Entscheidungsstichwort (Thema)
Erledigung der Hauptsache
Orientierungssatz
1. Es ist im Theaterbereich allgemein üblich, nicht nur mit Künstlern und Bühnentechnikern, sondern auch mit dem sogenannten Abendpersonal jeweils nur auf die Spielzeit befristete Arbeitsverträge abzuschließen.
2. Aufzählung von Tarifverträgen, die eine Befristung der Arbeitsverträge für das Abendpersonal vorgesehen haben.
Normenkette
ZPO § 91a; BGB § 620 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 26.06.1985; Aktenzeichen 4 Sa 12/85) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 07.12.1984; Aktenzeichen 22 Ca 228/84) |
Gründe
I. Die jetzt 73 Jahre alte Klägerin ist bei der Beklagten, die in Hamburg ein Theater betreibt, seit 23. Oktober 1976 aufgrund jeweils auf die Spielzeit befristeter Arbeitsverträge als Garderobenfrau beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse finden die zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e. V. und der ÖTV-Bezirksverwaltung Hamburg für das Abendpersonal der Hamburgischen Staatsoper GmbH, der Neuen Schauspielhaus GmbH und der Thalia-Theater GmbH abgeschlossenen Tarifverträge vom 15. Juni 1964 bzw. 30. November 1977 Anwendung.
Die Klägerin arbeitete an durchschnittlich mindestens fünf Abenden pro Woche und erzielte zuletzt einen Monatsverdienst in Höhe von rund 900,-- DM.
Mit Schreiben vom 7. Mai 1984 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sie den Arbeitsvertrag nicht über die laufende Spielzeit hinaus verlängern könne und der Arbeitsvertrag daher unter Berücksichtigung des Urlaubsanspruchs am 4. August 1984 ende.
Mit der am 24. Mai 1984 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, daß die Beklagte keinen Grund gehabt habe, den Arbeitsvertrag nicht zu verlängern. Durch ihre ununterbrochene Beschäftigung seit dem Jahre 1976 habe sie sich einen Bestandsschutz erworben, der auch durch den Tarifvertrag nicht eingeschränkt werde. Die Klägerin hat zuletzt beantragt
1. festzustellen, daß zwischen den Parteien
seit dem 23. Oktober 1976 ein unbe-
fristetes Arbeitsverhältnise besteht,
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin
über den 31. Juli 1984 hinaus als Platz-
anweiserin/Garderobenfrau weiterzubeschäf-
tigen.
Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und geltend gemacht, es komme nicht darauf an, ob im Einzelfall ein sachlicher Grund für die Befristung der Arbeitsverträge vorgelegen habe, da die Tarifvertragsparteien für das Abendpersonal eine Befristung der Arbeitsverträge ausdrücklich vorgesehen haben. Überdies liege auch ein sachlicher Grund für die Befristungen vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der Revision hat die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag zunächst weiterverfolgt.
Im weiteren Verlauf des Revisionsverfahren hat die Beklagte erklärt, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin über den 31. Juli 1984 hinaus fortbestehe. Weiter hat sie sich bereiterklärt, die Klägerin unbefristet weiterzubeschäftigen. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.
II. Nach § 91 a ZPO hat das Gericht über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach waren die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu 1/5 und der Beklagten zu 4/5 aufzuerlegen.
1. Die Klägerin wollte mit ihrem Antrag nicht nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses über den 4. August 1984 hinaus geklärt haben, sondern auch festgestellt wissen, daß bereits seit dem 23. Oktober 1976 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat. Darüber, daß sie aufgrund einer Vielzahl befristeter Arbeitsverhältnisse seit 1976 von der Beklagten beschäftigt worden ist, besteht zwischen den Parteien kein Streit. Dafür aber, daß ihre Rechtsstellung davon abhängen soll, daß bereits seit dem 23. Oktober 1976 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (vgl. dazu KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 620 BGB Rz 245), hat die Klägerin jedoch keine Tatsachen vorgetragen. Insoweit ist die Klage daher wegen Fehlens eines Rechtsschutzinteresses unzulässig gewesen.
2. Die Klage war jedoch zulässig und begründet, soweit festgestellt werden sollte, daß das mit Vertrag vom 24. Juni 1983 begründete Arbeitsverhältnis über den 31. Juli 1984 hinaus unbefristet fortbesteht.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 10, 65; 31, 40; 32, 85; 37, 305, 314) sind befristete Arbeitsverträge zwar nicht unzulässig, sie bedürfen für ihre Rechtfertigung jedoch eines sachlichen Grundes. Dabei kommt der Frage, ob ein die Befristung rechtfertigender sachlicher Grund vorliegt, der Üblichkeit im Arbeitsleben eine entscheidende Bedeutung zu. So ist es im Theaterbereich allgemein üblich, nicht nur mit Künstlern und Bühnentechnikern, sondern auch mit dem sog. Abendpersonal jeweils nur auf die Spielzeit befristete Arbeitsverträge abzuschließen. Unbefristete Arbeitsverträge werden in der Regel nur mit dem Verwaltungspersonal abgeschlossen. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag vom 30. November 1977 entspricht dieser allgemeinen Übung (vgl. Tarifvertrag über die Regelung der Arbeitsbedingungen des Abendpersonals bei den Theatern des Landes Hessen vom 25. Juni 1964 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 25. November 1970, abgeschlossen zwischen dem Land Hessen und der ÖTV-Bezirksverwaltung Hessen; Tarifvertrag für die als ständiges Abendpersonal beschäftigten Arbeiter der Bayerischen Staatstheater vom 21. Juli 1974, abgeschlossen zwischen dem Freistaat Bayern und der ÖTV-Landesbezirk Bayern, wieder inkraft gesetzt durch den Tarifvertrag vom 5. April 1978; Tarifvertrag über die Regelung der Arbeitsbedingungen für das Abendpersonal der Theater des Landes Baden-Württemberg vom 1. Oktober 1964 in der Fassung der Änderungstarifverträge vom 24. Januar 1975 und 28. Februar 1980, abgeschlossen zwischen dem Land Baden-Württemberg und der ÖTV-Bezirksverwaltung Baden-Württemberg; Tarifvertrag für den Bereich der Niedersächsischen Staatstheater Hannover GmbH vom 22. Dezember 1970, abgeschlossen zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Niedersachsen e. V. und der ÖTV-Bezirksverwaltung Niedersachsen); der Tarifvertrag definiert aber nicht den sachlichen Grund, sondern setzt ihn - basierend auf der generellen Übung - als gegeben voraus (vgl. dazu Senatsurteil vom 21. Mai 1981, BAG 35, 309 = AP Nr. 15 zu § 611 BGB Bühnenengagementvertrag, zu III 2 der Gründe sowie Senatsbeschluß vom 23. Januar 1986 - 2 AZR 505/85 -, nicht veröffentlicht).
b) Aber selbst bei genereller Anerkennung der allgemeinen Übung als sachlichen Grund für eine Befristung sprechen im vorliegenden Fall die besonderen Umstände gleichwohl gegen die Zulässigkeit der Befristung des am 24. Juni 1983 zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages. Die Klägerin war im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits rund acht Jahre, wenn auch aufgrund einer Vielzahl befristeter Arbeitsverträge, bei der Beklagten beschäftigt und in einem Alter von über 70 Jahren in einen anderen Arbeitsplatz nicht mehr zu vermitteln. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, gegen die die Beklagte keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben hat und die deshalb für den Senat bindend sind (§ 561 ZPO), war die Klägerin aus familiären und wirtschaftlichen Gründen auf ihre Einkünfte aus der Beschäftigung bei der Beklagten dringend angewiesen. Die Annahme des Berufungsgerichts, diese Gründe seien gegenüber der allgemeinen Übung vorrangig zu berücksichtigen und führten dazu, die Befristung des Arbeitsvertrages mangels Vorliegen eines sachlichen Grundes als unwirksam anzusehen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu ebenfalls Senatsurteil vom 21. Mai 1981, aaO, zu II 2 der Gründe a. E. sowie Senatsbeschluß vom 23. Januar 1986, aaO).
3. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht dem Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin entsprochen. Seine Ansicht, die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (- GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) über den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers während des Kündigungsrechtsstreits seien entsprechend anzuwenden, wenn um die Wirksamkeit einer Befristung gestritten werde, stimmt mit der Rechtsprechung des Senats überein (Urteil vom 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zur Veröffentlichung bestimmt).
III. Entsprechend den Erfolgsaussichten waren daher die Kosten des Rechtsstreits, wie geschehen, auf die Parteien zu verteilen.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller
Peter Jansen Mauer
Fundstellen