Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbständige Tätigkeit während Karenzzeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Nimmt der Arbeitnehmer, der einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterworfen ist, während der Karenzzeit eine selbständige Tätigkeit auf, sind seine Geschäftsergebnisse jedoch geringer als das Arbeitslosengeld, das er beanspruchen könnte, wenn er sich arbeitslos melden würde, so liegt darin allein noch keine Böswilligkeit. Der Arbeitgeber kann nicht gemäß § 74c Abs 1 HGB das entgangene Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung anrechnen.
2. Für die Berechnung der Karenzentschädigung und die Auskunftspflicht nach § 74c Abs 2 HGB gelten bei einer selbständigen Tätigkeit des karenzpflichtigen Arbeitnehmers folgende Besonderheiten:
a. Die anrechnungspflichtigen Einkünfte sind grundsätzlich jährlich zu ermitteln, darzulegen und mit der Jahreskarenzentschädigung zu verrechnen.
b. Der Arbeitnehmer kann aber nach § 74b Abs 1 HGB monatliche Abschlagszahlungen beanspruchen. Wenn er das tut, muß er im Rahmen des Zumutbaren monatlich über sein Geschäftsergebnis vorläufige Auskünfte geben und entsprechende Kürzungen der monatlichen Abschlagszahlungen hinnehmen. Am Jahresende ist dann endgültig abzurechnen.
Normenkette
BGB § 242; HGB § 74c; BGB § 325 Abs. 1, § 323 Abs. 1; HGB § 74b Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 14.08.1985; Aktenzeichen 2 Sa 10/85) |
ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 21.12.1984; Aktenzeichen 9 Ca 361/84) |
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten Karenzentschädigung. Die Beklagte bestreitet diesen Anspruch mit der Begründung, der Kläger habe verbotenen Wettbewerb betrieben; außerdem seien anderweitige Einkünfte des Klägers anzurechnen. Im Wege der Widerklage verlangt die Beklagte vom Kläger Auskunft über die in der Karenzzeit erzielten Einnahmen.
Die Beklagte handelt mit Autoglas. Der Kläger war bei ihr seit dem 4. Mai 1981 als Handelsvertreter angestellt. Am 10. Februar 1982 schlossen die Parteien rückwirkend einen schriftlichen Arbeitsvertrag, in dessen § 7 es heißt:
"Herr R verpflichtet sich, für die Dauer von
einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
nicht in einem Konkurrenzunternehmen auf
dem Gebiet des Flachglashandels-Isolierglashandels
oder der Glasherstellung sowie des
Autoglashandels, tätig zu sein, und weder
mittelbar noch unmittelbar an der Gründung
oder dem Betrieb eines solchen Unternehmens
mitzuwirken. Für die Dauer des Wettbewerbsverbotes
zahlt die Firma Herrn R die Hälfte
der zuletzt gezahlten Beträge. Im übrigen
gelten §§ 74 ff. HGB."
Am 31. März 1984 schied der Kläger aufgrund eigener Kündigung bei der Beklagten aus. Er begann eine Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter für die Firma M G , die mit Flachglas und Autoglas handelt. Er reparierte auf Provisionsbasis Omnibuswindschutzscheiben. Solche Scheiben hatte die Beklagte schon vor dem Ausscheiden des Klägers aus ihrem Verkaufsprogramm genommen.
Mit Schreiben vom 14. Mai und 13. Juni 1984 verlangte der Kläger von der Beklagten für die Monate April und Mai 1984 Karenzentschädigung in der rechnerisch unstreitigen Höhe von jeweils 1.316,76 DM. Er gab an, er habe im April und Mai 1984 keine Einkünfte erzielt. Mit Schreiben vom 15. Oktober 1984 teilte der Kläger der Beklagten mit, in den Monaten August und September 1984 habe sein Einkommen jeweils unter 1.000,-- DM gelegen. Mit einem nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils eingegangenen Schriftsatz vom 4. Januar 1984 teilte der Kläger weiter mit, er habe im zweiten Quartal 1984 Einnahmen von 842,60 DM gehabt, denen aber Ausgaben in Höhe von 6.944,30 DM gegenübergestanden hätten; im dritten Quartal 1984 habe er 6.526,-- DM an Einnahmen erreicht und Ausgaben in Höhe von 4.383,84 DM aufwenden müssen. Der Kläger legte dazu seine Umsatzsteuervoranmeldungen für das zweite und dritte Quartal vor. Für das vierte Quartal 1984 gab der Kläger mit Schriftsatz vom 8. März 1985 die Einnahmen mit 9.484,78 DM und die Ausgaben mit 5.010,82 DM an, ebenfalls unter Vorlage entsprechender Umsatzsteuervoranmeldungen. Schließlich übergab der Kläger in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eine Aufstellung, in der er getrennt nach Quartalen die einzelnen Einnahmen sowie die nach Büromiete, Reisekosten einschließlich Benzin, Kfz-Steuer, Kfz-Reparatur, Büromaterial, Telefon usw. gegliederten Ausgaben aufführte. In dieser Aufstellung sind für das zweite und dritte Quartal 1984 nur die geschäftlich veranlaßten Reise- und Benzinkosten aufgeführt, während in den entsprechenden Angaben für das vierte Quartal 1984 und das erste Quartal 1985 auch die privaten Reisekosten enthalten sind. Für das erste Quartal 1985 stellt der Kläger in seiner Aufstellung Einnahmen von 6.706,11 DM Ausgaben von 4.217,91 DM gegenüber.
Der Kläger hat zunächst nur die Karenzentschädigung für die Monate April und Mai 1984 geltend gemacht, die Klageforderung im Laufe des Rechtsstreits jedoch mehrfach erhöht und zuletzt Zahlung für die gesamte Laufzeit des Wettbewerbsverbots verlangt. Er hat vorgetragen, die Wettbewerbsvereinbarung vom 10. Februar 1982 verbiete ihm nicht, auf Provisionsbasis Autobusscheiben zu reparieren. Entgegen der Meinung der Beklagten habe er sich auch nicht arbeitslos melden müssen, weil dies seinem weiteren beruflichen Fortkommen schädlich hätte sein können. Daher könne die Beklagte entgangenes Arbeitslosengeld nicht auf die Karenzentschädigung anrechnen. § 74 c Abs. 1 HGB schreibe nur die Anrechnung solcher Einkünfte vor, die aus der Verwertung der Arbeitskraft erzielt würden, Arbeitslosengeld erhalte man aber deswegen, weil man seine Arbeitskraft nicht habe verwerten können. Die Einkünfte aus seiner Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter führten ebenfalls nicht zu einer Anspruchskürzung; angesichts der anfänglich hohen Betriebskosten habe er nur geringe Gewinne erzielt. Diese habe er der Beklagten wahrheitsgemäß und so umfassend wie möglich offengelegt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.217,18 DM
brutto zuzüglich folgender Zinsen zu zahlen:
10 % aus DM 1.316,74 vom 1.10.1984 bis 31.10.1984,
10 % aus DM 2.633,48 vom 1.11.1984 bis 30.11.1984,
10 % aus DM 3.950,22 vom 1.12.1984 bis 31.12.1984,
10 % aus DM 5.266,96 vom 1.01.1985 bis 31.01.1985,
10 % aus DM 6.583,70 vom 1.02.1985 bis 29.02.1985,
10 % aus DM 7.900,44 vom 1.03.1985 bis 31.03.1985, und
10 % aus DM 9.217,18 seit 1.04.1985;
hilfsweise,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei,
ihm aus § 7 des Arbeitsvertrags für Februar 1985
und März 1985 jeweils 1.316,74 DM monatlich abzüglich
der gemäß § 74 Abs. 1 HGB anrechenbaren
Einkünfte zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen sowie im Wege der Widerklage
den Kläger zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen
über die Höhe seines Erwerbes vom 1. April 1984 bis
zum 31. März 1985 und diese Auskunft durch Vorlage
von Umsatzsteuervoranmeldungen, Gewinn- und Verlustrechnungen,
Gehaltsabrechnungen, Provisionsabrechnungen
sowie den Einkommenssteuerbescheid 1984 zu
belegen.
Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe verbotswidrig Wettbewerb betrieben. Schon deswegen entfalle ein Anspruch auf Karenzentschädigung. Außerdem habe der Kläger sich arbeitslos melden müssen. Deshalb sei das entgangene Arbeitslosengeld bei der Berechnung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen. Das folge aus der Lohnersatzfunktion des Arbeitslosengeldes. Nach dem letzten Verdienst des Klägers ergebe sich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 1.417,50 DM netto. Dieser Betrag müsse auf den entsprechenden Bruttobetrag umgerechnet werden, weil auch die Karenzentschädigung als Bruttobetrag geschuldet werde. Das dem Kläger entgangene Arbeitslosengeld entspreche dann einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2.500,-- DM.
Die Beklagte hat weiter geltend gemacht, der Kläger habe sein anderweitiges Einkommen nicht ausreichend offengelegt. Deswegen sei sie berechtigt, die Leistung zu verweigern. Der Kläger sei zu umfassenden Auskünften über die jeweils monatlich erzielten Einkünfte verpflichtet.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger die Karenzentschädigung für die Zeit von April bis August 1984 nebst 10 % Zinsen zu zahlen. Auf die Widerklage hat es den Kläger verurteilt, der Beklagten Auskunft zu erteilen über die Höhe seines Erwerbs in der Zeit vom 1. September 1984 bis zum 30. März 1985 und diese Auskunft durch Vorlage von Umsatzsteuervoranmeldungen sowie durch Gewinn- und Verlustrechnungen zu belegen. Auf die Berufung der Beklagten und die selbständige Anschlußberufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte für den gesamten Zeitraum des Wettbewerbsverbots verurteilt, an den Kläger die ungekürzte Karenzentschädigung zu zahlen, jedoch nur verzinst mit 4 % vom jeweiligen Fälligkeitsdatum an. Einen Auskunftsanspruch der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht verneint. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel weiter: Die Klage soll abgewiesen und der Kläger auf die Widerklage zur Auskunft unter Vorlage der genannten Urkunden verurteilt werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Es kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Angaben des Klägers über seine Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit den gesetzlichen Anforderungen genügen. Davon hängen auch die Höhe und die Fälligkeit der von der Beklagten geschuldeten Karenzentschädigung ab.
I. Der Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung ist nicht wegen eines Verstoßes des Klägers gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot erloschen (§§ 323 Abs. 1, 325 Abs. 1 Satz 3 BGB).
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger sei zwar für einen Konkurrenten der Beklagten tätig geworden, die von ihm ausgeübte Tätigkeit sei ihm aber durch die Wettbewerbsvereinbarung nicht untersagt. Die Fertigung und Reparatur von Windschutzscheiben für Omnibusse habe die Beklagte aus ihrem Verkaufsprogramm genommen. Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Wettbewerbsklausel ergäben, daß dem Kläger nur konkurrierende Tätigkeiten, nicht aber jede Zusammenarbeit mit einem in anderen Bereichen konkurrierenden Unternehmen untersagt seien. Die berechtigten geschäftlichen Interessen der Beklagten (§ 74 a HGB) seien hier durch ein rein tätigkeitsbezogenes Wettbewerbsverbot gewahrt. Diese Auffassung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Berufungsgericht hat einen individuellen nichttypischen Vertrag ausgelegt. Der Senat hat diese Auslegung nur daraufhin zu überprüfen, ob das Tatsachengericht gegen Auslegungsregeln, die Gesetze der Logik oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat (BAGE 4, 360, 364 f. = AP Nr. 15 zu § 242 BGB Ruhegehalt; BAG Urteil vom 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - AP Nr. 36 zu § 133 BGB). Ein Auslegungsfehler ist vorliegend nicht zu erkennen. Zwar ist der Wortlaut der Wettbewerbsklausel nicht eindeutig, er läßt aber die Annahme eines rein tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverbots zu. Es liegt auch nicht fern, den Zweck der Abrede darin zu sehen, den Kläger lediglich an einem eigenen Tätigwerden als Wettbewerber zu hindern. Umstände, die Anlaß für eine gegenteilige Beurteilung sein könnten, hat die Beklagte nicht aufgezeigt.
II. Die Beklagte macht geltend, ein Zahlungsanspruch scheide im Ergebnis bereits deshalb aus, weil der Kläger verpflichtet gewesen sei, die gesetzliche Arbeitslosenversicherung in Anspruch zu nehmen; die hieraus erzielbaren Leistungen hätten die Karenzentschädigung bei weitem überstiegen. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch diesen Einwand zurückgewiesen.
1. Gemäß § 74 c Abs. 1 Satz 1 HGB ist bei der Anrechnung anderweitigen Erwerbs auf die Karenzentschädigung zu unterscheiden zwischen dem, was der Arbeitnehmer tatsächlich an Einkünften erzielt und dem, was er zu erwerben böswillig unterläßt. Im vorliegenden Zusammenhang geht es allein um die zweite Alternative, also darum, ob der Kläger den Bezug von Arbeitslosengeld böswillig unterlassen hat, mithin ein fiktives Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung anzurechnen ist.
2. Zwar hat der Senat entschieden, daß vom Arbeitnehmer bezogenes Arbeitslosengeld in entsprechender Anwendung des § 74 c Abs. 1 Satz 1 HGB bei der Berechnung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen ist (Urteil vom 25. Juni 1985 - 3 AZR 305/83 - AP Nr. 11 zu § 74 c HGB mit Anmerkung von Beitzke, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Hieraus ergibt sich jedoch nicht, daß es ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs darstellt, wenn der mit einem Wettbewerbsverbot belegte Arbeitnehmer es ablehnt, sich nach seinem Ausscheiden arbeitslos zu melden. Es kann dahinstehen, ob dies ausnahmslos zu gelten hat oder ob besondere Umstände es gebieten können, anstelle eigener Erwerbstätigkeit öffentlich- rechtliche Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Im allgemeinen ist aber jeder im Rahmen redlichen Verhaltens frei, allein zu entscheiden, wie er seine Arbeitskraft verwerten will (Art. 12 Abs. 1 GG). Demgemäß verlangt das Gesetz für die Anrechnung fiktiver anderer Bezüge, daß Einkommensmöglichkeiten böswillig ungenutzt bleiben, der Arbeitnehmer also mit Vorsatz untätig ist oder gegen eine zu geringe Vergütung arbeitet (BAGE 6, 307 = AP Nr. 1 zu § 615 BGB Böswilligkeit; 14, 31 = AP Nr. 22 zu § 615 BGB; Urteil vom 18. Juni 1965 - 5 AZR 351/64 - AP Nr. 2 zu § 615 BGB Böswilligkeit; Urteil vom 8. Februar 1974 - 3 AZR 519/73 - AP Nr. 4 zu § 74 c HGB; Urteil vom 9. August 1974 - 3 AZR 350/73 - AP Nr. 5 zu § 74 c HGB; Urteil vom 13. November 1975 - 3 AZR 38/75 - AP Nr. 7 zu § 74 c HGB).
Im Streitfall ist der Kläger weder untätig geblieben noch hat die Beklagte ihm vorhalten können, er hätte höhere Einkünfte erzielen können und dies bewußt unterlassen. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, die selbständige Tätigkeit des Klägers sei von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen oder habe gar nur zum Ziel gehabt, den Anspruch auf Karenzentschädigung zu stützen. Zu Recht hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß die steigende Einkommensentwicklung beim Kläger gegen eine solche Annahme spricht. Deshalb war der Kläger auch nicht verpflichtet, sich arbeitslos zu melden.
Zudem erscheint die Leistungsverweigerung der Beklagten unter Hinweis auf den möglichen Bezug von Arbeitslosengeld widersprüchlich. Da die Beklagte das Wettbewerbsverbot mit dem Kläger nach dem 31. Dezember 1981 vereinbart hat, gilt § 128 a AFG mit der Folge, daß die Beklagte der Bundesanstalt für Arbeit ein dem Kläger gezahltes Arbeitslosengeld hätte erstatten müssen. Dann aber kann sie nicht ein fiktives Arbeitslosengeld zur Kürzung der Karenzentschädigung heranziehen. Der Einwand der Beklagten, das Wettbewerbsverbot sei mit Rückwirkung zum 4. Mai 1981 vereinbart worden, daher gelte § 128 a AFG nicht, geht fehl. Die Vorschrift stellt auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab. Sie nimmt allein aus Gründen des rechtstaatlichen Vertrauensschutzes vor dem Stichtag bereits abgeschlossene Wettbewerbsvereinbarungen von der Geltung aus.
III. Die Beklagte macht weiter geltend, der Zahlungsanspruch sei jedenfalls derzeit unbegründet, weil der Kläger seiner Auskunftspflicht nach § 74 c Abs. 2 HGB nicht genügt habe. Hieraus ergebe sich auch der mit der Widerklage verfolgte Gegenanspruch auf Auskunft und Vorlage der im Widerklageantrag genannten Belege. Hierüber kann noch nicht abschließend entschieden werden.
1. Gemäß § 74 c Abs. 2 HGB ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber auf dessen Verlangen über die Höhe seines Erwerbs Auskunft zu geben. Der Arbeitgeber soll prüfen können, ob der Arbeitnehmer anrechenbare Einkünfte erzielt hat. Solange der Arbeitnehmer die Auskunft nicht oder nicht ausreichend erteilt hat, kann der Arbeitgeber die Zahlung der Karenzentschädigung verweigern (BAGE 22, 6, 16 = AP Nr. 23 zu § 133 f GewO, zu III 4 der Gründe; Urteil vom 12. Januar 1978 - 3 AZR 57/76 - AP Nr. 8 zu § 74 c HGB, zu 2 der Gründe).
a) Im Streitfall hat der Kläger mehrfach Angaben über die Höhe seiner Einnahmen und Ausgaben gemacht und seine Umsatzsteuervoranmeldungen als Belege beigefügt. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe jedenfalls mit der zuletzt vorgelegten Zusammenstellung seiner Auskunftspflicht genügt. Mache sich ein Arbeitnehmer selbständig, so richte sich der Inhalt der Auskunftspflicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben. Habe der Arbeitgeber Zweifel an der Richtigkeit der Angaben, so könne er zwar Belege verlangen, nicht aber eine nach kaufmännischen Regeln erstellte Gewinn- und Verlustrechnung. Die vom Kläger vorgelegten Umsatzsteuervoranmeldungen reichten aus, zumal die Beklagte gegen die Angaben des Klägers keine beachtlichen Einwendungen erhoben habe. Die Abrechnung des Klägers nach Quartalen sei nicht zu beanstanden; eine monatsweise Abrechnung könne von einem Selbständigen, der unregelmäßige Einkünfte erziele, nicht verlangt werden. Demgegenüber vertritt die Revision den Standpunkt, auch ein Selbständiger könne und müsse monatlich abrechnen; die Umsatzsteuervoranmeldungen seien keine brauchbaren Belege.
Nach Ansicht des Senats werden beide Auffassungen der Problematik nicht voll gerecht. Wenn ein mit einem Wettbewerbsverbot belegter Arbeitnehmer in der Karenzzeit eine selbständige Tätigkeit aufnimmt, gelten sowohl für den Zeitpunkt, wie für den Inhalt der gebotenen Auskunft Besonderheiten.
b) Die Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung ist nach den §§ 74 ff. HGB von verschiedenen Faktoren abhängig und an unterschiedliche Berechnungs- und Bezugszeiträume gebunden. Gemäß § 74 Abs. 2 HGB muß die Entschädigung für jedes Jahr des Wettbewerbsverbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreichen. § 74 b Abs. 1 HGB bestimmt, daß die Entschädigung am Schlusse jeden Monats zu zahlen ist. § 74 c Abs. 1 HGB sieht schließlich vor, daß sich der Handlungsgehilfe auf die fällige Entschädigung anderweit erzielte Arbeitseinkünfte - oder böswillig nicht erzielte Einkünfte - in bestimmten Grenzen anrechnen lassen muß, wobei es dem Prinzipal erlaubt ist, die Zahlung zu verweigern, bis der Gehilfe über andere Einkünfte gehörige Auskunft erteilt hat. Die Entschädigung darf also eine Mindestgrenze nicht unterschreiten, die nach § 74 Abs. 2 HGB auf die Dauer eines Jahres bezogen ist; sie ist aber monatlich zu zahlen, soweit dem Arbeitgeber kein Leistungsverweigerungsrecht zusteht.
Die gesetzliche Regelung bereitet keine besonderen Schwierigkeiten, wenn der zur Wettbewerbsunterlassung verpflichtete Arbeitnehmer regelmäßige Einkünfte bezieht. Der monatliche Verdienst wird dann im wesentlichen den zwölften Teil des für die Abrechnung maßgebenden Jahreseinkommens darstellen. Erhält der Arbeitnehmer daneben Einmalzahlungen, etwa eine Gratifikation oder eine tarifliche Sonderzahlung, so entspricht es den Interessen beider Beteiligten, solche Zuwendungen auf den Zeitraum umzulegen, auf den sie sich beziehen, und sie pro Monat anteilig auf die Karenzentschädigung anzurechnen (BAGE 25, 385, 391 f. = AP Nr. 34 zu § 74 HGB, zu II 2 der Gründe).
Der Senat hat bereits darauf hingewiesen (aa0), daß eine monatsweise Abrechnung dann auf Schwierigkeiten stößt, wenn der Arbeitnehmer eine selbständige Tätigkeit aufnimmt, bei der typischerweise von vornherein mit stark schwankenden Einkünften zu rechnen ist. Anders als der abhängig Beschäftigte, dessen Tätigkeit zum Ende eines bestimmten Zeitabschnitts eine fällige Gegenleistung auslöst, erwirbt der Selbständige die Gegenleistung regelmäßig erfolgsabhängig; er wird (etwa als Planer oder Architekt eines größeren Projekts) unter Umständen lange Zeit tätig sein müssen, bevor er die vereinbarte Vergütung verlangen kann. Wird in solchen Fällen monatlich abgerechnet, so muß auch die Höhe der Karenzentschädigung stark schwanken; sie wird von Zufälligkeiten abhängen und, in gewissen Grenzen, sogar manipulierbar sein, etwa durch eine verzögerliche Rechnungstellung. Es kann, bezogen auf den Ausgleichszeitraum von einem Jahr, auch zu erheblichen Unter- oder Überzahlungen kommen, je nachdem welche wirtschaftliche Entwicklung die unternehmerische Tätigkeit des zur Wettbewerbsunterlassung Verpflichteten nimmt.
Ginge man andererseits davon aus, daß bei einer selbständigen Tätigkeit die Karenzentschädigung erst dann fällig werden kann, wenn sich im Rückblick der Durchschnitt der anrechenbaren Einkünfte im Anrechnungszeitraum ermitteln läßt, also nach Ablauf eines Jahres, so würde dies der in § 74 b Abs. 1 HGB getroffenen Regelung widersprechen, nach der die Karenzentschädigung monatlich gezahlt werden muß. Der Zweck der Vorschrift, den Unterhalt des Arbeitnehmers, der einem Wettbewerbsverbot unterliegt, auf einem Mindestniveau zu sichern, würde nicht beachtet (Beitzke in Anmerkung zu AP Nr. 11 zu § 74 c HGB; Röhsler/Borrmann, Wettbewerbsbeschränkungen für Arbeitnehmer und Handelsvertreter, 1981, S. 90). Gerade derjenige, der eine selbständige Tätigkeit soeben erst aufgenommen hat, wird besonders darauf angewiesen sein, die ihm zustehende Entschädigung alsbald und pünktlich zu erhalten.
c) Das Berufungsgericht hat versucht, Wertungswidersprüche zu vermeiden und einen angemessenen Interessenausgleich zu erreichen, indem es von einem vierteljährlichen Abrechnungs- und Ausgleichszeitraum ausgegangen ist. Diese Lösung erscheint im Ansatz nicht unangemessen, bedarf aber der Ergänzung. § 74 b Abs. 1 HGB sieht kürzere, monatliche Fälligkeitstermine vor. Daher muß es dem Arbeitnehmer möglich sein, die Voraussetzungen für monatliche Zahlungen zu schaffen. Das gilt auch für denjenigen, der sich selbständig gemacht hat.
Der Auffassung des Klägers, monatliche Auskünfte seien zu Beginn einer selbständigen Tätigkeit schlechthin unmöglich, deswegen könne der Arbeitgeber überhaupt keine Auskunft verlangen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Richtig ist lediglich, daß nicht so strenge Anforderungen an Inhalt und Umfang der Auskunft gestellt werden dürfen, daß der Anspruch auf monatliche Zahlungen praktisch vereitelt wird. Es gilt, einerseits die Unterhaltssicherung im Sinne von § 74 b Abs. 1 HGB zu gewährleisten und andererseits sicherzustellen, daß im jährlichen Ausgleichszeitraum des § 74 Abs. 2 HGB die vereinbarte Entschädigung nicht unter- oder überschritten wird. Beide Ziele lassen sich dadurch erreichen, daß von dem Arbeitnehmer zunächst nur vorläufige Auskünfte verlangt werden, der Arbeitgeber aber solange auch nur vorläufige Zahlungen leisten muß. Zum Ende des Ausgleichszeitraums, also nach einem Jahr, ist dann zu saldieren und abschließend festzustellen, welche Einkünfte der Arbeitnehmer tatsächlich erzielt hat und ob das Geschäftsergebnis in den Grenzen des § 74 Abs. 1 HGB insgesamt zur Minderung der Karenzentschädigung führt. Daß sich zu diesem Zeitpunkt Nachzahlungs- oder Rückzahlungsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung ergeben können, ist hinzunehmen (vgl. Röhsler/Borrmann, aa0, S. 90).
2. Aus diesen Überlegungen ergeben sich Folgerungen für Inhalt und Umfang der Auskünfte, die der karenzpflichtige Arbeitnehmer schuldet.
a) Inhalt und Umfang von Auskunftspflichten richten sich im Einzelfall nach den Grundsätzen von Treu und Glauben. Das ist von besonderer praktischer Bedeutung, wenn es um Angaben über Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit geht (BAG Urteil vom 25. Februar 1975 - 3 AZR 148/74 - AP Nr. 6 zu § 74 c HGB, zu I und II 2 der Gründe mit Anmerkung von Moritz; BAG Urteil vom 7. Juli 1960 - 5 AZR 61/59 - AP Nr. 2 zu § 242 BGB Auskunftspflicht; BAG Urteil vom 25. Juni 1964 - 2 AZR 135/63 - AP Nr. 3 zu § 242 BGB Auskunftspflicht). Hier lassen sich keine schematischen Regeln aufstellen, die für die vielfältigen Erscheinungsformen des Arbeitslebens gleichermaßen Geltung beanspruchen. Bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten wird stets nach den Umständen des Einzelfalls abzuwägen sein zwischen dem Interesse des Arbeitnehmers, durch die Karenzentschädigung in kurzen Zeitabschnitten einen Beitrag zum Unterhalt zu erhalten und dem Interesse des Arbeitgebers, überhöhte Vorleistungen zu vermeiden. Deswegen brauchen einerseits die Auskünfte des Arbeitnehmers nur so substantiiert zu sein, wie das in der gegebenen Situation möglich ist. Andererseits müssen sie dem Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, ein möglichst deutliches Bild zu erhalten, mit welchen laufenden Verpflichtungen er zu rechnen hat.
Es liegt auf der Hand, daß der Umfang der vorläufigen Auskunft von dem Berechnungszeitraum abhängt: Verlangt der Arbeitnehmer, wozu er berechtigt ist, monatliche Zahlungen, dann wird er zunächst nur sein vorläufiges Monatsergebnis angeben können. Immerhin muß er, entgegen der Auffassung des Klägers, Zahlen nennen. Die Einzelheiten des zumutbaren Rechenwerkes hängen unter anderem von der Größe des Unternehmens ab. Wer allein arbeitet, kann die wirtschaftliche Situation seines Unternehmens leicht im Auge behalten. Schwieriger wird dies mit zunehmender Anzahl der Mitarbeiter und wachsendem Umfang der geschäftlichen Tätigkeit. Daher kann nur im konkreten Einzelfall nach Treu und Glauben beurteilt werden, wie detailliert die Angaben zumutbarerweise sein müssen, um die Fälligkeit der Entschädigung nach § 74 b Abs. 1 HGB herbeizuführen und ein Zurückbehaltungsrecht des früheren Arbeitgebers unter Berufung auf § 74 c Abs. 2 HGB auszuschließen.
b) Entsprechendes muß gelten, wenn der Arbeitgeber gegen die erteilten Auskünfte Einwendungen erhebt und Belege verlangt. Auch insoweit gelten die Grundsätze von Treu und Glauben, ohne daß sich feste Regeln aufstellen ließen (Urteil des Senats vom 25. Februar 1975 - 3 AZR 148/74 - AP Nr. 6 zu § 74 c HGB, zu II 2 der Gründe, mit Anmerkung von Moritz). Je nach den Umständen des Einzelfalls wird sich der frühere Arbeitgeber, besonders zu Beginn der Karenzzeit, mit einer Plausibilitätsprüfung begnügen müssen. Gegen Ende der Karenzzeit werden auch konkrete Nachweise möglich und geboten sein. Auf die Möglichkeit, den Steuerbescheid vorzulegen, hat der Senat in seinem Urteil vom 25. Februar 1975 (aa0, zu II 2 der Gründe) bereits hingewiesen. Es kommen aber auch andere Belege in Betracht. Die Anforderungen dürfen insgesamt nicht überspannt werden. Die Pflicht des Arbeitnehmers, seine Angaben zu belegen, besteht nicht stets und von vornherein, sondern nur bei begründeten Einwendungen und mit dem Ziel, dem Arbeitgeber die Überprüfung der Auskunft zu ermöglichen (Schlegelberger/Schröder, HGB, Bd. II, 5. Aufl., § 74 c Rz 8). Der Arbeitgeber muß also seinerseits begründete Zweifel geltend machen können.
3. Zusammenfassend läßt sich festhalten: Die Karenzentschädigung des früheren Arbeitnehmers, der sich selbständig gemacht und unregelmäßige Bezüge hat, ist insgesamt aufgrund einer Gesamtberechnung für die Dauer eines Jahres zu ermitteln. Der frühere Arbeitnehmer muß deshalb auch nur eine auf den Jahreszeitraum bezogene Auskunft gem. § 74 c Abs. 2 HGB erteilen. Tut er dies erst am Ende der Karenzzeit, so hat er vor diesem Zeitpunkt keinen durchsetzbaren Anspruch auf Karenzentschädigung (§ 74 c Abs. 2 HGB in Verb. mit § 320 BGB). Der Arbeitnehmer hat aber auch die rechtliche Möglichkeit, durch plausible Zwischenauskünfte monatlich, vierteljährlich oder in anderen Zeiträumen Entschädigungszahlungen fällig zu stellen. Dann muß er seinen Unternehmensgewinn so darstellen, wie ihm dies nach Treu und Glauben und den Umständen des Einzelfalls möglich und zumutbar ist.
Die Pflicht, Angaben der erteilten Auskunft zu belegen, richtet sich ebenfalls nach Treu und Glauben. Insoweit kommt es darauf an, welche Einwände der Arbeitgeber erhebt und was dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar ist. Soweit es um längere Zeiträume geht, werden häufig anerkannte Steuerbelege oder Gewinn- und Verlustrechnungen zur Verfügung stehen.
IV. Für den Streitfall ergibt sich hieraus folgendes:
1. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß sich Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht des Klägers nach Treu und Glauben richten. Es hat jedoch nicht näher geprüft, welche Angaben dem Kläger in den einzelnen Zeitabschnitten möglich und zumutbar waren und welche Einwendungen und Zweifel die Beklagte berechtigterweise vorbringen konnte. Dies wird nachzuholen sein.
2. Von dem Ergebnis der Prüfung wird abhängen, zu welchen Zeitpunkten die einzelnen Raten der Karenzentschädigung fällig geworden sind. Danach wiederum entscheidet sich, ob und wann die Beklagte in Verzug geraten ist und aus welchen Beträgen und von welchen Zeitpunkten ab der Kläger Verzugszinsen verlangen kann. Geltend gemacht sind Zinsen in Höhe von 4 % auf die einzelnen Monatsraten.
3. In der Beurteilung der Widerklage folgt der Senat weitgehend der Auffassung des Berufungsgerichts: Es begegnet keinen Bedenken, den Anspruch auf umfassende Auskunft für den gesamten Abrechnungszeitraum selbständig im Wege der Widerklage geltend zu machen. Die Widerklage geht jedoch insofern zu weit, als sie vom Kläger kumulativ die Vorlage von Umsatzsteuervoranmeldungen, von Gewinn- und Verlustrechnungen, Gehaltsabrechnungen, Provisionsabrechnungen und des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 1984 verlangt. Auch insoweit muß das Berufungsgericht prüfen, welche Belege von dem Kläger billigerweise verlangt werden können, und zwar unter Abwägung der Gründe, die die Beklagte veranlassen, den Angaben des Klägers zu mißtrauen. Am Ende der Karenzzeit wird zumindest eine nach Einnahmen und Ausgaben geordnete Zusammenstellung für den gesamten Abrechnungszeitraum vorliegen müssen.
Dr. Dieterich Griebeling
zugleich für den durch Krankheit
an der Unterschriftsleistung
gehinderten Richter am
BAG Schaub
Dr. Schwarze Grimm
Fundstellen
Haufe-Index 438714 |
BAGE 55, 309-321 (LT1-2) |
BAGE, 309 |
DB 1988, 238-240 (LT1-2) |
ARST 1988, 59-59 (LT1) |
JR 1988, 176 |
NZA 1988, 130-132 (LT1-2) |
RdA 1988, 57 |
AP § 74c HGB (LT1-2), Nr 13 |
AR-Blattei, ES 1830 Nr 155 (LT1-2) |
AR-Blattei, Wettbewerbsverbot Entsch 155 (LT1-2) |
EzA § 74c HGB, Nr 25 (LT1-2) |
MDR 1988, 257-257 (LT1-2) |
VersR 1988, 306-306 (LT1-2) |