Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg
Orientierungssatz
Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für eine Zusammenhangsklage iSv. § 2 Abs. 3 ArbGG entfällt, wenn der Kläger die die Zuständigkeit begründende Hauptklage zurücknimmt, bevor der Beklagte zur Hauptsache verhandelt hat. Damit wird einer möglichen Rechtswegerschleichung entgegenwirkt, wenn eine Partei von vornherein in Betracht gezogen hat, vor Beginn der streitigen Verhandlung die Hauptklage zurückzunehmen.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 3; GVG §§ 17, 17a
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 06.09.2006; Aktenzeichen 17 Ta 17/05) |
ArbG Stuttgart (Beschluss vom 11.10.2005; Aktenzeichen 31 Ca 8412/05) |
Tenor
- Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 6. September 2006 – 17 Ta 17/05 –, berichtigt mit Beschluss vom 23. Oktober 2006, wird als unzulässig verworfen.
- Der Kläger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses sowie Auskunfts- und Schadensersatzansprüche. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Stuttgart verwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Klägers den Beschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegenüber den Beklagten zu 1) bis 6) “ausschließlich”, hilfsweise gegenüber jeder einzelnen beklagten Partei für zulässig zu erklären.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Der Kläger ist durch den Beschluss des Landesarbeitsgerichts nicht beschwert. Es kann deshalb offenbleiben, ob das Rechtsmittel für den Kläger überhaupt eröffnet war.
1. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Klägers den Beschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und dem Antrag des Klägers entsprechend den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt. Der vom Kläger in der Rechtsbeschwerde verlangte Ausspruch der “ausschließlichen” Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist rechtlich nicht vorgesehen. Im Vorabentscheidungsverfahren nach § 17a GVG ist über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden. Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, ist dies nach Maßgabe des § 17a Abs. 3 GVG auszusprechen. Dabei ist gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Klage rechtshängig geworden ist. Der sich hieraus ergebende Grundsatz der Fortdauer der einmal begründeten Zuständigkeit gilt auch in Fällen einer nachträglichen Veränderung der gesetzlichen Grundlagen (BGH 11. Dezember 2001 – KZB 12/01 – NJW 2002, 1351, zu 1 der Gründe). Wird allerdings der Streitgegenstand geändert, kann nachträglich der Rechtsweg unzulässig werden (Zöller/Gummer ZPO 25. Aufl. § 17 GVG Rn. 1 sowie zur Rechtslage vor Inkrafttreten der §§ 17a ff. GVG: BGH 17. Mai 1989 – I ARZ 254/89 – NJW 1990, 53, zu II 2a der Gründe). Hierüber ist aber erst zum Zeitpunkt der Veränderung zu entscheiden.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine bestimmte Begründung des von ihm im Ergebnis nicht angegriffenen Beschlusses des Landesarbeitsgerichts. Das Landesarbeitsgericht war nicht verpflichtet, für jeden einzelnen Klageantrag die Zulässigkeit des Rechtswegs nach § 2 Abs. 1 ArbGG zu prüfen, sondern konnte die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen auch mit dem Vorliegen einer Zusammenhangsklage (§ 2 Abs. 3 ArbGG) begründen. Zwar entfällt nach der Senatsrechtsprechung die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für eine Zusammenhangsklage iSv. § 2 Abs. 3 ArbGG, wenn der Kläger die zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gehörende Hauptklage zurücknimmt, bevor der Beklagte zur Hauptsache verhandelt hat (Senat 15. August 1975 – 5 AZR 217/75 – AP ArbGG 1953 § 2 Zuständigkeitsprüfung zum früheren § 3 Abs. 1 ArbGG Nr. 32 = EzA ArbGG § 2 Nr. 9; zust. ErfK/Koch 6. Aufl. § 2 ArbGG Rn. 39; aA BCF/Bader ArbGG 4. Aufl. § 2 Rn. 21; Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 2 Rn. 125; Grunsky ArbGG 7. Aufl. § 2 Rn. 140; Helml in Hauck/Helml ArbGG 3. Aufl. § 2 Rn. 64; Schwab/Weth/Walker ArbGG § 2 Rn. 185; GK-ArbGG/Wenzel Stand September 2006 Bd. 1 § 2 Rn. 209). Nach Rücknahme der die Zuständigkeit begründenden Hauptklage vor dem in § 269 Abs. 1 ZPO bestimmten Zeitpunkt ist deshalb für die weiteren Klageanträge die Zulässigkeit des Rechtswegs neu zu prüfen. Hieraus ergibt sich für die Gerichte im Rechtswegbestimmungsverfahren nach § 17a ff. GVG jedoch kein Zwang zu einer bestimmten Begründung der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen. Eine Klagerücknahme vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung ist nicht der Regelfall, sondern die Ausnahme. Hinzu kommt, dass diese Rechtsprechung einer Rechtswegerschleichung (dazu BVerfG 31. August 1999 – 1 BvR 1389/97 – AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 6 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 47; Senat 11. Juni 2003 – 5 AZB 43/02 – BAGE 106, 273, 275 f., zu B I 2 der Gründe) entgegenwirkt, wenn eine Partei von vornherein in Betracht gezogen hat, vor Beginn der streitigen Verhandlung die Hauptklage zurückzunehmen. Aus prozessökonomischen Gründen sind die Gerichte deshalb frei, die Entscheidung über die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auf § 2 Abs. 3 ArbGG zu stützen und offenzulassen, ob auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 und 2 ArbGG vorliegen.
III. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck
Fundstellen
Haufe-Index 1644772 |
DB 2007, 1204 |
NZA 2007, 110 |
AP 2007 |
EzA-SD 2007, 16 |
EzA |
www.judicialis.de 2006 |