Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerähnlichkeit eines Rundfunkgebührenbeauftragten
Leitsatz (redaktionell)
1. Für Personen, die wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind (arbeitnehmerähnliche Personen) können Tarifverträge abgeschlossen werden, wenn die Personen aufgrund von Dienst- oder Werkverträgen für andere Personen tätig sind.
2. Die Tarifvertragsparteien können den Begriff der sozialen Schutzbedürftigkeit nicht über den gesetzlichen Begriff hinaus erweitern und damit weitere Personenkreise in den Geltungsbereich eines Tarifvertrages einbeziehen. Ein derartiger Tarifvertrag ist teilweise unwirksam.
3. Soziale Schutzbedürftigkeit ist anzunehmen, wenn das Maß der Abhängigkeit nach der Verkehrsanschauung einen solchen Grad erreicht, wie er im allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt und die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn der Dienstnehmer über den Umfang und Ablauf seines Arbeitseinsatzes selbst entscheidet, im Verlaufe eines Jahres 280.000,-- DM verdienen kann und über anderweitige Einnahmen verfügt (Beamtenpension, Berufsunfähigkeitsrente), die seine Existenz sichern.
Orientierungssatz
Auslegung des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen zwischen der RFFU und der DAG einerseits und dem NDR andererseits vom 30.09.1977.
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 11.12.1989; Aktenzeichen 4 Sa 67/89) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 05.07.1989; Aktenzeichen 9 Ca 91/89) |
Tatbestand
Der Kläger ist bei dem Beklagten als Rundfunkgebührenbeauftragter beschäftigt. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag enthält u. a. folgende Regelungen:
1. Herr H wird ab 1. 4. 86 beauftragt,
Auskünfte über die Anmeldung und das Bereit-
halten von Rundfunkempfangsgeräten (Hörfunk-
und Fernsehgeräte) sowie über die Zahlung der
Rundfunkgebühren (Grund- und Fernsehgebühr)
zu erteilen und einzuholen, Rundfunkteilneh-
mer zur Anmeldung der von ihnen betriebenen
Empfangsgeräte sowie zur Zahlung von Rund-
funkgebühren zu veranlassen.
2. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig,
daß durch dieses Vertragsverhältnis ein Ar-
beitsverhältnis nicht begründet wird. Der Be-
auftragte ist freiberuflich tätig. Er führt
die Tätigkeit nach eigenem Ermessen und auf
eigenes Risiko durch. Er ist an feste Ar-
beitszeiten nicht gebunden.
3.Das örtliche Tätigkeitsgebiet wird laut Anla-
ge festgelegt. Es kann durch schriftliche Zu-
satzvereinbarung geändert oder ergänzt wer-
den. Die Provision für die Tätigkeit des Be-
auftragten ergibt sich ebenfalls aus dieser
Anlage.
4. Die vereinbarte Provision ist ein Bruttoent-
gelt und schließt die Umsatzsteuer, andere
Steuern und die gesetzlichen Abgaben ein.
Neben der Vergütung gemäß Anlage werden dem
Beauftragten keine weiteren Kosten erstattet.
Mit der Zahlung der Provision ist jede sich
aus diesem Vertrag ergebende Verpflichtung
des NDR abgegolten.
Die Abführung von Steuern und gesetzlichen
Abgaben ist Angelegenheit des Beauftragten;
er stellt den NDR von diesen Ansprüchen frei.
...
5. In entsprechender Anwendung des Bundesur-
laubsgesetzes erhält der Beauftragte ein Ur-
laubsentgelt. Das Urlaubsentgelt berechnet
sich nach dem monatlichen Durchschnittsein-
kommen, das der Beauftragte in dem laufenden
Jahr erzielt. Es wird am Ende des Kalender-
jahres ausgezahlt.
...
7. Der Beauftragte ist nicht berechtigt, seine
Aufgaben aus diesem Vertrag von Dritten wahr-
nehmen zu lassen. Die vertraglich übernomme-
nen Aufgaben dürfen auch nicht mit unbefugten
Dritten ausgeführt werden.
...
9. Dieser Vertrag gilt auf unbestimmte Zeit. Er
kann von jedem Vertragspartner mit einer Kün-
digungsfrist von einem Monat zum Monatsschluß
ohne Angabe von Gründen aufgehoben werden.
Das Vertragsverhältnis endet, ohne daß es
einer besonderen Kündigung bedarf, mit dem
Ende des Monats, in dem der Beauftragte das
65. Lebensjahr vollendet.
...
Die Höhe der Provision, die der Kläger erhält und die monatlich abgerechnet wird, richtet sich nach der Anzahl der neu ermittelten, bisher nicht gemeldeten anmeldepflichtigen Hörfunk- und Fernsehgeräte und den für diese Geräte vorenthaltenen rückständigen Rundfunkgebühren, deren Zahlung der Kläger durch Rechnungslegung veranlaßt. Von der Provision des Klägers werden 7 v. H. als Arbeitnehmeranteil an die Pensionskasse abgeführt. Die vom Kläger erzielten Provisionen lagen, bezogen auf den Zeitraum eines Kalenderhalbjahres, seit dem Jahre 1987 unter 70.000,-- DM mit Ausnahme des Zeitraums vom 1. Januar 1988 bis zum 30. Juni 1988, in dem der Kläger 70.433,-- DM Provision erhielt. Für seine Tätigkeit als Rundfunkgebührenbeauftragter hatte der Kläger bis zum Jahre 1988 ein Gewerbe angemeldet. Eine weitere Erwerbstätigkeit übt er nicht aus. Der Kläger erhielt im Juni 1989 eine Berufsunfähigkeitsrente von einer privaten Versicherung in Höhe von 435,20 DM, Versorgungsbezüge aus einem früheren Beamtenverhältnis in Höhe von 1.665,99 DM und eine Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von 300,84 DM. Der Kläger ist Mitglied der IG Medien.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß auf sein Arbeitsverhältnis zum Beklagten aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen Anwendung findet. Sein Rechtsverhältnis zum Beklagten falle unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages. Er sei wirtschaftlich abhängig und sozial schutzbedürftig im Sinne der tariflichen Bestimmungen. Die wirtschaftliche Abhängigkeit folge daraus, daß er erwerbsmäßiges Entgelt ausschließlich vom Beklagten beziehe. Auch liege die soziale Schutzbedürftigkeit, wie sie in Ziffer 3.1 des Tarifvertrages definiert sei, vor, da er in jedem beliebigen Erwerbszeitraum von sechs Monaten mehr als 42 Tage für den Beklagten tätig sei und die von ihm erzielte Vergütung in diesem Zeitraum weniger als 70.000,-- DM betrage. Bei der vom Beklagten erwarteten Anzahl an ermittelten, nicht gemeldeten Geräten sei wie bei einem Arbeitnehmer ein nahezu täglicher Einsatz erforderlich.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß auf die Tätigkeit des Klägers
für den Beklagten Anwendung findet der zwischen
der Rundfunk-Fernseh-Filmunion (RFFU), der Deut-
schen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) und dem
Deutschen Journalisten-Verband einerseits sowie
dem Beklagten andererseits abgeschlossene Tarif-
vertrag für arbeitnehmerähnliche Personen vom
30. September 1977 in der Fassung vom 1. Mai
1981.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen auf das Rechtsverhältnis des Klägers nicht anzuwenden sei. Der Geltungsbereich des Tarifvertrages sei auf Mitarbeiter beschränkt, die im Rahmen der Programmgestaltung tätig seien. Dies werde u. a. schon dadurch deutlich, daß die Gewerkschaft RFFU hinsichtlich der Rundfunkgebührenbeauftragten den Abschluß eines gesonderten Tarifvertrages gefordert habe. Außerdem beziehe sich der Tarifvertrag nur auf Mitarbeiter, deren Einkünfte vom Auftragsvergabeverhalten des Beklagten abhingen. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, da er die Höhe seiner Provision durch den Umfang seines Einsatzes bestimmen könne.
Im übrigen lägen auch die tariflichen Voraussetzungen, nach denen ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis anerkannt werden könne, nicht vor. Der Tarifvertrag finde keine Anwendung auf Personen, die unter eigener Firma Leistungen für den Beklagten erbringen (Ziffer 1.2 Unterabs. 2). Zu diesen gehöre der Kläger, da er hinsichtlich seiner Tätigkeit als Rundfunkgebührenbeauftragter ein Gewerbe angemeldet habe und als freier Unternehmer tätig sei. Er sei mit einem selbständigen Handelsvertreter vergleichbar. Außerdem schließe der Tarifvertrag Empfänger von Altersversorgung von seinem Geltungsbereich aus (Ziffer 1.2 Unterabs. 1). Mit diesen sei der Kläger vergleichbar, da er Renten- und Versorgungsansprüche in Höhe von ca. 2000,-- DM netto pro Monat habe, so daß seine wirtschaftliche Existenz dadurch gesichert sei. Deshalb fehle es auch an der wirtschaftlichen Abhängigkeit und der sozialen Schutzbedürftigkeit im Sinne von § 12 a TVG, die Voraussetzung für die Anwendung der tariflichen Bestimmungen seien (Ziffer 1.1). Die wirtschaftliche Existenz des Klägers sei durch seine anderweitigen Einkünfte gesichert, auch wenn seine Provisionseinnahmen entfielen. Er sei vom sozialen Typus auch nicht vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Klageabweisung. Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien findet der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen keine Anwendung. Der Kläger ist nicht vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig im Sinne von § 12 a TVG.
Soweit der Beklagte rügt, daß für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen, sondern die der ordentlichen Gerichte begründet sei, kann darauf die Revision nicht gestützt werden (§ 73 Abs. 2 ArbGG). Das Bundesarbeitsgericht ist an die Annahme der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen durch das Landesarbeitsgericht gebunden (BAGE 32, 187, 188 = AP Nr. 2 zu § 4 TVG Gemeinsame Einrichtungen; BAGE 41, 328, 331 = AP Nr. 1 zu § 73 ArbGG 1979, zu I 2 der Gründe; BAGE 47, 138 = AP Nr. 4 zu § 850 ZPO; Germelmann/ Matthes/Prütting, ArbGG, § 73 Rz 21).
Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 256 ZPO zulässig. Der Kläger begehrt die Feststellung, daß auf sein Rechtsverhältnis zum Beklagten die tariflichen Bestimmungen des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen Anwendung finden. Durch die Klärung der Frage, ob sein Rechtsverhältnis zum Beklagten vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfaßt wird, wird eine Vielzahl von Einzelfragen dem Streit der Parteien endgültig entzogen, da der Feststellungsantrag zu einer grundsätzlichen Klärung der tariflichen Rechte und Pflichten beider Parteien auch für die Zukunft führt. Dies reicht zur Annahme eines rechtlichen Interesses aus (vgl. BAGE 35, 239 = AP Nr. 24 zu § 59 HGB), wofür auch, wie bei Rechtsstreitigkeiten über den Arbeitnehmerstatus, prozeßökonomische Gesichtspunkte (vgl. BAG Urteil vom 22. Juni 1977 - 5 AZR 753/75 - AP Nr. 22 zu § 611 BGB Abhängigkeit, m.w.N.) sprechen.
Für die Beurteilung, ob auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, für die nach § 3 Abs. 1 TVG Tarifgebundenheit besteht, der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen Anwendung findet, sind folgende tariflichen Bestimmungen heranzuziehen:
1. Geltungsbereich
1.1 Dieser Tarifvertrag gilt für die beim NDR
beschäftigten arbeitnehmerähnlichen Perso-
nen im Sinne des § 12 a TVG,
1.1.1 für die zwischen ihnen und dem NDR durch
einzelne oder wiederholte Dienst- oder
Werkverträge begründeten Rechtsverhältnis-
se;
1.1.2 für die sich aus der Wiederholung einzel-
ner Beschäftigungsverhältnisse nach dem
Tarifvertrag für auf Produktionsdauer Be-
schäftigte ergebenden arbeitnehmerähnli-
chen Dauerrechtsbeziehungen.
1.2 Dieser Tarifvertrag gilt nicht für
unbefristet oder befristet beschäftigte
Arbeitnehmer im Sinne des Manteltarifver-
trages in der jeweils geltenden Fassung,
für sonstige Arbeitsverhältnisse, insbe-
sondere Aushilfs- und Teilzeitarbeitsver-
hältnisse und für Verträge mit Auszubil-
denden, Praktikanten und Volontären sowie
für Vollbeschäftigte bei Dritten und Emp-
fänger von Altersversorgung.
Er gilt ferner nicht für Personen, die
unter eigener Firma oder mit eigenem Per-
sonal Leistungen für den NDR erbringen.
...
2. Wirtschaftliche Abhängigkeit im Sinne von
§ 12 a TVG
Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Mit-
arbeiters ist gegeben, wenn er entweder
beim NDR (einschließlich Tochtergesell-
schaften) oder bei ihm und anderen Rund-
funkanstalten, die zur Arbeitsgemeinschaft
der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstal-
ten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
gehören, mehr als die Hälfte seiner er-
werbsmäßigen Gesamtentgelte (brutto und
ohne gesonderte Unkostenerstattung) in den
letzten sechs Monaten vor Geltendmachung
eines Anspruchs aus diesem Tarifvertrag
oder seinen Durchführungs-Tarifverträgen
bezogen hat. Sofern ein Mitarbeiter künst-
lerische, schriftstellerische oder journa-
listische Leistungen erbringt oder an der
Erbringung, insbesondere der technischen
Gestaltung, solcher Leistungen unmittelbar
mitwirkt, genügt statt der Hälfte ein
Drittel der genannten Entgelte.
...
3. Soziale Schutzbedürftigkeit im Sinne des
§ 12 a TVG
3.1 Die soziale Schutzbedürftigkeit des Mitar-
beiters ist gegeben, wenn er in dem Er-
werbszeitraum von sechs Monaten mindestens
an 42 Tagen (einschließlich Urlaubstage)
für den NDR oder für andere ARD-Anstalten
aufgrund vertraglicher Verpflichtungen
tätig war und seine Vergütungen in diesem
Zeitraum nicht mehr als DM 70.000,-- be-
tragen haben.
...
5. Beginn und Dauer der Arbeitnehmerähnlich-
keit
5.1 Das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis
mit dem NDR beginnt mit dem Eintritt der
Voraussetzungen nach den Ziffern 2 und 3,
ohne daß es im Einzelfall einer ausdrück-
lichen Erklärung oder Feststellung bedarf.
...
Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß das Rechtsverhältnis des Klägers als Rundfunkgebührenbeauftragter unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages falle. Der Kläger sei nicht Arbeitnehmer, da er bei Ausübung seiner Tätigkeit keinen Weisungen des Beklagten unterliege und deshalb nicht persönlich abhängig sei (Ziffer 1.2 Unterabs. 1). Der Kläger erbringe auch keine Leistungen für den Beklagten unter eigener Firma oder mit eigenem Personal (Ziffer 1.2 Unterabs. 2), da er nach den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Beklagten nicht berechtigt sei, die Tätigkeit von dritten Personen wahrnehmen zu lassen. Er erhalte mehr als die Hälfte seiner gewerbsmäßigen Gesamtentgelte vom Beklagten, so daß er wirtschaftlich abhängig im Sinne von § 12 a TVG in Verbindung mit Ziffer 2 des Tarifvertrages sei. Der Kläger sei auch vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig. Sein Einkommen beziehe er im wesentlichen vom Beklagten und hebe sich im Hinblick auf seine sonstigen Einkünfte nach seiner sozialen Stellung nicht wesentlich aus der Schicht der Arbeitnehmer heraus. Er erfülle auch die tariflichen Anforderungen an die soziale Schutzbedürftigkeit im Sinne von Ziffer 3.1 des Tarifvertrages. Im Hinblick auf die erzielten Provisionen sei davon auszugehen, daß er mehr als acht Wochen, bezogen auf den Zeitraum eines halben Jahres, für den Beklagten tätig sei. Er erziele in einem solchen Zeitraum in der Regel erheblich weniger als 70.000,-- DM an Provision. Den tariflichen Bestimmungen könne nicht entnommen werden, daß der Geltungsbereich des Tarifvertrages auf Mitarbeiter, die an der Programmgestaltung mitwirkten, beschränkt sei.
Diesen Ausführungen vermag der Senat nicht zu folgen. Der Kläger ist nicht vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig im Sinne von § 12 a Abs. 1 Nr. 1 TVG. Zwar erfüllt er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Anforderungen, die nach Ziffer 3.1 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen an die soziale Schutzbedürftigkeit gestellt werden. Diese tarifliche Bestimmung ist jedoch insoweit rechtsunwirksam, als durch sie der Kreis der arbeitnehmerähnlichen Personen über die gesetzliche Vorschrift des § 12 a Abs. 1 Nr. 1 TVG hinaus erweitert wird. Zu den Personen, die im Sinne von § 12 a Abs. 1 Nr. 1 TVG einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sind, gehört der Kläger nicht.
Die Tarifvertragsparteien gehen bei der Umschreibung des Geltungsbereichs des Tarifvertrages davon aus, daß die tariflichen Bestimmungen für arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des § 12 a TVG gelten sollen (Ziffer 1.1). Zur weiteren Bestimmung des Geltungsbereiches normieren sie in Ziffer 2 die Anforderungen, die an die wirtschaftliche Abhängigkeit im Sinne von § 12 a TVG und in Ziffer 3.1 die Anforderungen, die an die soziale Schutzbedürftigkeit zu stellen sind. Entgegen der Auffassung des Beklagten läßt sich aus dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang, die bei der Tarifauslegung maßgebend sind (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), nicht entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien bei der Bestimmung des Geltungsbereiches die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 12 a Abs. 1 Nr. 1 TVG, nach denen eine Person als arbeitnehmerähnlich anzusehen ist, verlangen und in Ziffer 2 und Ziffer 3.1 des Tarifvertrages nur im einzelnen die gesetzlichen Alternativen in § 12 a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) oder Buchstabe b) TVG konkretisieren. Vielmehr definieren die Tarifvertragsparteien in Ziffer 2 die Anforderungen, die an die wirtschaftliche Abhängigkeit und in Ziffer 3.1 die Anforderungen, die an die soziale Schutzbedürftigkeit zu stellen sind, für den Geltungsbereich des Tarifvertrages abschließend und zwingend. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der tariflichen Bestimmungen. Sowohl in der Überschrift in Ziffer 2 als auch in der Überschrift in Ziffer 3 wird auf die gesetzliche Vorschrift des § 12 a TVG Bezug genommen. Einleitend wird in den tariflichen Bestimmungen ferner eindeutig formuliert, daß die wirtschaftliche Abhängigkeit bzw. die soziale Schutzbedürftigkeit des Mitarbeiters "gegeben ist", wenn die weiteren tariflichen Voraussetzungen vorliegen. Dies läßt nur den Schluß zu, daß die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, daß die Anforderungen, die an den Status einer arbeitnehmerähnlichen Person im Sinne von § 12 a Abs. 1 Nr. 1 TVG zu stellen sind, für den Geltungsbereich des Tarifvertrages abschließend bestimmt werden. Liegen die im einzelnen beschriebenen tariflichen Voraussetzungen vor, so soll daraus notwendig folgen, daß der betreffende Mitarbeiter als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 12 a TVG anzusehen ist. Diese Auslegung ergibt auch der tarifliche Gesamtzusammenhang, da die Tarifvertragsparteien in Ziffer 1.1 den Geltungsbereich des Tarifvertrages unter Bezugnahme auf § 12 a TVG definieren und die gesetzlichen Voraussetzungen dazu in Ziffer 2 (wirtschaftliche Abhängigkeit) und in Ziffer 3.1 (soziale Schutzbedürftigkeit) interpretieren.
Soweit die Tarifvertragsparteien in Ziffer 3.1 die Anforderungen normieren, die an die soziale Schutzbedürftigkeit zu stellen sind, wird der Kreis der Personen, denen nach § 12 a Abs. 1 Nr. 1 TVG ein arbeitnehmerähnlicher Status zukommt, in unzulässiger Weise erweitert, so daß die tarifliche Bestimmung insoweit rechtsunwirksam ist.
Durch § 12 a TVG wurde die Tarifautonomie auf arbeitnehmerähnliche Personen erstreckt. Dabei ergeben sich die Voraussetzungen für den arbeitnehmerähnlichen Status zwingend aus § 12 a Abs. 1 bis 3 TVG. Die gesetzliche Vorschrift ist damit nicht tarifdispositiv. Die Tarifvertragsparteien können den Kreis der Personen, für die ihnen in § 12 a TVG die Tarifautonomie gesetzlich eingeräumt ist, somit über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus nicht erweitern. Vielmehr sind sie an die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen gebunden (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 12 a Rz 22).
Den gesetzlichen Mindestvoraussetzungen hinsichtlich des Status einer arbeitnehmerähnlichen Person wird durch Ziffer 3.1 des Tarifvertrages nicht hinreichend Rechnung getragen. Soziale Schutzbedürftigkeit im Sinne dieser tariflichen Bestimmung ist gegeben, wenn der Mitarbeiter in einem Erwerbszeitraum von sechs Monaten mindestens an 42 Tagen (einschließlich Urlaubstage) für den Beklagten oder für andere ARD-Anstalten aufgrund vertraglicher Verpflichtungen tätig war und seine Vergütungen in diesem Zeitraum nicht mehr als 70.000,-- DM betragen haben. Die Tarifvertragsparteien fordern damit für die soziale Schutzbedürftigkeit im Sinne von § 12 a TVG nur eine Mindestbeschäftigungsdauer einschließlich etwaiger Urlaubstage von durchschnittlich 7 Arbeitstagen pro Monat und begrenzen die Gesamtvergütung, die vom Beklagten und anderen ARD-Anstalten bezogen wird, auf 70.000,-- DM innerhalb eines Sechsmonatszeitraums. Unter Berücksichtigung der Voraussetzungen für die wirtschaftliche Abhängigkeit in Ziffer 2 des Tarifvertrages bedeutet dies, daß ein Mitarbeiter innerhalb von sechs Monaten über 70.000,-- DM hinaus einen annähernd gleichen anderweitigen Verdienst erzielen könnte, ohne daß dies Einfluß auf seinen Status als arbeitnehmerähnliche Person im tariflichen Sinne hätte. Bezogen auf den Zeitraum eines Jahres würde ein Mitarbeiter die tariflichen Voraussetzungen als arbeitnehmerähnliche Person somit auch dann erfüllen können, wenn er jährliche Einkünfte aus Erwerbstätigkeit von annähernd 280.000,-- DM hat. Einkünfte, die nicht auf Erwerbstätigkeit beruhen, bleiben nach den tariflichen Bestimmungen völlig unberücksichtigt.
Nach § 12 a Abs. 1 Nr. 1 TVG setzt der Status einer arbeitnehmerähnlichen Person voraus, daß diese vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig ist. Soziale Schutzbedürftigkeit ist anzunehmen, wenn das Maß der Abhängigkeit nach der Verkehrsanschauung einen solchen Grad erreicht, wie er im allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt und die geleisteten Dienste nach ihrer soziologischen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind (BAGE 12, 158 = AP Nr. 2 zu § 717 ZPO; BAGE 14, 17 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG Urteil vom 17. Dezember 1968 - 5 AZR 86/68 - AP Nr. 17 zu § 5 ArbGG 1953; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch , 6. Aufl., § 9 I 1, S. 36). Der unbestimmte Rechtsbegriff der sozialen Schutzbedürftigkeit erfordert eine Bewertung aller Umstände des Einzelfalles. Zu diesem gehört notwendig neben der Höhe der Vergütung aus dem Rechtsverhältnis, das den arbeitnehmerähnlichen Status begründen soll, die Berücksichtigung anderweitiger Einkünfte. Diese können dazu führen, daß die für einen Arbeitnehmer typische Notwendigkeit, seine Arbeitskraft zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz zu verwerten, nicht besteht (vgl. BGH Urteil vom 23. Februar 1977 - VIII ZR 222/75 - AP Nr. 15 zu § 850 h ZPO; Wiedemann/Stumpf, aaO, § 12 a Rz 32; Reichel/Ansey/Koberski, TVG, Stand September 1989, § 12 a Rz 11, 19; a.A. Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, 2. Aufl., § 12 a Rz 15). Dadurch, daß in den tariflichen Bestimmungen dieser Umstand bei der Festlegung des Geltungsbereichs des Tarifvertrages überhaupt nicht berücksichtigt wird, wird der Kreis der arbeitnehmerähnlichen Personen in unzulässiger Weise über den von § 12 a Abs. 1 Nr. 1 TVG erfaßten Personenkreis hinaus erweitert. Gleiches gilt, soweit in tariflichen Bestimmungen die Art der aufgrund des Rechtsverhältnisses geleisteten Dienste keinerlei Berücksichtigung findet. Bei dem Vergleich mit der sozialen Schutzbedürftigkeit eines Arbeitnehmers sind die für den jeweiligen Tätigkeitsbereich typischen Verhältnisse von maßgebender Bedeutung (vgl. Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, aaO, § 12 a Rz 15). Sie dürfen bei der Beurteilung, ob durch ein Rechtsverhältnis ein arbeitnehmerähnlicher Status begründet wird, nicht außer acht gelassen werden.
Ist für die Bestimmung des Geltungsbereichs des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen die Beurteilung der sozialen Schutzbedürftigkeit ausschließlich nach den in Ziffer 3.1 des Tarifvertrages genannten Kriterien mit höherrangigem Recht unvereinbar, so ist insoweit entsprechend der Verweisung in Ziffer 1.1 des Tarifvertrages zur Bestimmung des Geltungsbereichs die gesetzliche Vorschrift des § 12 a Abs. 1 Nr. 1 TVG heranzuziehen. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ist der Kläger danach nicht vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig, so daß er vom Geltungsbereich des Tarifvertrages nach Ziffer 1.1 nicht erfaßt wird. Zwar entfällt die soziale Schutzbedürftigkeit im Sinne von § 12 a Abs. 1 Nr. 1 TVG nicht allein deshalb, weil der Kläger Versorgung aus einem früheren Beamtenverhältnis, eine Rente aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung und eine Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erhält und deshalb monatliche Nettoeinnahmen von ca. 2000,-- DM hat, wodurch seine wirtschaftliche Existenz gesichert ist. Zu diesem Umstand kommt aber hinzu, daß der Typus des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses mit demjenigen eines Arbeitnehmers nicht vergleichbar ist. Für die einem Arbeitnehmer vergleichbare soziale Schutzbedürftigkeit einer arbeitnehmerähnlichen Person im Sinne von § 12 a Abs. 1 Nr. 1 TVG ist kennzeichnend, daß sie von der Erteilung einzelner, meist nicht unmittelbar aufeinander folgender Aufträge durch einen Auftraggeber abhängig ist oder im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses zur Erledigung einzelner Aufträge herangezogen wird. Anstelle der persönlichen Abhängigkeit eines Arbeitnehmers ist für eine arbeitnehmerähnliche Person die Abhängigkeit von der Auftragsvergabe durch den Auftraggeber ein maßgeblicher Umstand, der hinsichtlich der sozialen Schutzbedürftigkeit trotz formaler Entscheidungsfreiheit bei der Übernahme der einzelnen Aufträge eine Vergleichbarkeit mit einem Arbeitnehmer begründet.
Daran fehlt es beim Kläger. Aufgrund des mit dem Beklagten bestehenden Dauerrechtsverhältnisses ist dem Kläger die Gestaltung seines Arbeitseinsatzes und damit auch die Bestimmung der Höhe seiner Vergütung freigestellt. Zwar wird ihm vom Beklagten ein bestimmtes Gebiet vorgegeben, in dem er die vertraglich übernommene Aufgabe zu erfüllen hat. Der Kläger ist jedoch weder von der Vergabe einzelner Aufträge durch den Beklagten noch von einer durch den Beklagten im Rahmen des Dauerrechtsverhältnisses beeinflußbaren Inanspruchnahme abhängig. Der Kläger bestimmt vielmehr selbständig, in welchem Umfang er für den Beklagten tätig wird. Ein solches Rechtsverhältnis ist vom Typus mit demjenigen eines Arbeitnehmers nicht vergleichbar.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO zu tragen.
Schaub Dr. Etzel Dr. Freitag
Peter Jansen Dr. Konow
Fundstellen
BAGE 66, 95-105 (LT1-3) |
BAGE, 95 |
AiB 1991, 128-129 (LT2) |
JR 1991, 396 |
JR 1991, 396 (S) |
NZA 1991, 239-241 (LT1-3) |
RdA 1991, 62 |
AP § 12a TVG (LT1-3), Nr 1 |
AfP 1991, 660 |
AfP 1991, 660-662 (ST1-2) |
EzA § 12a TVG, Nr 1 (LT1-3) |
MDR 1991, 653 (LT1-3) |
PersR 1991, 395 (L) |