Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung von Studiengebühren der Kosten der Ausbildung zur staatlich anerkannten Betriebswirtin (BA)
Orientierungssatz
1. § 5 Abs. 1 Satz 1 BBiG führt zur Nichtigkeit einer Vereinbarung, durch die der Auszubildende für die Zeit nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses in der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit beschränkt wird. Hat sich der Ausbilder im Hinblick auf eine solche Abrede gegenüber dem Auszubildenden verpflichtet, die Kosten des Besuchs der Berufsschule zu tragen, ist der Auszubildende nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Rückzahlung dieser Kosten verpflichtet.
2. Keine Entscheidung, ob das an der Berufsakademie der Volksbanken und Raiffeisenbanken Hannover nach dem Niedersächsischen Berufsakademiegesetz (Nds. BAkadG) vom 6. Juni 1994 (Nds. GVBl S 233) absolvierte Studium der Ausbildung zum staatlich anerkannten Betriebswirt (BA) dem Berufsbildungsgesetz unterfällt.
3. Bei einer dreijährigen Ausbildungsdauer mit 1/2 Zeitanteil für ein Studium ist eine Bindungsdauer von drei Jahren zur Vermeidung der Rückzahlung der vom Arbeitgeber für das Studium aufgewendeten Kosten rechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
BBiG § 5
Verfahrensgang
LAG Brandenburg (Urteil vom 05.04.2000; Aktenzeichen 6 Sa 657/99) |
ArbG Senftenberg (Urteil vom 08.07.1999; Aktenzeichen 5 Ca 689/99) |
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 5. April 2000 – 6 Sa 657/99 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Senftenberg vom 8. Juli 1999 – 5 Ca 689/99 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.879,75 Euro nebst 4 % Zinsen ab dem 10. Mai 1999 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Erstattung von Studiengebühren sowie von Unterbringungs- und Reisekosten.
Die Klägerin vereinbarte mit der Beklagten, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Bürokauffrau verfügt, am 13. April 1995 einen Berufsausbildungs- und Studienvertrag. Gegenstand des Vertrags war die Vermittlung einer praxisorientierten und zugleich wissenschaftsbezogenen beruflichen Bildung mit dem Ziel, den staatlich anerkannten Berufsabschluß Betriebswirt (BA) zu erreichen. In Nr. 1 des Vertrags heißt es:
„…
Die praktische Berufsausbildung in der Genossenschaftsbank und das Studium an der Berufsakademie bestehen aus insgesamt 6 Semestern und einem Prüfungssemester.
Nach dem 4. Semester wird vor der Industrie- und Handelskammer die Prüfung zum Bankkaufmann abgelegt. Die entsprechenden praktischen und theoretischen Prüfungsinhalte werden in den ersten 2 Jahren im Bankbetrieb und in der Berufsakademie vermittelt.
…”
Nach Nr. 2 des Vertrags war die Klägerin zur Durchführung der praktischen Berufsausbildung verpflichtet.
In Ergänzung dazu trafen die Parteien am 12. Juli 1995 eine Qualifizierungsvereinbarung. Dort heißt es ua.:
- Die N. eG verpflichtet sich, die für den Besuch der Berufsakademie in Hannover entstehenden Studiums-, Unterbringungs- und Reisekosten zu übernehmen.
Im Gegenzug verpflichtet sich Frau H. nach Studiumsende mindestens 36 Monate als Mitarbeiterin tätig zu sein. Scheidet Frau H. aus Ihrem Verschulden oder auf eigenen Wunsch innerhalb von 36 Monaten nach Studiumsende aus den Diensten der N. eG aus, so hat sie der N. eG die Aufwendungen für die Studiums-, Unterbringungs- und Reisekosten wie folgt zu erstatten:
- in voller Höhe bei Ausscheiden innerhalb des 1. Jahres nach Studiumsende
- zu 80 % bei Ausscheiden innerhalb des 2. Jahres nach Studiumsende
- zu 50 % bei Ausscheiden innerhalb des 3. Jahres nach Studiumsende
…”
Die Ausbildung der Beklagten an der Berufsakademie der Volksbanken und Raiffeisenbanken Hannover begann am 1. August 1995. Der praktische Teil der Berufsausbildung fand bei der Klägerin statt. Die Beklagte hatte ihren Urlaub von insgesamt 16 Wochen während des praktischen Teils der Ausbildung zu nehmen. Sie war danach insgesamt 69 Wochen im Betrieb der Klägerin tätig, davon 9 Wochen im 1. Semester, 12 Wochen im 2. Semester, 14 Wochen im 3. Semester, 23 Wochen im 4. Semester und 11 Wochen im 5. Semester. Dem standen insgesamt 62 Studienwochen an der Berufsakademie gegenüber, und zwar je zehn Wochen im 1. bis 4. und im 6. Semester sowie zwölf Wochen im 5. Semester. Hinzu kamen neun Wochen im 6. Semester, während der die Beklagte zur Anfertigung ihrer Abschlußarbeit von der Arbeit freigestellt war. In der praktischen Ausbildungszeit hatte die Beklagte ständig Praxisberichte anzufertigen, um der Berufsakademie eine Einschätzung über die praktische Umsetzung der im Studium erworbenen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden zu ermöglichen. Die Beklagte beendete ihr Studium erfolgreich im September 1998.
In einem Gespräch am 7. April 1998 mit der Personalleiterin der Klägerin wurde sie davon unterrichtet, daß sie mittelfristig für einen Einsatz als Zweigstellenleiterin vorgesehen sei. Ihr wurde am 28. August 1998 telefonisch mitgeteilt, daß sie in der Filiale G. im Schalterbereich eingesetzt werden sollte, um ua. Produkt- und Marktkenntnisse zu aktualisieren. Diese Filiale war zu diesem Zeitpunkt mit vier Mitarbeitern besetzt. Am 30. September 1998 schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag, nach dem die Beklagte als Mitarbeiterin der Bank mit Wirkung vom 1. Oktober 1998 bis 31. März 1999 angestellt wurde. Der Arbeitsvertrag war innerhalb der ersten drei Monate des Beschäftigungsverhältnisses beiderseits kündbar.
Die Beklagte arbeitete in der Folgezeit als Sachbearbeiterin im Schalterbereich in der Filiale in G. Unter dem 7. Dezember 1998 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1998. Mit Schreiben vom 15. Februar 1999 verlangte die Klägerin von der Beklagten ohne Erfolg die Erstattung von Studien- und Prüfungsgebühren, Mietzuschüssen sowie Reisekosten von insgesamt 11.879,75 Euro.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei zur Erstattung der von ihr aufgewendeten Kosten für den Besuch der Berufsakademie nach der Qualifizierungsvereinbarung verpflichtet. Die Rückzahlungsvereinbarung sei nicht nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BBiG unwirksam. Das Berufsbildungsgesetz finde keine Anwendung. Es handele sich um eine Ausbildung, für die das Studium an der Berufsakademie prägend gewesen sei und die im tertiären Bildungsbereich zu einem wissenschaftlichen und qualifizierten Abschluß führe. Der Abschluß sei mit einem Hochschulabschluß vergleichbar.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 11.879,75 Euro (23.234,78 DM) nebst 4 % Zinsen ab dem 10. Mai 1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Klägerin steht kein Erstattungsanspruch zu. Sie sei nicht ausbildungsadäquat beschäftigt worden. Eine Aussicht auf eine unbefristete und ausbildungsgerechte Beschäftigung habe nicht bestanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Zu Unrecht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der von ihr aufgewendeten Studiengebühren sowie der an die Beklagte gezahlten Fahrtkosten und Mietzuschüsse in Höhe von insgesamt 11.879,75 Euro (= 23.234,78 DM) zu.
I. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Rechtsverhältnis der Parteien § 5 BBiG unterlag. Auch bei einer Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 BBiG folgt der Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihrer nach der Qualifikationsvereinbarung vom 12. Juli 1995 geleisteten Zahlungen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Soweit die Qualifizierungsvereinbarung einer Inhaltskontrolle nach den Grundsätzen zur Rückzahlung von Ausbildungskosten in einem Arbeitsverhältnis zu unterziehen ist, wäre sie wirksam und löste ebenfalls eine Erstattungspflicht der Beklagten aus.
1. Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Qualifizierungsvereinbarung vom 12. Juli 1995 wegen eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 BBiG keine Erstattungspflicht der Beklagten begründen könne. Bei einer unterstellten Anwendung dieser Vorschrift wäre die Beklagte zur Zahlung der von der Klägerin aufgewendeten Kosten gemäß § 812 Abs. 1 BGB verpflichtet.
a) Im Rahmen einer Ausbildung nach dem BBiG fallen die Kosten der betrieblichen Ausbildung dem Ausbildungsbetrieb zur Last. Sie können nicht dem Auszubildenden auferlegt werden (§ 5 Abs. 2 BBiG). Zu den Kosten der betrieblichen Ausbildung zählen auch diejenigen, die durch den Besuch außerbetrieblicher Lehrgänge anfallen, die Teil des Ausbildungsgangs sind (BAG 29. Juni 1988 – 5 AZR 450/87 – nv.). Hierzu können auch die einer auswärtigen Unterbringung gehören, die dadurch entstehen, daß die praktische Berufsausbildung außerhalb des Ausbildungsbetriebs erfolgt (BAG 21. September 1995 – 5 AZR 994/94 – BAGE 81, 62). Vom Ausbilder nicht zu tragen sind die Kosten des Berufsschulbesuchs. Das gilt für Fahrt- und Unterbringungskosten, sowie Kosten, die ausschließlich dem schulischen Bereich zuzuordnen sind (BAG 25. Juli 2002 – 6 AZR 381/00 – zVv.).
Nach dem Ausbildungsvertrag vom 13. April 1995 gehören die Studienphasen an der Berufsakademie nicht zu der von der Klägerin geschuldeten betrieblichen Ausbildung. Soweit das BBiG auf eine Ausbildung an einer Berufsakademie überhaupt anwendbar wäre, beträfe diese den schulischen Bereich der dualen Ausbildung. Die durch den Besuch der Berufsakademie entstehenden Kosten fielen demnach der Beklagten zur Last.
b) Verstößt die Qualifizierungsvereinbarung vom 12. Juli 1995 wegen der von der Beklagten übernommenen Verpflichtung auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 BBiG, fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die von der Klägerin gezahlten Studiengebühren, Mietzuschüsse und Fahrtkosten. Diese Leistungen hätte die Beklagte insoweit ohne Rechtsgrund erlangt. Sie hätte sie nach den Bestimmungen über eine ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das beträfe sowohl die an die Beklagte entrichteten Miet- und Fahrtkostenzuschüsse, als auch die an die Berufsakademie gezahlten Studiengebühren. Insoweit wäre die Beklagte durch die Zahlungen der Klägerin von einer Verbindlichkeit freigestellt worden. Hierfür hätte sie nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten.
2. Betrifft die Qualifizierungsvereinbarung hingegen eine arbeitsvertragliche Rückzahlungsklausel über die Erstattung von Ausbildungskosten, wäre sie wirksam. Die Beklagte wäre auch in einem solchen Fall zur Erstattung der geltend gemachten Ausbildungskosten verpflichtet.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (29. Juni 1962 – 1 AZR 343/61 – BAGE 13, 168; 16. März 1994 – 5 AZR 339/92 – BAGE 76, 155) sind Verträge über die Rückzahlung der Ausbildungs- oder Fortbildungskosten im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer grundsätzlich zulässig. Ausnahmsweise können derartige Zahlungsverpflichtungen gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, wenn sie auch bei Berücksichtigung der Grundrechte des Arbeitgebers zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) führen. Eine Belastung des Arbeitnehmers mit Ausbildungskosten muß demnach bei verständiger Betrachtung einerseits einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Der Arbeitnehmer muß andererseits mit der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muß ihm die Erstattungspflicht zuzumuten sein. Das ist auf Grund einer auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogenen Güter- und Interessenabwägung unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (BAG 30. November 1994 – 5 AZR 715/93 – BAGE 78, 356, 365).
b) Bei der Anwendung dieser Grundsätze wäre die Belastung der Beklagten mit den Kosten ihres Studiums an der Berufsakademie nicht zu beanstanden.
aa) Die Beklagte hat durch die Ausbildung einen geldwerten Vorteil erlangt. Die Ausbildung zur Betriebswirtin (BA) stellt eine gehobene Qualifikation dar. Sie ermöglicht der Beklagten eine kaufmännisch-betriebliche Tätigkeit in der Wirtschaft ähnlich einem Betriebswirt (FH). Auf Grund dieser Ausbildung ist die Beklagte zudem berechtigt, bei Fachhochschulen weiterführende Studiengänge nach § 6 Nds. BAkadG zu besuchen, die zu einem berufsqualifizierten Abschluß gemäß § 22 Abs. 1 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes führen. Da diese Studiengänge so zu gestalten sind, daß sie einschließlich der Prüfung innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden können, hat die Beklagte eine Qualifikation erfahren, die einem Hochschulabschluß nahezu wertgleich ist.
bb) Bei einer dreijährigen Ausbildungsdauer mit einem nahezu hälftigen Zeitanteil für die Studienphasen an der Berufsakademie wäre die Bindungsdauer von 36 Monaten rechtlich nicht zu beanstanden (s. auch BAG 25. April 2001 – 5 AZR 509/99 – BAGE 97, 333).
cc) Die Rückzahlung wäre auch nicht deswegen unzumutbar, weil sie nach der Qualifizierungsvereinbarung auch dann zu erfolgen hat, wenn die Beklagte auf eigenen Wunsch hin aus einem befristeten Arbeitsverhältnis ausscheidet. Das berechtigte Interesse eines Arbeitgebers, der einem Arbeitnehmer eine Ausbildung finanziert, geht dahin, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für den Betrieb nutzen zu können (BAG 6. Mai 1998 – 5 AZR 535/97 – BAGE 88, 340). Das gestattet es ihm, als Ausgleich für seine finanziellen Aufwendungen von einem abkehrwilligen Arbeitnehmer die Kosten der Ausbildung ganz oder anteilig zurückzuverlangen. Vereinbart er mit einem Arbeitnehmer, dessen Ausbildung er vor der Begründung eines Arbeitsverhältnisses finanziert hat, zunächst ein befristetes Arbeitsverhältnis zur Probe, folgt daraus nicht zwingend, daß es an einem entsprechenden Arbeitsbedarf fehlt. Vielmehr soll der Arbeitnehmer erprobt werden, um feststellen zu können, ob er auf Grund der zwischenzeitlich erworbenen Kenntnisse oder Fertigkeiten den Anforderungen einer qualifizierten Tätigkeit genügt und ihm eine ausbildungsgerechte Tätigkeit auch auf Dauer übertragen werden kann. Dementsprechend fehlt es an einem sachlichen Grund für die Rückzahlungspflicht erst, wenn der Arbeitgeber nach Ablauf der Erprobung das Arbeitsverhältnis nicht verlängert. Eine Rückzahlungspflicht, die auch für diesen Fall gilt, wäre unwirksam. Sie würde berechtigte Belange des Arbeitnehmers mißachten, durch den Verbleib im Betrieb eine Erstattung von Ausbildungskosten vermeiden zu können.
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten war ihr ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis zur Vermeidung ihrer Rückzahlungspflicht auch zumutbar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entfällt die sachliche Grundlage für eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber keinen Bedarf an der Arbeitsleistung des auf seine Kosten qualifizierten Arbeitnehmers hat und deshalb betriebsbedingt kündigt (6. Mai 1998 – 5 AZR 535/97 – BAGE 88, 340). Dem steht es gleich, wenn er außerstande ist, dem Arbeitnehmer eine seiner Ausbildung entsprechenden Tätigkeit zuzuweisen. Eine Rückzahlungspflicht ist nur dann angemessen, wenn es dem Arbeitnehmer zuzumuten ist, die für ihn aufgewendeten Ausbildungskosten durch Betriebstreue abzugelten. Unterbleibt eine ausbildungsadäquate Beschäftigung im Anschluß an die Ausbildung, wäre ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis zur Vermeidung der Rückzahlungspflicht durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers nicht mehr gedeckt. Der Arbeitnehmer würde durch die Bindung an einen Arbeitgeber, der für seine neu erworbenen Kenntnisse keinen Bedarf hat, seinen durch die Ausbildung erworbenen Marktwert mindern, wenn nicht gar verlieren.
Im Ausgangsfall wurde die Beklagte entsprechend der Qualifizierungsvereinbarung als Mitarbeiterin der Bank eingestellt und ausbildungsadäquat vergütet. Stellt sich erst bei der Durchführung des Vertragsverhältnisses heraus, daß dem Arbeitnehmer Arbeitsaufgaben zugewiesen werden, die nicht seiner Ausbildung entsprechen, ist ihm ein Festhalten an diesem Arbeitsverhältnis zur Vermeidung von Rückzahlungspflichten jedenfalls dann nicht zumutbar, wenn der Arbeitgeber einem berechtigten Verlangen auf Zuweisung einer qualifikationsgerechten Beschäftigung nicht entspricht. Insoweit fehlt es an einem Bedarf an seiner Arbeitsleistung und damit an einem schützenswerten Interesse des Arbeitgebers am Verbleib des auf seine Kosten ausgebildeten Arbeitnehmers. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis von sich aus beenden, ohne einer Rückzahlungspflicht ausgesetzt zu sein. Vorliegend hat sich die Beklagte auf eine ihrer Qualifikation nicht entsprechende Tätigkeit erst berufen, nachdem die Klägerin die Rückzahlung von Ausbildungskosten verlangt hat. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin hatte die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt gegenüber ihren Vorgesetzten eine entsprechende Beanstandung nicht zum Ausdruck gebracht. Sollte die Beklagte mit Aufgaben betraut gewesen sein, die nicht ihrer durch das Studium an der Berufsakademie vermittelten beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprachen, bestand wegen ihrer überraschenden Eigenkündigung keine Möglichkeit, durch Änderung der Arbeitsaufgaben dem Betrieb auf Dauer die Qualifikation der Beklagten zu erhalten. Erst wenn die Klägerin außerstande gewesen wäre, ihrer Arbeitnehmerin ausbildungsadäquate Arbeitsaufgaben zuzuweisen, wäre der Beklagten ein Verbleib unzumutbar gewesen.
d) Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Fünften Senats vom 19. März 1980 (– 5 AZR 362/78 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 5 = EzA BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 2) steht dem nicht entgegen. Darin hat der Fünfte Senat angenommen, die Rückzahlung von Ausbildungskosten könne einer auf Kosten des Dienstherrn ausgebildeten Krankenschwester nicht zugemutet werden, wenn einerseits der Dienstherr bei Beendigung der Ausbildung keinen Bedarf an Krankenschwestern habe und andererseits die Arbeitnehmerin wegen familiärer Verpflichtungen an einer weiteren Berufstätigkeit gehindert ist. Nur auf Grund beider Umstände hat der Senat eine Kostenrückerstattungspflicht für die Arbeitnehmerin als unzumutbar angesehen. Vorliegend fehlt es schon an den persönlichen Gründen, die nach der genannten Entscheidung eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Arbeitnehmerin als unzumutbar erscheinen lassen.
II. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler zugleich für den aus dem Kapitza Amt geschiedenen ehrenamtlichen Richter Helmlinger
Fundstellen
Haufe-Index 1134500 |
ZTR 2003, 302 |
AP, 0 |
AuA 2003, 54 |
ArbRB 2003, 97 |
GdWZ 2003, 148 |
SPA 2003, 2 |