Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Unterrichtungspflicht nach § 106 Abs 2 BetrVG
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Geschäftsführer einer GmbH ist verpflichtet, den Wirtschaftsausschuß darüber zu unterrichten, daß sämtliche Geschäftsanteile der GmbH auf einen neuen Gesellschafter übergegangen sind. Außerdem hat er dem Wirtschaftsausschuß mitzuteilen, ob im Zusammenhang mit der Abtretung der Geschäftsanteile Absprachen über die künftige Geschäftsführung und Geschäftspolitik erfolgt sind.
2. Der notarielle Vertrag über die Veräußerung der Geschäftsanteile betrifft das Verhältnis zwischen dem bisherigen und dem neuen Gesellschafter. Es handelt sich hierbei nicht um eine Unterlage des Unternehmens, die nach § 106 Abs 2 BetrVG dem Wirtschaftsausschuß vorzulegen ist.
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 29.03.1989; Aktenzeichen 4 TaBV 182/88) |
ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 08.09.1988; Aktenzeichen 3 BV 20/88) |
Gründe
A. Der Arbeitgeber betreibt in der Rechtsform einer GmbH eine Papiergroßhandlung und beschäftigt in der Zentrale und verschiedenen Niederlassungen insgesamt ca. 430 Arbeitnehmer. Die in den einzelnen Betrieben gewählten Betriebsräte haben einen Gesamtbetriebsrat gebildet, der seinerseits einen Wirtschaftsausschuß errichtet hat.
Die Gesellschafter der GmbH, zu denen auch ihr Geschäftsführer gehört, veräußerten durch notariellen Vertrag vom 15. Dezember 1987 ihre sämtlichen Geschäftsanteile per 1. Januar 1988 an die Firma B in London. In der Anlage zu diesem Veräußerungsvertrag ist der Status der GmbH dokumentiert, hierin finden sich Geschäftsführerverträge, Verträge mit leitenden Angestellten, Berater-, Miet-, Darlehns-, Handelsvertreter-, Versicherungs-, Leasing- und Lizenzverträge sowie Unterlagen über Rechtsstreitigkeiten.
Der Gesamtbetriebsrat und der Wirtschaftsausschuß, die zunächst mündlich über den Vorgang informiert worden waren, forderten in einer Sitzung am 22. Dezember 1987 den Arbeitgeber auf, sämtliche Unterlagen über den Verkauf der Geschäftsanteile, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen und der vereinbarten Konditionen, dem Wirtschaftsausschuß zur Einsichtnahme vorzulegen. Der Arbeitgeber erteilte daraufhin die Auskunft, daß keinerlei Absprachen hinsichtlich der weiteren Geschäftsführung anläßlich der Veräußerung getroffen worden, demzufolge auch keinerlei Regelungen in dem Veräußerungsvertrag vorhanden seien, und weigerte sich im übrigen, den Veräußerungsvertrag vorzulegen. Der Gesamtbetriebsrat verlangte daraufhin in einem vorangegangenen Beschlußverfahren (- 3 BV 2/88 - ArbG Wuppertal) die Errichtung einer Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG. Dem Antrag wurde in erster und zweiter Instanz durch Bestellung eines Vorsitzenden der Einigungsstelle entsprochen. Das Einigungsstellenverfahren ist zur Zeit ausgesetzt.
Mit dem vorliegenden Beschlußverfahren begehrt der Arbeitgeber die Feststellung, daß er das Auskunftsverlangen des Wirtschaftsausschusses durch die erteilte Auskunft erfüllt hat und nicht verpflichtet ist, dem Wirtschaftsausschuß den Veräußerungsvertrag vom 15. Dezember 1987 nebst Status zu überlassen bzw. zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen.
Er hat die Auffassung vertreten, er sei für den geltend gemachten Anspruch nicht passivlegitimiert. Er sei nicht in der Lage, dem Begehren des Gesamtbetriebsrats zu entsprechen, denn an Veräußerungsverträgen sei die GmbH nicht beteiligt und folglich auch nicht vorlegungsberechtigt. Abschluß und Vorlage des Veräußerungsvertrages sei allein Sache der einzelnen Gesellschafter.
Soweit das Auskunftsbegehren des Gesamtbetriebsrats berechtigt sei, habe er es ordnungsgemäß erfüllt. Er habe den Wirtschaftsausschuß und den Gesamtbetriebsrat über den allein entscheidenden Vorgang, nämlich die Tatsache der Veräußerung der Geschäftsanteile, unterrichtet und ihnen den Namen des neuen Gesellschafters mitgeteilt, sowie erklärt, daß irgendwelche Absprachen über die künftige Geschäftspolitik nicht getroffen worden seien.
Der Arbeitgeber hat zuletzt (in II. Instanz) beantragt
1. festzustellen, daß er weder verpflichtet ist,
dem Gesamtbetriebsrat den Veräußerungsvertrag vom
15. Dezember 1987 zwischen der B /London
und den ehemaligen Gesellschaftern der GmbH be-
treffend die Veräußerung von Geschäftsanteilen der
Firma Wilhelm S GmbH nebst dem Status der
Gesellschaft zu überlassen noch ihm diesen Vertrag
zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen;
2. festzustellen, daß das Auskunftsverlangen des Gesamt-
betriebsrats vom 17. Dezember 1987 dadurch erfüllt
worden ist, daß er dem Gesamtbetriebsrat die Tatsache
der Veräußerung mitgeteilt hat und weiterhin mitge-
teilt hat, daß keinerlei Absprachen in dem Veräuße-
rungsvertrag nebst Anlage im Hinblick auf die
weitere Geschäftsführung und Geschäftspolitik der
Firma S GmbH getroffen worden sind.
Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Arbeitgeber sei verpflichtet, Auskunft über die Modalitäten der Veräußerung sowie die Auswirkungen auf das Unternehmen und die Belegschaft zu erteilen. Nach § 106 BetrVG sei der Arbeitgeber verpflichtet, über den genauen Inhalt der Übertragungsvorgänge zu berichten und hierzu den notariellen Kaufvertrag vom 15. Dezember 1987 vorzulegen. Entscheidend sei insoweit allein, daß die Übertragung der Gesellschafteranteile ein Vorgang sei, welcher die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren könne.
Sinn und Zweck von § 106 BetrVG sei, den Wirtschaftsausschuß rechtzeitig von unternehmerischen Maßnahmen zu unterrichten, um diesem Gelegenheit zu geben, hierauf Einfluß zu nehmen. Dieser Zweck erfordere die Einsichtnahme in den Veräußerungsvertrag, um feststellen zu können, ob hierin irgendwelche Abreden hinsichtlich der künftigen Geschäftspolitik niedergelegt worden seien. Er brauche sich mit der bloßen Behauptung des Arbeitgebers, dies sei nicht der Fall, nicht zufrieden zu geben, sondern habe Anspruch darauf, unter Vorlage der Urkunden informiert zu werden. Der Geschäftsführer der GmbH habe Kenntnis von diesem Vertrag und diesen Vertrag in seinem Besitz, so daß er auch zu dessen Vorlage in der Lage sei.
Das Arbeitsgericht hat unter Zurückweisung der Anträge des Arbeitgebers im übrigen festgestellt, daß der Arbeitgeber nicht verpflichtet sei, den Preis für den Verkauf der Geschäftsanteile der GmbH und die Art seiner Begleichung dem Gesamtbetriebsrat urkundlich offenzulegen. Das Landesarbeitsgericht hat den Anträgen des Arbeitgebers stattgegeben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Gesamtbetriebsrat seinen Abweisungsantrag weiter, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.
B. Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats ist nicht begründet.
I. Die Anträge des Arbeitgebers sind zulässig.
1. Die Beteiligten streiten darum, ob der Vertrag über die Veräußerung sämtlicher Geschäftsanteile eine erforderliche Unterlage über "wirtschaftliche Angelegenheiten" im Sinne von § 106 BetrVG ist. Hierüber entscheiden die Gerichte für Arbeitssachen im Beschlußverfahren. Die Frage, ob die geforderte Unterlage eine "wirtschaftliche Angelegenheit" betrifft, ist eine Rechtsfrage; deshalb besteht keine Primärzuständigkeit der Einigungsstelle (vgl. Senatsbeschluß vom 8. August 1989, BAGE 62, 294, 308 = EzA § 106 BetrVG 1972 Nr. 8, zu B II 2 b bb der Gründe; Henssler, Anm. zu EzA § 106 BetrVG 1972 Nr. 8, unter IV 2 b; Fitting/ Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 109 Rz 1; Rumpff/ Boewer, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 3. Aufl. 1990, S. 230 f.).
2. Für die Feststellungsanträge des Arbeitgebers besteht ein Rechtsschutzinteresse. Der Gesamtbetriebsrat berühmt sich des Rechts, der Arbeitgeber habe den Veräußerungsvertrag über die Geschäftsanteile vom 15. Dezember 1987 dem Wirtschaftsausschuß zu überlassen.
Nach den vom Landesarbeitsgericht aufgenommenen Anträgen beantragt der Arbeitgeber festzustellen, daß keine Verpflichtung zur Überlassung der Urkunde an den Gesamtbetriebsrat besteht. Insoweit handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 319 ZPO. Der Streit der Beteiligten ging von Anfang an darum, ob nach § 106 Abs. 2 BetrVG der Veräußerungsvertrag dem Wirtschaftsausschuß zu überlassen ist.
3. Der Gesamtbetriebsrat ist Beteiligter in einem Verfahren, in dem es um Auskunftsansprüche des Wirtschaftsausschusses geht (BAGE 47, 218 = AP Nr. 3 zu § 106 BetrVG 1972; Beschluß vom 8. August 1989, aaO, zu B I 4 der Gründe), weil er ein eigenes betriebsverfassungsrechtliches Recht gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht, wenn er die Vorlage einer erforderlichen Unterlage oder eine Auskunft über eine wirtschaftliche Angelegenheit an den Wirtschaftsausschuß verlangt. Ist aber der Gesamtbetriebsrat Träger der Auskunftsansprüche gegenüber dem Unternehmer, so wird der Wirtschaftsausschuß durch eine Entscheidung über diese Ansprüche in seiner Rechtsstellung nicht berührt. Der Wirtschaftsausschuß ist daher nicht Beteiligter im vorliegenden Verfahren (vgl. Senatsbeschluß vom 8. August 1989, aaO, zu B I 4 b der Gründe).
II. Die Anträge des Arbeitgebers sind begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht eine Verpflichtung des Arbeitgebers verneint, dem Wirtschaftsausschuß den Veräußerungsvertrag vom 15. Dezember 1987 nebst dem Status der Gesellschaft vorzulegen; dieser ist keine auf eine wirtschaftliche Angelegenheit im Sinne von § 106 Abs. 3 BetrVG bezogene Unterlage des Unternehmens, deren Vorlage nach § 106 Abs. 2 BetrVG erforderlich ist.
1. Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten gehören nach § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG "sonstige Vorgänge und Vorhaben, die die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können". Die Bestimmung enthält eine beschränkte Generalklausel (vgl. BAGE 26, 286, 291 = AP Nr. 1 zu § 106 BetrVG 1972, zu II 1 b der Gründe; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 106 Rz 24). Es werden mit ihr alle Fragen erfaßt, die das wirtschaftliche Leben des Unternehmens in entscheidenden Punkten betreffen, jedoch stets unter der Voraussetzung, daß die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berührt werden können; es muß also möglich sein, das sie von erheblicher sozialer Auswirkung sein können (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 106 Rz 47; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., §§ 106 bis 109 Rz 73; Gutzmann, DB 1989, 1083, 1084). Vorgänge und Vorhaben, die zugleich wesentliche Interessen der Arbeitnehmer berühren können, sind u.a. die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, Unternehmenszusammenschlüsse, eine Aufspaltung des Unternehmens in Besitz- und Betriebsgesellschaft, der Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber nach § 613 a BGB (vgl. Dietz/Richardi, aaO; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 106 Rz 72; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO). Entsprechend hat der Senat bereits im Beschluß vom 25. Juli 1989 (- 1 ABR 41/88 - AP Nr. 38 zu § 80 BetrVG 1972, zu B III 2 b der Gründe) erwogen, in der Aufnahme eines neuen Gesellschafters im Hinblick auf mögliche Folgewirkungen für die Arbeitnehmer eine wirtschaftliche Angelegenheit im Sinne von § 106 Abs. 3 BetrVG zu erblicken. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß auch die Veräußerung sämtlicher Geschäftsanteile einer GmbH an einen neuen Gesellschafter nach § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG mitzuteilen ist, da auch hierdurch die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer in mehrfacher Hinsicht wesentlich berührt werden können, sei es, daß dieser Gesellschafter ein Konkurrenzunternehmen betreibt und deshalb die Produktion einschränken, möglicherweise den Betrieb sogar stillegen will, sei es, daß er andere Eingriffe in die bisherige Geschäftsführung und Geschäftspolitik plant. Deshalb sind die Tatsache der Veräußerung, der Name des neuen Erwerbers und eventuelle Planungen über die künftige Unternehmenspolitik dem Wirtschaftsausschuß mitzuteilen.
2. Vorliegend geht es dem Gesamtbetriebsrat nicht um diese Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses, sondern allein um die Vorlage des notariellen Veräußerungsvertrages über die Geschäftsanteile. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Inhalt dieses Veräußerungsvertrages betreffe keine wirtschaftliche Angelegenheit des Unternehmens im Sinne von § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG, sondern sei allein Sache der daran beteiligten einzelnen Gesellschafter. Er sei auch keine Unterlage des Unternehmens, die nach § 106 Abs. 2 BetrVG vorzulegen sei.
Das Landesarbeitsgericht ist bei seiner Entscheidung zutreffend von Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 106 BetrVG ausgegangen. Danach soll der Wirtschaftsausschuß gleichgewichtig mit dem Unternehmer über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmers beraten (Senatsbeschluß vom 20. November 1984, BAGE 47, 218, 225 = AP Nr. 3 zu § 106 BetrVG 1972, zu B II 3 b der Gründe; Senatsbeschluß vom 8. August 1989, aaO, zu B II 2 b aa 1 der Gründe, m.w.N.) und andererseits den Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat in wirtschaftlichen Angelegenheiten unterrichten. Grundlage für die Erfüllung beider Aufgaben bildet die Unterrichtung durch den Unternehmer nach § 106 Abs. 2 BetrVG. Sinnvoll ist die Beratung der wirtschaftlichen Angelegenheiten zwischen Wirtschaftsausschuß und Unternehmer nur, wenn der Wirtschaftsausschuß Gelegenheit hat, auf die Planungen des Unternehmers Einfluß zu nehmen. Dementsprechend soll die Verpflichtung, den Wirtschaftsausschuß rechtzeitig und umfassend zu unterrichten, sicherstellen, daß der Wirtschaftsausschuß und der von ihm unterrichtete Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat Einfluß auf die Gesamtplanung nehmen kann, weil diese sich in der Regel auf die Personalplanung auswirkt (Senatsbeschluß vom 20. November 1984, aaO, zu B II 2 a und b der Gründe, m.w.N.). Der Unternehmer muß also vor geplanten unternehmerischen Entscheidungen und sonstigen Vorhaben den Wirtschaftsausschuß so frühzeitig informieren, daß dieser und der Betriebsrat durch ihre Stellungnahme und eigene Vorschläge noch Einfluß auf die Gesamtplanung wie auch auf die einzelnen Vorhaben nehmen können (vgl. Dietz/Richardi, aaO, § 106 Rz 17; Galperin/Löwisch, aaO, § 106 Rz 30; Hess/Schlochauer/ Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 106 Rz 22; Rumpff/Boewer, aaO, S. 193).
3. Bei der Veräußerung sämtlicher Geschäftsanteile einer GmbH geht es nicht um eine unternehmerische Entscheidung, sondern um einen sonstigen Vorgang im Sinne von § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG. Über einen solchen Vorgang hat der Unternehmer den Wirtschaftsausschuß zu unterrichten. Dieser Verpflichtung ist der Unternehmer nachgekommen, indem er den Wirtschaftsausschuß über die Tatsache der Veräußerung sämtlicher Geschäftsanteile an einen neuen Gesellschafter informiert, den Namen und die Anschrift des neuen Gesellschafters mitgeteilt und davon in Kenntnis gesetzt hat, daß in dem Veräußerungsvertrag keinerlei Absprachen über Geschäftsführung und Geschäftspolitik getroffen worden seien.
Hat der Unternehmer - wie vorliegend - nur über einen Vorgang wie den Gesellschafterwechsel zu berichten, kommt eine Beratung zwischen Unternehmer und Wirtschaftsausschuß nicht in Betracht, weil auf der Unternehmensebene sich nichts verändert hat. Deshalb ist auch die Vorlage von Unterlagen nicht erforderlich. Erst wenn aufgrund des Gesellschafterwechsels vom Arbeitgeber unternehmerische Maßnahmen geplant werden, die die Interessen der Arbeitnehmer berühren können, hat der Unternehmer den Wirtschaftsausschuß erneut zu unterrichten und alle für eine Beratung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Vorliegend hat der Unternehmer/Arbeitgeber dem Wirtschaftsausschuß mitgeteilt, daß solche Maßnahmen nicht geplant sind.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Angaben des Unternehmers/Arbeitgebers könnten unrichtig sein. Die Vorlage von Unterlagen nach § 106 Abs. 2 BetrVG dient nicht der Kontrolle darüber, ob die Unterrichtung des Unternehmers wahrheitsgemäß ist; wäre es anders, müßte der Arbeitgeber dem Wirtschaftsausschuß sämtliche Unterlagen des Unternehmens auf Verlangen vorlegen, denn auf andere Weise kann nicht überprüft werden, ob die Unterrichtung durch den Unternehmer vollständig gewesen ist. Die Vorlage der Unterlagen nach § 106 Abs. 2 BetrVG bezweckt ausschließlich die gleichgewichtige und damit grundsätzlich vom selben Kenntnisstand ausgehende Beratung über wirtschaftliche Angelegenheiten, also über Vorhaben und mögliche Folgen, die sich aus wirtschaftlichen Vorgängen ergeben, soweit sie die Interessen der Arbeitnehmer berühren können. Diese Sicht des § 106 Abs. 2 BetrVG führt nicht zu einer Verkürzung des Beteiligungsrechts nach § 106 BetrVG. Absprachen und Vorgaben für die Geschäftspolitik werden verwirklicht durch Weisungen an den Geschäftsführer, der dann gehalten ist, den Wirtschaftsausschuß zu unterrichten. Der Geschäftsführer wäre schlecht beraten, würde er dem Wirtschaftsausschuß gegenüber eine geplante Maßnahme zunächst zu verschweigen. Im vorliegenden Falle hat sich denn auch bis auf den heutigen Tag, also innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren, nichts an Geschäftsführung und Geschäftspolitik verändert.
Jedenfalls solange die Übertragung der Geschäftsanteile auf einen neuen Gesellschafter nicht mit einer Absprache über die künftige Geschäftsführung oder Geschäftspolitik verbunden ist, betrifft der Inhalt des Veräußerungsvertrages ausschließlich das Innenverhältnis der ehemaligen Gesellschafter zum neuen Gesellschafter, nicht jedoch das Unternehmen. Die Gesellschaft hat nach § 16 GmbHG ebensowenig einen Anspruch auf Vorlage des Veräußerungsvertrages wie der Wirtschaftsausschuß. Der Gesellschaft gegenüber muß der neue Gesellschafter nur nachweisen, daß er die Geschäftsanteile erworben hat.
4. Betrifft der Inhalt des Veräußerungsvertrages nur das Innenverhältnis der Gesellschafter, nicht das Unternehmen und gibt die Tatsache der Veräußerung der Geschäftsanteile auf einen neuen Gesellschafter keinen Anlaß zur Beratung zwischen Unternehmer und Wirtschaftsausschuß, solange das Unternehmen eine Veränderung in der Geschäftsführung und Geschäftspolitik nicht plant, besteht auch keine Rechtsgrundlage für die Vorlage des Vertrages über die Veräußerung der Geschäftsanteile. Da der Unternehmer im übrigen seine Unterrichtungspflicht hinsichtlich der Tatsache der Veräußerung aller Geschäftsanteile auf einen neuen Gesellschafter erfüllt hat, war die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats zurückzuweisen.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
K. H. Janzen Dr. Federlin
Fundstellen
BAGE 67, 97-105 (LT1-2) |
BAGE, 97 |
BB 1991, 1191 |
BB 1991, 1191-1193 (LT1-2) |
DB 1991, 1176-1177 (LT1-2) |
AiB 1991, 437 (LT1-2) |
BetrR 1991, 271-272 (LT1-2) |
BetrVG, (3) (LT1-2) |
ARST 1991, 123-125 (LT1-2) |
ASP 1991, Nr 7/8, 52-53 (KT) |
NZA 1991, 649-651 (LT1-2) |
RdA 1991, 190 |
WiR 1992, 58-60 (LT) |
AP § 106 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 9 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVD Entsch 16 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 530.14.4 Nr 16 (LT1-2) |
AuA 1992, 124-125 (LT1-2) |
EzA § 106 BetrVG 1972, Nr 14 (LT1-2) |
MDR 1991, 775 (LT1-2) |
RDV 1991, 263-265 (LT) |
GmbHR 1991, 313 |