Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg
Orientierungssatz
Studenten, die nach dem Berufsakademiegesetz des Landes Baden-Württemberg vom 1. Februar 2000 (GBl. S. 197) an einer Berufsakademie und einer betrieblichen Ausbildungsstätte eine Ausbildung zum Diplombetriebswirt (Berufsakademie) absolvieren, sind während der betrieblichen Ausbildung zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, wenn sie einem Weisungsrecht des Ausbildenden unterliegen.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 3, § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
Thüringer LAG (Beschluss vom 12.05.2006; Aktenzeichen 8 Ta 18/06) |
ArbG Erfurt (Beschluss vom 11.01.2006; Aktenzeichen 5 Ca 2422/05) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 12. Mai 2006 – 8 Ta 18/06 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung und Kostenerstattungsansprüche.
Die Parteien schlossen am 1. März 2003 einen Ausbildungsvertrag. Danach sollte der Kläger zum Wirtschaftsassistenten (Berufsakademie) und Diplombetriebswirt (Berufsakademie) in der Fachrichtung Steuern und Prüfungswesen nach dem Ausbildungsplan der Berufsakademie Villingen-Schwenningen ausgebildet werden. Die Ausbildung erfolgte im sog. dualen System, dh. sowohl durch das Studium an der Akademie als auch durch die Ausbildung im Ausbildungsbetrieb.
Die betriebliche Ausbildung des Klägers sollte beim Beklagten durchgeführt werden, am 1. Oktober 2003 beginnen und am 30. September 2006 enden. Der Kläger erhielt eine monatliche Vergütung iHv. 400,00 Euro bei einer regelmäßigen wöchentlichen Ausbildungszeit im Unternehmen von 40 Stunden. Der Urlaubsanspruch betrug 24 Arbeitstage im Jahr. Der Beklagte war nach Tz. 3.7 des Ausbildungsvertrags verpflichtet, dem Kläger nur Tätigkeiten zu übertragen, die dem Ausbildungszweck dienten und dem Ausbildungsstand angemessen waren. Der Beklagte hatte gem. Tz. 3.6 den Kläger zum Besuch der Studienakademie und für die Teilnahme an der Prüfung freizustellen. Der Kläger seinerseits war nach Tz. 4.1 des Ausbildungsvertrags verpflichtet, die ihm im Rahmen der Ausbildung übertragenen Aufgaben sorgfältig und gewissenhaft auszuführen. Er hatte gem. Tz. 4.3 den Weisungen zu folgen, die ihm vom Beklagten im Rahmen der Ausbildung erteilt wurden.
Der Kläger kündigte das Ausbildungsverhältnis am 30. Juni 2005 fristlos. Er hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei zur Abgeltung von 21 Urlaubstagen verpflichtet.
Nach Mahnbescheidsantrag beim Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen, Abgabe an das Arbeitsgericht Dessau und Verweisung des Rechtsstreits nach Widerspruch des Beklagten an das Arbeitsgericht Erfurt will der Kläger beantragen,
den Beklagten zu verurteilen, 453,51 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.
Der Beklagte hat Widerklage erhoben mit dem Ziel,
den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 1.072,45 Euro nebst Zinsen iHv. 5 % über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte macht geltend, der Kläger sei zur Erstattung von Aufwendungen verpflichtet, die der Beklagte im Rahmen einer Fortbildung des Klägers übernommen habe.
Der Beklagte rügt die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen und beantragt, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zu verweisen.
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Beklagten zurückgewiesen und die weitere sofortige Beschwerde zugelassen.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde des Beklagten ist nicht begründet. Die Gerichte für Arbeitssachen sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und § 2 Abs. 3 ArbGG zuständig.
1. Der Kläger war bei dem Beklagten zu seiner Berufsausbildung beschäftigt und ist deshalb gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG Arbeitnehmer iSd. ArbGG. Berufsausbildung iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind nicht nur alle Bereiche der Berufsbildung nach § 1 Abs. 1 BBiG. Eine Beschäftigung zur Berufsausbildung liegt vielmehr auch vor, wenn der Betreffende auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen Arbeit leistet und dies außerhalb der betrieblichen Berufsbildung erfolgt. Der Beschäftigte muss dabei dem Weisungsrecht des Ausbildenden hinsichtlich des Inhalts, der Zeit und des Ortes der Tätigkeit unterworfen sein (Senat 24. September 2002 – 5 AZB 12/02 – BAGE 102, 371, zu III 2a der Gründe). Auch wenn Berufsakademiestudenten, deren Ausbildung nach dem Berufsakademiegesetz des Landes Baden-Württemberg vom 1. Februar 2000 (GBl. S. 197) an der Studienakademie (Lernort Theorie) und an einer betrieblichen Ausbildungsstätte stattfindet, nicht in den Geltungsbereich des BBiG fallen (dazu BAG 16. Oktober 2002 – 4 AZR 429/01 – BAGE 103, 131, 138 f.), können sie gleichwohl im Rahmen der betrieblichen Ausbildung zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt und deshalb Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sein.
2. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger musste nach dem Ausbildungsvertrag nicht nur die Lehrveranstaltungen an der Studienakademie besuchen, sondern hatte im Rahmen der Ausbildung im Ausbildungsbetrieb den Weisungen des Beklagten Folge zu leisten. Nach dem Ausbildungsvertrag war der Kläger verpflichtet, die Ausbildung in beiden Bereichen zu absolvieren.
3. Die Arbeitsgerichte sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG für die auf dem Ausbildungsvertrag beruhenden Urlaubsabgeltungsansprüche zuständig. Gleiches gilt für die vom Beklagten im Wege der Widerklage verlangte Erstattung von Teilnahmebeiträgen für den Besuch eines Kurses bei der Akademie H… sowie der dabei angefallenen Übernachtungs- und Reisekosten. Auch hierbei handelt es sich um einen Streit aus dem Ausbildungsverhältnis der Parteien.
III. Der Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Rechtsbeschwerde zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck
Fundstellen