Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats bei vorübergehender Verlängerung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten
Leitsatz (amtlich)
- Der Betriebsrat hat bei der vorübergehenden Verlängerung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitzubestimmen (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 16. Juli 1991 – 1 ABR 69/90 – AP Nr. 44 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Dieses Mitbestimmungsrecht wird nicht durch eine tarifliche Regelung ausgeschlossen, wonach Mehrarbeit der Teilzeitbeschäftigten nur diejenige Arbeitszeit sein soll, die über die regelmäßige Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter hinausgeht.
- Der Senat hält fest an seiner Rechtsprechung zum allgemeinen Unterlassungsanspruch bei Verletzungen des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 BetrVG (Beschluß vom 3. Mai 1994 – 1 ABR 24/93 – BAGE 76, 364 = AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972).
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3, § 23; Manteltarifvertrag für die Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen vom 29. Februar 1988 i.d.F. vom 6. Mai 1990 § 5 Abs. I Nrn. 1, 5
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Beschluss vom 13.12.1995; Aktenzeichen 11 TaBV 44/95) |
ArbG Essen (Beschluss vom 23.03.1995; Aktenzeichen 3 BV 21/95) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Dezember 1995 – 11 TaBV 44/95 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei vorübergehender Verlängerung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten.
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Metallindustrie. Sie wendet in ihrer Niederlassung Essen die Tarifverträge der nordrhein-westfälischen Metallindustrie an, darunter den Manteltarifvertrag vom 29. Februar 1988 in der Fassung vom 6. Mai 1990. Dieser enthält u.a. folgende Regelung:
§ 5
I. Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
1. Mehrarbeit sind die über die nach den §§ 3 und 4 festgelegte individuelle regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden; hierunter fallen nicht die Arbeitsstunden, die im Rahmen des § 4 Nr. 3 außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zum Ausgleich ausgefallener Arbeitsstunden vor- oder nachgearbeitet werden.
…
Für Teilzeitbeschäftigte ist Mehrarbeit die Arbeitszeit, die über die Dauer der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer hinausgeht. Sind keine vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer vorhanden, ist Mehrarbeit die Arbeitszeit, die über sieben Stunden pro Tag hinausgeht. Daher ist Arbeit an einem sonst für den Teilzeitbeschäftigten arbeitsfreien Tag Mehrarbeit.
2. …
3. …
4. …
5. Notwendige Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntagsund Feiertagsarbeit ist zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu vereinbaren und ist zu leisten, wobei berechtigte Wünsche der Arbeitnehmer nach Möglichkeit berücksichtigt werden.
Die Arbeitgeberin beschäftigt in Essen die Teilzeitkräfte M…, K…, Kr…, R… und S…. Mit diesen hat sie arbeitsvertraglich eine wöchentliche Arbeitszeit von 25 Stunden vereinbart. In den gleichlautenden Anstellungsverträgen heißt es jeweils unter Nr. 7.:
Ihre wöchentliche Arbeitszeit beträgt 25 Stunden. Sie erklären sich bereit, im Bedarfs- bzw. Vertretungsfall (Krankheit, Urlaub usw.) auch ganztags (zur Zeit 37 Stunden pro Woche) tätig zu sein. Die Bezahlung hierfür erfolgt als Grundvergütung ohne Zuschläge.
Mit der Arbeitnehmerin K… ist diese Regelung im Zusammenhang einer Verkürzung ihrer Arbeitszeit von 37 auf 25 Wochenstunden vereinbart worden. Eine Betriebsvereinbarung über die Regelung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten besteht in Essen nicht.
Die Arbeitgeberin hat in der Vergangenheit die Teilzeitkräfte wiederholt vorübergehend mit voller wöchentlicher Arbeitszeit eingesetzt, und zwar jährlich für die Dauer von jeweils durchschnittlich ca. drei bis vier Monaten. Sie hat hierbei den Betriebsrat nicht beteiligt.
Dieser ist der Auffassung, der Einsatz der Teilzeitkräfte über die vertraglich vorgesehene Regelarbeitszeit hinaus stelle eine gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtige Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit dar. Es gehe nicht um die gegenseitige Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung zweier Teilzeitkräfte, die sich zusammen einen Vollzeitarbeitsplatz teilten. Dies mache schon der Umfang des erweiterten Einsatzes deutlich. Tatsächlich seien die Teilzeitkräfte auch dann zur vollen Beschäftigung herangezogen worden, wenn der angebliche Arbeitsplatzpartner gar nicht verhindert gewesen sei. Das Mitbestimmungsrecht sei nicht durch tarifliche Regelung ausgeschlossen. Der Manteltarifvertrag regele nur, ab wann Teilzeitbeschäftigte für zusätzliche Arbeit einen Überstundenzuschlag beanspruchen könnten.
Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,
der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Arbeit bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern anzuordnen oder entgegenzunehmen, die deswegen erforderlich wird, weil Krankheits- oder Urlaubsvertretungen vorzunehmen sind oder zusätzlicher Arbeitsanfall vorliegt, soweit das vertragliche Arbeitszeitvolumen überschritten wird, ohne daß der Betriebsrat dem vorher zugestimmt hat bzw. die Einigungsstelle die Einigung zwischen den Beteiligten ersetzt hat.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sei durch die tarifliche Regelung ausgeschlossen. Danach sei Mehrarbeit auch für Teilzeitbeschäftigte nur diejenige Arbeit, die die Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitkraft übersteige. Hierin komme zum Ausdruck, daß eine vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit innerhalb dieses Rahmens ohne Beteiligung des Betriebsrats möglich sein solle. Im übrigen seien die betroffenen Arbeitnehmerinnen auch keine reinen Teilzeitkräfte, wie aus dem Umfang ihres erweiterten Einsatzes deutlich werde. Frau K… und Frau M… sowie Frau Kr… und Frau S… seien schon bei ihrer Einstellung darauf hingewiesen worden, daß sie sich eine volle Stelle im Sekretariat teilten und bei Ausfall der jeweils anderen Kraft ganztägig tätig sein müßten.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin unter Neufassung des Tenors entsprechend dem zweitinstanzlich präzisierten Antrag zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin weiterhin, den Antrag abzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zutreffend bejaht.
I. Der Antrag ist zulässig. In der zweitinstanzlich zuletzt gestellten Form, die das Landesarbeitsgericht klarstellend tenoriert hat, ist er bestimmt genug. Er umschreibt konkret die Fälle, in denen der Betriebsrat verlangt, daß die Arbeitgeberin nicht ohne seine vorherige Zustimmung das mit den teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern vereinbarte Arbeitszeitvolumen erhöht (s. zu einer entsprechenden Antragstellung Senatsbeschluß vom 16. Juli 1991 – 1 ABR 69/90 – AP Nr. 44 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit).
Der Antrag ist dabei dahin auszulegen, daß es um die Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit von 25 Wochenstunden geht. Als “vertragliches Arbeitszeitvolumen” im Sinne des Antrags gilt also nicht der vorbehaltene erweiterte Einsatz, der gerade den vorliegenden Streit veranlaßt hat.
Einschränkend ist der Antrag weiterhin dahin zu verstehen, daß es nur um die Erweiterung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten bis hin zur Arbeitszeit vergleichbarer vollbeschäftigter Arbeitnehmer geht. Daß die Anordnung darüber hinausgehender Arbeitszeit auch aus der Sicht der Arbeitgeberin mitbestimmungspflichtige “Mehrarbeit” ist, steht zwischen den Parteien außer Frage.
II. Der Antrag ist begründet. Dem Betriebsrat steht das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht zu.
1. Gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Verlängerung oder Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Dieses Mitbestimmungsrecht erfaßt auch die vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten. Unter betriebsüblicher Arbeitszeit ist die regelmäßige Arbeitszeit zu verstehen. Der Begriff der Betriebsüblichkeit ist nicht dahin zu deuten, daß es im Betrieb nur eine betriebsübliche Arbeitszeit – etwa diejenige, die für die Mehrzahl der Beschäftigten gilt – gibt. Vielmehr ist auf die im Betrieb jeweils für bestimmte Arbeitsplätze und Arbeitnehmergruppen geltende Arbeitszeit abzustellen.
Betriebsübliche Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten ist deren regelmäßig verkürzte Arbeitszeit. Dies gilt auch dann, wenn nicht alle Teilzeitbeschäftigten mit einheitlicher Wochenstundenzahl arbeiten. Betriebsüblich sind dann diejenigen Arbeitszeiten, die jeweils individualrechtlich als die üblichen vereinbart wurden. Dem Betriebsrat steht daher grundsätzlich gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu bei der vorübergehenden Verlängerung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten (vgl. im einzelnen Senatsbeschluß vom 16. Juli 1991 – 1 ABR 69/90 – AP Nr. 44 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Dies entspricht auch der ganz herrschenden Auffassung im Schrifttum (vgl. nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 87 Rz 115; Wiese in GK-BetrVG, 5. Aufl., § 87 Rz 329; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 190; Klebe in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 5. Aufl., § 87 Rz 98; so jetzt auch unter Aufgabe der noch in der Vorauflage vertretenen gegenteiligen Auffassung Stege/Weinspach, BetrVG, 7. Aufl., § 87 Rz 73b).
2. Hiervon abzuweichen, besteht kein Anlaß. Die Rechtsbeschwerde beruft sich ohne Erfolg auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Dezember 1994 (Urteil vom 15. Dezember 1994 – Rs C-399/92, 409/92, 425/92, 34/93, 50/93 und 78/93 – Helmig u.a. – AP Nr. 7 zu § 611 BGB Teilzeit; ihm folgend BAG Urteil vom 20. Juni 1995 – 3 AZR 539/93 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Nährmittelindustrie). Danach verstößt eine tarifliche Regelung, die die Zahlung von Überstundenzuschlägen für Teilzeitbeschäftigte nur bei Überschreiten der Regelarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte vorsieht, nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Die Entscheidung betrifft – wie die Rechtsbeschwerde nicht verkennt – nur die Vergütung der über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden. Diese ist jedoch für die Anwendung des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nicht maßgeblich.
Inhalt des Mitbestimmungsrechts ist vielmehr die Regelungsfrage, ob zusätzlicher Arbeitsbedarf durch eine vorübergehende Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit abgedeckt werden soll und welche Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmergruppen zu welchen Zeiten und in welchem Umfang diese Arbeiten leisten sollen (vgl. etwa Fitting/Kaiser/Heither/Engels, aaO, § 87 Rz 114, 115; MünchArbR/Matthes, § 327 Rz 24, 26). Dieser Schutzzweck verlangt die Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten in gleicher Weise wie die der Vollzeitbeschäftigten. Ob und inwieweit man bei der Zahlung von Zuschlägen Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten anders als diejenige von Vollzeitbeschäftigten behandeln kann, bedarf hier keiner Erörterung. Es geht nicht nur um die Verhinderung von Überlastungen einzelner Arbeitnehmer. Aus der Zulässigkeit der Beschränkung von Zuschlägen kann daher nichts für den Umfang des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG abgeleitet werden. Etwas anderes läßt sich auch der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Juni 1995 (3 AZR 539/93 – aaO) nicht entnehmen, die nur die Zulässigkeit tariflicher Zuschlagsregelungen betrifft.
3. Der Beteiligung des Betriebsrats steht nicht entgegen, daß sich die Teilzeitbeschäftigten verpflichtet haben, “im Bedarfsund Vertretungsfall (Krankheit, Urlaub usw.)” auch ganztags tätig zu sein. Diese einzelvertragliche Regelung schafft nur eine individualrechtliche Grundlage dafür, daß die Arbeitgeberin einen zeitlich erweiterten Einsatz anordnen kann. Die Zulässigkeit einer erweiterten Beschäftigung ändert nichts daran, daß als betriebsüblich im Sinne der regelmäßigen Arbeitszeit diejenige gilt, die die Teilzeitbeschäftigten nach ihren Verträgen “normalerweise” erbringen müssen; nach den hier vorgelegten Verträgen also 25 Wochenstunden. Nr. 7 Satz 1 der Anstellungsverträge bringt dies deutlich zum Ausdruck, wenn es dort heißt: “Ihre wöchentliche Arbeitszeit beträgt 25 Stunden an fünf Tagen in der Woche”.
Die Rechtsbeschwerde kann auch nicht gehört werden mit dem Einwand, es gehe in den streitigen Fällen gar nicht um eine vorübergehende Erhöhung der Arbeitszeit, sondern um den mitbestimmungsfreien Wechsel von Teilzeitarbeit zu Vollzeitarbeit. In Betracht käme insoweit nur eine Fallgestaltung, bei der die neue Arbeitszeit zu der auf Dauer zu erbringenden, also regelmäßigen Arbeitszeit wird. Davon kann hier keine Rede sein. Dies wird schon an der zeitlichen Inanspruchnahme der betroffenen Arbeitnehmerinnen deutlich. Selbst wenn der verlängerte Einsatz im Jahr durchschnittlich drei bis vier Monate beträgt, bleibt die Beschäftigung mit 25 Wochenstunden vorherrschend. Das gilt um so mehr, als die genannten drei bis vier Monate nicht als zusammenhängende Zeiträume zu verstehen sind, sondern die Summe mehrerer Erweiterungen des Arbeitszeitvolumens bilden, die zudem nicht immer zum Einsatz als Vollzeitkraft führten. Hieraus ergibt sich das typische Bild eines mit einer bestimmten Regelarbeitszeit beschäftigten Arbeitnehmers, der bei Bedarf vorübergehend zusätzliche Arbeitsstunden erbringt. Es geht vorliegend auch nicht um eine bedarfsabhängige Anpassung der Arbeitszeit an den jeweiligen Arbeitsanfall im Sinne des § 4 BeschFG (KAPOVAZ). Der Senat sieht daher keine Veranlassung, zur Mitbestimmungspflichtigkeit bei einem derartigen Vertrag Stellung zu nehmen (vgl. dazu etwa Fitting/Kaiser/Heither/Engels, aaO, § 87 Rz 103; Klebe in Däubler/Kittner/Klebe, aaO, § 87 Rz 81).
Das Mitbestimmungsrecht ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich die Teilzeitbeschäftigten einen Arbeitsplatz “teilten”. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit bei einem “Job-Sharing”-Arbeitsverhältnis, bei dem – unbeschadet der nur beschränkten Zulässigkeit einer solchen Regelung gem. § 5 BeschFG – eine Vertretung des jeweils anderen Arbeitsplatzteilhabers vereinbart ist, im Vertretungsfall eine vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG anzunehmen ist (zur Mitbestimmung bei Job-Sharing vgl. etwa Klebe in Däubler/Kittner/Klebe, aaO, § 87 Rz 81; GK-Wiese, aaO, § 87 Rz 276 – beide m.w.N.). Das Landesarbeitsgericht hat nämlich festgestellt, daß mit den Teilzeitkräften Vereinbarungen dieser Art nicht getroffen worden sind. Ferner wurde festgestellt, daß die Teilzeitkräfte auch zur Vertretung anderer Personen als der jeweils von der Arbeitgeberin benannten Partner herangezogen wurden. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden. Sie werden von der Rechtsbeschwerde mit Verfahrensrügen nicht angegriffen.
4. Das Mitbestimmungsrecht ist nicht gem. § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG durch eine tarifliche Regelung ausgeschlossen. Die Arbeitgeberin beruft sich zu Unrecht auf § 5 des Manteltarifvertrages für die Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen.
a) Der Vorrang des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG greift entsprechend dem Sinn eines Ausschlusses des Mitbestimmungsrechts bei einer bestehenden gesetzlichen oder tariflichen Regelung nur ein, wenn diese die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit abschließend und zwingend regelt und damit dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts selbst Genüge tut. Die Tarifvertragsparteien sind hingegen nicht berechtigt, die notwendige Mitbestimmung des Betriebsrats lediglich ersatzlos auszuschließen (Senatsbeschluß vom 21. September 1993 – 1 ABR 16/93 – BAGE 74, 206 = AP Nr. 62 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, aaO, § 87 Rz 35; GK-Wiese, aaO, § 87 Rz 52, 63, 67 – alle m.w.N.).
b) Eine diesen Voraussetzungen genügende tarifliche Regelung liegt nicht vor.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Tarifvertragsparteien mit der in § 5 Abs. I MTV enthaltenen Definition auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten erfassen wollten. Wenn als Mehrarbeit für Teilzeitbeschäftigte diejenige Arbeitszeit festgelegt wird, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines vergleichbaren vollbeschäftigten Arbeitnehmers hinausgeht, beinhaltet das zunächst nur eine Definition des Begriffs der Mehrarbeit im tariflichen Sinne, ohne daß daran bereits Rechtsfolgen geknüpft wären. Eine solche Rechtsfolge ergibt sich aber aus § 6 MTV, der die Zuschlagspflichtigkeit regelt. Aus der Definition des § 5 MTV folgt hier, daß Teilzeitkräfte einen Zuschlag erst ab der Überschreitung der Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten verlangen können. Damit ist noch keine Aussage zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei Änderung der regelmäßigen Arbeitszeit getroffen.
Eine dahingehende Regelung der Tarifvertragsparteien ergibt sich auch nicht zwingend aus § 5 Abs. I Nr. 5 MTV. Danach ist notwendige Mehrarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu vereinbaren und zu leisten. Diese Vorschrift enthält eine Verweisung auf das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Es erscheint aber fraglich, ob sie auch Teilzeitbeschäftigte betrifft. Sonst würde sie bedeuten, daß die Tarifvertragsparteien für Teilzeitbeschäftigte die Verpflichtung regeln wollten, bei Bedarf auch über die Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus zu arbeiten. Eine Regelung für die viel wichtigere Zwischenstufe (Differenz zwischen regelmäßiger Teilzeit und Vollzeit) fehlte hingegen.
Geht man dennoch davon aus, daß die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 5 Abs. I Nr. 1 und Nr. 5 MTV tatsächlich zugleich die Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten bis hin zur vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung abschließend erfassen wollten, hätte eine solche Regelung jedenfalls keine Vorrangwirkung nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend gesehen. Wie dargelegt, können sich die Tarifvertragsparteien nicht darauf beschränken, das Mitbestimmungsrecht lediglich auszuschließen (Senatsbeschluß vom 9. März 1993 – 1 ABR 41/92 – AP Nr. 1 zu § 1 AZO Kr). Nur ein solcher Ausschluß der Beteiligung des Betriebsrats hinsichtlich der Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten läge aber vor, wenn man den Tarifvertrag im Sinne der Arbeitgeberin verstehen könnte. Er enthält keinerlei Vorgaben für die Anordnung und Durchführung einer verlängerten Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten. Die tarifliche Regelung überließe damit alle Einzelheiten der einseitigen Anordnung des Arbeitgebers. Soweit sogar die Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers überschritten würde, bliebe es zwar gem. § 5 Abs. I Nr. 5 MTV bei der Mitbestimmung. Das könnte jedoch nur als Ausnahmefall zu betrachten sein. Bei dem für Teilzeitbeschäftigte besonders wichtigen Verlängerungszeitraum bis zur regelmäßigen Arbeitszeit der Vollzeitkräfte wäre das Mitbestimmungsrecht hingegen schlicht ausgeschlossen. Eine solche Regelung genügte dem Schutzzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nicht (zur vergleichbaren Problematik bei Kurzarbeit s. auch GK-Wiese, aaO, § 87 Rz 328). Da im Zweifel nicht anzunehmen ist, daß die Tarifvertragsparteien eine unzulässige Negativregelung treffen wollten, spricht alles gegen die Annahme, daß die streitigen Regelungen im Sinne des Vortrags der Arbeitgeberin auszulegen sind.
III. Das Landesarbeitsgericht hat auf dieser Grundlage den vom Betriebsrat geltend gemachten Unterlassungsanspruch zutreffend bejaht.
1. Der Senat hat in seinem Beschluß vom 3. Mai 1994 unter Aufgabe der bis dahin vertretenen gegenteiligen Auffassung angenommen, daß dem Betriebsrat bei Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zusteht; dieser setzt keine grobe Pflichtverletzung voraus (Senatsbeschluß vom 3. Mai 1994 – 1 ABR 24/93 – BAGE 76, 364 = AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 mit im Ergebnis zust. Anm. Richardi = EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 36 mit im wesentlichen zust. Anm. Raab; im Ergebnis ebenfalls zustimmend Klebe in Däubler/Kittner/Klebe, aaO, § 23 Rz 106; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, aaO, § 23 Rz 100; GK-Wiese, aaO, § 87 Rz 905; Derleder, AuR 1995, 13; Prütting, RdA 1995, 257; Richardi in NZA 1995, 8). Dieser Beschluß ist auf Kritik gestoßen (vgl. etwa Adomeit, NJW 1995, 1004; Bauer/Diller, ZIP 1995, 95; Bengelsdorf, SAE 1996, 139; Dobberahn, NJW 1995, 1333; von Hoyningen-Huene, EWiR, § 87 BetrVG 1/95, 219; Konzen, NZA 1995, 865; Walker, SAE 1995, 99). Im Mittelpunkt der Kritik steht der Vorwurf, der Senat habe zu Unrecht und ohne hinreichende Begründung eine Gesetzeslücke angenommen und demzufolge mit der Gewährung eines allgemeinen ungeschriebenen Unterlassungsanspruchs unzulässige Rechtsfortbildung betrieben. Das ist jedoch nicht überzeugend.
Der Senat hat zwar das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung festgestellt, ist dabei aber keineswegs von einer Gesetzeslücke ausgegangen. Er versteht den Unterlassungsanspruch vielmehr als Nebenleistungsanspruch, der sich aus dem durch die einzelnen Mitwirkungstatbestände konkretisierten und einem gesetzlichen Dauerschuldverhältnis ähnlichen Betriebsverhältnis ergibt. Ein derartiger Nebenleistungsanspruch ist ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung in anderen Bereichen unbestritten und entspricht allgemeinen Grundsätzen der Privatrechtsordnung (Senatsbeschluß vom 3. Mai 1994, aaO, zu B III 1 der Gründe). Nicht die Bejahung eines Unterlassungsanspruchs, sondern dessen Verneinung bedarf einer besonderen Begründung, weil dem Gesetzgeber im Zweifel nicht unterstellt werden kann, daß er rechtswidriges Verhalten sanktionslos hinnehmen will. Da das Betriebsverfassungsgesetz bei Verletzung der Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten keine Sanktionen für alle Fallgestaltungen normiert, müßte die Auslegung ergeben, daß ein lückenhafter Schutz gewollt war. Daran fehlt es.
Der Senat hat im einzelnen dargelegt, warum sich aus § 23 Abs. 3 BetrVG und aus dem in § 87 Abs. 2 BetrVG vorgesehenen Einigungsstellenverfahren sowie der Sanktion der individualrechtlichen Unwirksamkeit mitbestimmungswidriger Maßnahmen des Arbeitgebers kein hinreichender Schutz der Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG ergibt und daß für ein absichtlich eingeschränktes Sanktionssystem nichts spricht. Ob dies zutrifft oder ob gerade umgekehrt die vorhandenen Sanktionen dahin zu verstehen sind, daß der Gesetzgeber weitergehenden Schutz gegen Gesetzesverstöße nicht gewähren wollte, sind Fragen, die die Auseinandersetzung mit der früheren Senatsrechtsprechung von Anfang an geprägt und auch jetzt keine grundsätzlich neuen Argumente hervorgebracht haben.
So wirft etwa Konzen (NZA 1995, 865 ff.) dem Senat unzulässige Rechtsfortbildung mit der Begründung vor, der Gesetzgeber habe den Schutz des Betriebsrats als ausreichend, einen Unterlassungsanspruch also als entbehrlich angesehen. Das kann nicht überzeugen. Konzen beruft sich in diesem Zusammenhang vor allem auf die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung, nach der ein Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte zur individualrechtlichen Unwirksamkeit der entsprechenden Maßnahme führt. Diese Sanktion sei als abschließende Regelung zu verstehen. Sie wird aber gleichfalls im Gesetz nicht erwähnt. Es erscheint wenig plausibel, das gesetzgeberische Ziel einer abschließenden Regelung ausgerechnet aus einem Rechtsgrundsatz ableiten zu wollen, der gar nicht normiert ist, sondern seinerseits erst im Wege der Rechtsfortbildung entwickelt werden mußte. Daß – wie Konzen (aaO, S. 868 f., 871) betont – dem Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung bekannt war, macht das Argument nicht tragfähiger. Die individualrechtliche Sanktion hat dennoch keinen Ausdruck im Gesetz gefunden (darauf u.a. beruft sich gerade die Gegenmeinung, die die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung bis heute ablehnt, s. etwa Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 87 Rz 88). Warum das Sanktionsdefizit im Rahmen des § 87 BetrVG nicht allein durch die individualrechtliche Unwirksamkeitsfolge hinreichend gedeckt ist, diese also auch nicht als abschließende Regelung gemeint sein kann, hat der Senat im Beschluß vom 3. Mai 1994 im einzelnen dargelegt (aaO, zu B III 2c der Gründe).
2. Angesichts der wiederholten Verstöße gegen das Mitbestimmungsrecht in der Vergangenheit und im Hinblick auf die nach wie vor vertretene Rechtsauffassung der Arbeitgeberin ist auch von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Insoweit erhebt die Rechtsbeschwerde keine Einwendungen.
Unterschriften
Dieterich, Wißmann, Rost, K.-H. Janzen, Spiegelhalter
Fundstellen
AiB 2012, 123 |
NZA 1997, 274 |