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung; BAGE 64, 336 = AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung; BAGE 70, 41 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung; BAG Urteil vom 26. Oktober 1993 - 1 AZR 46/93 - AP Nr. 6 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung). Der Senat hat sich zuletzt in seiner Entscheidung vom 26. Oktober 1993 (aaO, zu 1 a der Gründe; vgl. auch BAGE 64, 336, 342 f. = AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, zu II 2 b (2) der Gründe) im einzelnen mit abweichenden Auffassungen auseinandergesetzt (vgl. u.a. Hanau/Preis, NZA 1991, 81 ff.; Schaub, BB 1990, 289 ff.). Er konnte sich diesen nicht anschließen. Die Rechtsbeschwerde hat keine neuen Gesichtspunkte hierzu vorgebracht.
Die Frage der Wirksamkeit der Kündigung ist nach der Rechtsprechung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts zu trennen von der Frage der Rechtsfolgen. Jedenfalls bei Betriebsvereinbarungen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung soll nach Auffassung des Dritten Senats eine erworbene Anwartschaft von der (uneingeschränkt zulässigen) Kündigung der Betriebsvereinbarung nicht mehr berührt werden (vgl. zuletzt etwa BAGE 70, 41 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung; Heither, RdA 1993, 72, 78). Ob die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch hinsichtlich freiwilliger Sozialleistungen - wie hier der Weihnachtsgratifikation - Anwendung finden, bedarf vorliegend keiner Klärung (offengelassen auch im Senatsurteil vom 26. Oktober 1993 - 1 AZR 46/93 - AP Nr. 6 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, zu 1 b der Gründe; dafür Hilger, Festschrift für Gaul, 1992, S. 327, 333 ff.). Wenn man davon ausginge, ergäben sich allenfalls Einzelansprüche der betroffenen Arbeitnehmer. Diese werden aber von den Anträgen des Gesamtbetriebsrats auf Fortgeltung der Betriebsvereinbarung (einschließlich der Nachwirkung) nicht erfaßt. Der Betriebsrat könnte solche Einzelansprüche auch gar nicht geltend machen.
2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarung Nr. 21 verneint.
Kündigt der Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung über eine freiwillige Leistung, so endet die normative Wirkung der kollektiven Regelung mit Ablauf der Kündigungsfrist. Die Arbeitnehmer können dann keine Ansprüche mehr auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung erwerben (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAGE 66, 8 = AP Nr. 5 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung; BAGE 61, 323 = AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung; BAGE 64, 336 = AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung; BAGE 61, 87 = AP Nr. 40 zu § 77 BetrVG 1972; zuletzt Senatsbeschluß vom 26. Oktober 1993 - 1 AZR 46/93 - AP Nr. 6 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung). Dies gilt grundsätzlich auch für teilmitbestimmte Leistungen, bei denen der Betriebsrat nur hinsichtlich des Leistungsplans mitzubestimmen hat, der Arbeitgeber hingegen frei ist in seiner Entscheidung, ob er überhaupt eine freiwillige Leistung erbringen will. Der Senat hat allerdings in seinem Urteil vom 26. Oktober 1993 (aaO) eine Nachwirkung dann bejaht, wenn der Arbeitgeber mit der Kündigung nicht beabsichtigt, die freiwillige Leistung vollständig entfallen zu lassen, sondern nur das zur Verfügung gestellte Volumen zu reduzieren und den Verteilungsschlüssel zu ändern. Aber auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarung Nr. 21 nicht in Betracht.
Im Streitfall handelte es sich zwar um eine teilmitbestimmte Regelung. Die umstrittene Kündigung diente aber nicht dem Ziel, das Volumen der Weihnachtsgratifikationsleistungen zu reduzieren und anders zu verteilen. Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, wurde für 1993 keine übertarifliche Gratifikation gewährt. Dies hatte die Arbeitgeberin bereits in ihrem Rundschreiben vom 5. November 1992 angekündigt und dabei ausdrücklich auf die beabsichtigte Kündigung der Betriebsvereinbarung Nr. 21 hingewiesen. Damit ist von einer Einstellung der entsprechenden Leistung auszugehen. Es ist nicht ersichtlich, daß die Arbeitgeberin entschlossen gewesen wäre, für 1993 doch noch eine (geänderte) Weihnachtsgratifikation freiwillig zu erbringen. Allein die Möglichkeit einer späteren Wiederaufnahme der übertariflichen Leistung kann keine Nachwirkung erzeugen. Sinn der Nachwirkung teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen ist die kontinuierliche Wahrung betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte. Steht überhaupt nicht fest, ob, wann und in welcher Weise zukünftig eine mitbestimmungspflichtige Regelungsfrage in bezug auf Weihnachtsgratifikationen (wieder) entstehen kann, der Spruch einer Einigungsstelle also in Betracht kommt, hat die gekündigte Betriebsvereinbarung ihre Bedeutung als kollektivrechtliche Verhandlungsgrundlage verloren.
B. Unbegründet ist auch der Antrag des Gesamtbetriebsrats auf Feststellung der Fortgeltung der Betriebsvereinbarung Nr. 59.
1. Diese Betriebsvereinbarung endete, ohne daß es einer Kündigung bedurfte, mit der Gewährung des Weihnachtsgeldes für 1991 - gleichgültig, ob man sie als zeitlich befristet ansieht oder davon ausgeht, daß sie wegen Zweckerreichung wirkungslos wurde. Sie gewährte einen Anspruch auf übertarifliche Gratifikationen nur für das Jahr 1991 und kann damit keine Wirkung für 1992 entfalten.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Tatsache, daß seit 1979 jährlich eine Betriebsvereinbarung über die Gewährung einer zusätzlichen Weihnachtsgratifikation abgeschlossen worden war. Alle diese Betriebsvereinbarungen begründeten einen Zahlungsanspruch jeweils nur für ein bestimmtes Kalenderjahr. Eine solche Gestaltungsmöglichkeit steht den Betriebsparteien rechtlich offen. Der Gesamtbetriebsrat vertritt demgegenüber die Ansicht, es sei in Wahrheit von einer kündigungsbedürftigen Dauerregelung auszugehen, die nur jährlich konkretisiert wurde. Das ist nicht überzeugend. Die jährliche Hervorhebung, daß Ansprüche für die Zukunft nicht entstehen, macht deutlich, daß die Beteiligten keine Dauerregelung im Auge hatten; die Arbeitgeberin wollte ersichtlich eine so weitgehende Bindung nicht eingehen. Der Gesamtbetriebsrat konnte angesichts der jährlichen Erwähnung des Vorbehalts nach Treu und Glauben nicht von einer Regelung auf unbestimmte Zeit ausgehen. Auch für die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer war das hinreichend deutlich.
2. Der Betriebsvereinbarung Nr. 59 kommt keine Nachwirkung zu. Auch insoweit ist dem Landesarbeitsgericht zu folgen.
a) Eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung über eine freiwillige Leistung kann zwar nach dem Senatsurteil vom 26. Oktober 1993 (- 1 AZR 46/93 - AP Nr. 6 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung) unter Umständen nachwirken. Die Voraussetzungen hierfür sind jedoch für die Betriebsvereinbarung Nr. 59 schon dem Grunde nach nicht gegeben. Sie regelt nur die Gratifikation für das Jahr 1991. Als Regelung eines einmaligen Sachverhalts gilt ihre Nachwirkung als vertraglich ausgeschlossen.
Die Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG ist dispositiv. Sie kann von den Betriebspartnern abbedungen werden (BAG Beschluß vom 9. Februar 1984 - 6 ABR 10/81 - BAGE 45, 132 = AP Nr. 9 zu § 77 BetrVG 1972; Berg in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 60; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 77 Rz 61; Kreutz, GK-BetrVG, aaO, § 77 Rz 334, 343; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 45). Ein solcher Ausschluß kann sich aus der Natur der Sache ergeben und damit als konkludent vereinbart gelten. Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn die Betriebsvereinbarung einen einmaligen, zeitlich begrenzten Gegenstand regelt (Berg in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, aaO; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO; Galperin/Löwisch, aaO; ähnlich Kreutz, aaO, § 77 Rz 334).
b) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, daß es seit 1979 jährlich zu einer Einigung kam. Für den Gesamtbetriebsrat war klar zu erkennen, daß die Arbeitgeberin sich jeweils nur für ein Jahr festlegen wollte und nicht bereit war, sich - falls es nicht zu einer Neuregelung kommen sollte - im Wege der Nachwirkung dann doch an die Sätze des Vorjahres binden zu lassen. Der Freiwilligkeitsvorbehalt, den die Betriebspartner ausdrücklich vereinbart haben, stellte das klar. Für die Anwendung einer Unklarheitenregel zu Lasten der Arbeitgeberin besteht insoweit kein Raum.
Daß dieser Nachwirkungsausschluß nicht sachwidrig war, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht hervorgehoben. Die Höhe eines zusätzlichen jährlichen Weihnachtsgeldes ist abhängig von einer Reihe wirtschaftlicher Faktoren, die nicht alle im voraus sicher abzuschätzen sind. Daß sich die Arbeitgeberin wegen ihrer guten wirtschaftlichen Entwicklung in der Lage sah, über einen längeren Zeitraum hin übertarifliche Weihnachtsgratifikationen zu erbringen, änderte nichts an der Tatsache, daß sich die Voraussetzungen jederzeit ändern konnten, künftige Zahlungen also nicht bereits als gesichert, Kürzungen als ausgeschlossen angesehen werden durften.
Dieterich Wißmann Rost
K. Feucht Rose
Fundstellen
Haufe-Index 436814 |
BB 1995, 1643 |
BB 1995, 1643-1644 (LT1-2) |
DB 1995, 1918-1920 (LT1-2) |
DStR 1996, 33 (K) |
EBE/BAG 1995, 114-117 (LT1-2) |
AiB 1995, 792-793 (LT1) |
BetrVG, (28) (LT1-2) |
JR 1996, 132 |
NZA 1995, 1010 |
NZA 1995, 1010-1013 (LT1-2) |
ZAP, EN-Nr 816/95 (S) |
AP § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung (LT1-2), Nr 7 |
AR-Blattei, ES 520 Nr 62 (LT1-2) |
EzA § 77 BetrVG 1972, Nr 54 (LT1-2) |